01.02.2022 Schauspieler und Musiker

Kiefer Sutherland: Konfrontation mit dem eigenen Ich

Von Marcus Italiani
Kiefer Sutherland.
Kiefer Sutherland. Fotoquelle: Clayton Cooper

"Young Guns", "Flatliners", "24", "Pompeii", "Designated Survivor" … die Liste der Blockbuster, in denen der kanadische Superstar Kiefer Sutherland mitgewirkt hat, ist schier unendlich lang. Dass seine Leidenschaft für Musik in den letzten Jahren zunehmend sein kreatives Schaffen bestimmt, ist hingegen kein Widerspruch, wie wir im Gespräch mit dem 55-jährigen erfuhren.

Herr Sutherland, auf Ihrem neuen Album "Bloor Street" haben Sie eine Kurskorrektur von Country zu Rock vorgenommen. Warum?

Meine ersten beiden Alben habe ich mit meinem Freund und Country-Fan Jude Cole geschrieben. "Bloor Street" ist während der Pandemie mit den Jungs meiner Band entstanden. Es ist ein hoffnungsvolles Album, das einen anderen Anstrich brauchte.

Warum ist das Album nach der Verkehrsader in Toronto benannt?

Weil das quasi die Straße meines Lebens ist. Hier wurde ich das erste Mal geküsst und zusammengeschlagen. Hier wurde ich vom Jungen zum Mann.

War Musik immer schon Ihre erste Liebe?

So würde ich das nicht ausdrücken. Ich bin wirklich gerne Schauspieler und schlüpfe in unterschiedliche Rollen, um zu schauen, wohin es mich führt. Ich glaube, das werde ich tun, bis ich sterbe. Aber das kann man nicht vergleichen.

Warum nicht?

Am Set eines Films kann ich mich in jemanden hineinversetzen. In meiner Musik gebe ich hingegen viel von mir selbst preis. Da steht man dann plötzlich ungeschützt auf einer Bühne vor fremden Menschen und soll sein Innerstes nach außen kehren. Das hat mir beim ersten Mal einen Höllenrespekt eingeflößt. Nicht wegen des Publikums, sondern wegen dieser brutalen Konfrontation mit mir selbst. Aber nach einigen Gigs habe ich wirklich angefangen, das zu genießen. Es ist etwas völlig anderes als das Filmemachen – und daher auch nicht zu vergleichen.

Beim dritten Longplayer spricht man ja oft vom entscheidenden Album, das über den weiteren Verlauf der Karriere entscheidet. Hatten Sie das auch im Hinterkopf?

Nein, wirklich nicht. Es ist ja auch gottlob nicht so, dass ich von der Musik leben müsste. Es ist einfach ein Album, in das ich viel Herzblut gesteckt habe und auf dem Songs sind, die heraus mussten. Ich glaube auch, dass ich unter einer solchen Vorgabe verkrampft gearbeitet hätte.

Wenn wir davon sprechen, dass Sie ihr Innerstes für alle Welt sichtbar nach außen kehren, müssen wir über den Song "County Jail Gate" sprechen.

Darin stecken natürlich einige autobiographische Anspielungen, da ich wegen einiger Dummheiten mal ein paar Wochen im Knast verbringen durfte. Die Inspiration zu dem Song stammt allerdings aus einem Film über jemanden, der lebenslänglich einsitzt und dann mitbekommt, wie immer wieder Mithäftlinge aus dem Gefängnis entlassen werden. Ich stellte mir dieses gruselige Geräusch der knarrenden Gefängnistür vor, die sich öffnet und wieder schließt. Damit sterben ja auch Hoffnungen. Für mich fühlte sich das damals ganz furchtbar an. Es war ohnehin alles so peinlich. Das Geräusch hat einen im Knast wirklich verhöhnt. Zunächst war der Song ein sehr wütender und lauter Track, bevor ich versucht habe, das Gefühl der Machtlosigkeit mit einem etwas stoischeren und entspannteren Ansatz zu koppeln.

Ist man als Künstler in der Pandemie nicht auch eine Art Gefangener?

Ach, wissen Sie – meiner Familie und mir geht es gut. Ich habe während der Pandemie vier Filme gedreht. Mit täglichen Tests am Set und allen Beschränkungen, die dazugehören. Ich persönlich habe also gar nicht so sehr unter den Corona-Folgen zu leiden, wofür ich sehr dankbar bin. Ich kenne leider viele Künstler, vor allem Musiker, die mittlerweile aufgegeben haben. Das ist wirklich traurig.

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