05.09.2023 Dimitirj Schaad im Interview

„Alles, nur nicht Krimi und Pseudorealismus“

Von Danina Esau
Dimitirij Schaad spielt in der Serie den Polizisten Sven, der Kleo dicht auf den Fersen ist.
Dimitirij Schaad spielt in der Serie den Polizisten Sven, der Kleo dicht auf den Fersen ist. Fotoquelle: Netflix / Julia Terjung

Die Netflix-Serie „Kleo“ ist für den Blauen Panther – TV & Streaming Award nominiert. Schauspieler Dimitrij Schaad, der den Polizisten Sven Petzold spielt, spricht im prisma-Interview über schlechte deutsche Serien, seine Liebe zum Theater und seinen Hass auf Krimis.

Die Netflix-Serie „Kleo“ wurde von Stephen King empfohlen, von der New York Times gelobt und für den Publikumspreis des Blauen Panther – TV & Streaming Award nominiert – haben Sie das erwartet?

Ich hatte schon bei der Anfrage und beim ersten Lesen das Gefühl, dass es etwas wirklich Einzigartiges wird. Beim Drehen dann umso mehr. Dass es aber auch so kolossal gut ankommen wird – damit kann man natürlich nicht rechnen. Das ist Magie.

Sie sind selbst Drehbuchautor. Woran erkennen Sie ein gutes Drehbuch? Was hat Sie bei „Kleo“ direkt überzeugt?

Ein gutes Drehbuch muss für mich etwas Neues haben, etwas Gewagtes, einen einzigartigen Take auf einen bekannten Topos, eine profunde Auslotung menschlicher Regungen – kurzum alles, was dem deutschen Fernsehen für gewöhnlich fehlt. Und „Kleo“ hatte all das für mich.

„Kleo“ wird verglichen mit der Erfolgsserie „Killing Eve“ und ist auch international gut angekommen, was für deutsche Produktionen nicht so häufig ist. Warum haben so wenige deutsche Filme und Serien das Potential, international mitzumischen?

Schlechte Bücher, Feigheit der Redaktion, unfähige Regie, ein recht niedriges Schauspielniveau in Deutschland, Geschmacklosigkeit der Zuschauer und Zuschauerinnen, die immer nur den gleichen blöden Krimi-Aufwasch schauen, wenig bis gar keine innovativen erzählerischen Impulse. Es gibt viele Gründe, warum deutsche Serien international nicht mithalten. Es gibt jedes Jahr international so viele tolle, innovative, politische, kluge, witzige Serien. Der weltweite Markt ist sehr eng und man braucht Top Leistung, Mut und eine starke Vision, um mitmischen zu können. Die deutsche Film- und Fernsehindustrie, die über Jahrzehnte nur Soap, Tatort oder Komödie von zweifelhaftem humoristischem Wert gemacht hat, ist dort in der Breite noch lange nicht. Aber manchmal gelingt es ja tollen Produktionen dennoch – das macht Mut!

Jella Haase, die „Kleo“ spielt, durfte ihre Rolle selbst mitgestalten. War das bei Ihnen auch so?

Ja. Ich habe seit dem Casting die Texte verändert und meine Vision von Sven Petzold entwickelt, der erstmal gar nicht lustig geschrieben war. Ich fand aber die Idee von ihm einfach irrsinnig komisch und so ist in Absprache mit dem sensationellen Showrunner Hanno Hackfort, der visionären Regisseurin Viviane Andereggen und vor allem mit dem zweiten Regisseur und mittlerweile guten Freund Jano Ben Chaabane diese Figur entstanden. Und ich habe bis jetzt maximale Freiheit damit, was ich den Autoren und Autorinnen, Regie und Netflix hoch anrechne.

Viele finden Ihren Serien-Charakter, den des Polizisten Sven Petzold, nervig. Ist das gut oder schlecht für die Schauspielkarriere?

Ich finde Sven super!

Sie wollten eigentlich Geschichtslehrer werden. Reizen Sie daher Produktionen wie „Kleo“, die in der Vergangenheit spielen, besonders?

Nicht in der Vergangenheit. Aber es stimmt schon: Mich reizt ein erzählerischer Kosmos, in den ich eintauchen kann. Ob er jetzt historisch, Sci-Fi oder Alternate Reality ist. Finde ich alles toll. Alles, nur nicht Krimi und Pseudorealismus.

Sie waren lange als Theaterschauspieler tätig, jetzt kommen häufiger Serien und andere TV-Produktionen hinzu. Ist die Theaterarbeit auf die Dauer zu anstrengend?

Ich spiele immer noch Vorstellungen am Gorki Theater Berlin und am Thalia Theater in Hamburg. Und im November werde ich zum ersten Mal einen Soloabend machen an der Berliner Schaubühne. Also Theater ist bis heute ein wichtiger Bestandteil meines Lebens und der Ort, an dem ich mich ausprobieren und entwickeln kann.

Was reizt Sie am TV? Und was am Theater?

Am Streaming: Die Reichweite, die Feinheit im Spiel, die Größe der Bilder, die stillen Momente. Am Theater: Das Live-Erlebnis, die Weltliteratur, die ich durchpflügen darf. Zwei Stunden lang spielen und mich verlieren – das ist das beste Gefühl der Welt!

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