03.11.2015 Ausstellung

Meister der Ergebenheit

Der Hl. Franziskus als Hamlet: Knapp 60 Jahre nach Shakespeares Dichtung malte Francisco de Zurbarán eine ganz ähnliche Szene.
Der Hl. Franziskus als Hamlet: Knapp 60 Jahre nach Shakespeares Dichtung malte Francisco de Zurbarán eine ganz ähnliche Szene. Fotoquelle: smkp; Museum Kunstpalast/Horst Kolberg/ARTOTHEK

Der Museumsbesuch als gottesfürchtige Therapie: Francisco de Zurbarán im Düsseldorfer Kunstpalast.

Aus dem Buch- und Kinohit "Fräulein Smillas Gespür für Schnee" haben wir gelernt, dass es im Grönländischen mindestens 40 Wörter für die unterschiedliche Beschaffenheit von Schnee geben soll.

Der Maler Francisco de Zurbarán (1598-1664) hat sich Zeit seines Lebens in Sevilla und Umgebung herumgetrieben und möglicherweise niemals Schnee gesehen. Dafür beherrschte er mindestens 40 Töne von Weiß.

Nachzusehen (und zu überprüfen) ist das im Düsseldorfer Kunstpalast in der Ausstellung "Zurbarán. Meister der Details". Das Weiß schimmert tragisch umflort auf der Kutte des Heiligen Serapion; es leuchtet im fahlen Mondlicht beim Zwiegespräch des Heiligen Franziskus mit einem Totenschädel; es gewinnt eine übernatürliche Reinheit im Wollfell des Agnus Dei, des Schafes Gottes. Weiß jubiliert oder droht aus düsteren Himmeln. Kalkweiß ist das Gesicht der Jungfrau Maria als Kind, was durch reichlich Rouge auf ihren Pausbacken noch betont wird.

Gleichwohl führt der Ausstellungstitel in die Irre. "Meister des Details" verweist Malkunst und Frömmigkeit Zurbaráns in die Gefilde eines tüftelnden, in sich gekehrten, leicht spinnerten Manieristen.

Das war er auch, aber auch viel mehr als das. In Madrid, im Museo Thyssen-Bornemisza, von wo die Ausstellung nach Düsseldorf gekommen ist, hieß sie noch treffender "Una nueva mirada", ein neuer Blick.

Kein Blut, kein Wahnsinn

Der vorherrschende Eindruck im Kunstpalast hat weder mit Weiß noch dem allgegenwärtigen Helldunkel in Zurbaráns Bildern zu tun. Es ist vielmehr eine ungewohnte Stille, die wie eine sanfte Geste von den Farben ausgeht und sich auf den Betrachter legt, sofern er dafür empfänglich ist und den "neuen Blick" riskiert. Da wird nicht um Gott gerungen, niemand schreit sein Leid gen Himmel, kein ungläubiger Thomas steckt seinen Finger in die Wunden des Gekreuzigten, es fließt überhaupt kein Blut, von einigen Tropfen abgesehen.

Der Wahnsinn, welcher der Religion (auch) innewohnt, bleibt bei Zurbarán derart außen vor, dass manchen Kritikern schwindelig wurde von so viel Unbeirrtheit, die in Irreführung seitens des Künstlers umgedeutet wurde. "Diese geschlossenen Augen zeigen, was Ekstase ist", behauptete die Tageszeitung "Die Welt". Was im Umkehrschluss hieße, dass Technobeats auch nur eine Form von Stille sind.

Die "FAZ" machte "glühende Askese" aus. Doch sucht man die von italienischen Meistern und auch von El Greco gewohnte rippendürre Nacktheit in Verbindung mit fiebrigem Blick aus tiefer Augenhöhle bei Zurbarán vergebens.

Was von seinen Farben, Stoffen, Körpern und Szenen ausgeht, ist Ergebenheit. Der Betrachter stößt auf einen Glauben, der durch nichts zu erschüttern scheint und sich mit dem tiefsten Ich der Figuren vereint hat. Zurbarán zu schauen ist wie eine Therapiestunde in gottesfürchtiger Zuversicht.

Nach der Inquisition

Anderseits, als er wirkte, hatte die spanische Inquisition gerade jeden aufmüpfigen Gedanken aus den Köpfen gefoltert. Zurbarán lieferte vor allem Klöstern zu. Das setzt seine erzkatholischen Bildharmonien dem Verdacht der Gefälligkeit aus. Beweisen lässt sich das nicht.

Der ungleich berühmtere Diego Velasquez versuchte, den geschätzten Kollegen Zurbarán in Madrid bei Hofe einzuführen. Dem aber behagte der Trubel nicht, lieber murkelte er in Sevilla weiter.

Entdeckt und wiederentdeckt wurde er oft. Der fanzösischen Romantik gefiel Zurbaráns stille Gläubigkeit. Mit der Sammlung Gigoux gelangte er im Herbst 2013 ins Von der Heydt-Museum Wuppertal (prisma berichtete). Jetzt sind in Düsseldorf 71 Werke des Malers zu sehen.