11.01.2022 Finanzen

Nachhaltige Geldanlage: Auf den Inhalt kommt es an – nicht aufs Etikett

Von Jürgen Grosche
Viele Menschen möchten ihr Geld auch unter dem Gedanken der Nachhaltigkeit anlegen.
Viele Menschen möchten ihr Geld auch unter dem Gedanken der Nachhaltigkeit anlegen. Fotoquelle: picture alliance / dpa-tmn | Christin Klose

Nachhaltige Geldanlagen boomen. Doch ist in den Produkten auch drin, was draufsteht und was die Anleger haben wollen? Ein genauer Blick lohnt sich.

Neben Corona gibt es derzeit kaum ein Thema, das die Menschen mehr bewegt, als der Klimawandel – oder breiter gefasst: die Nachhaltigkeit. In der Geldanlage spielt das Thema ebenfalls eine zunehmend wichtige Rolle – aus mehreren Gründen. Zum einen will die Europäische Union durch Regulierungsvorschriften darauf hinwirken, dass Kapitalströme in nachhaltige Aktivitäten gelenkt werden. Institutionelle Investoren reagieren darauf und stecken ihre Finanzmittel in Anlagen, die sie als nachhaltig klassifizieren. Aber auch bei Privatanlegern nimmt das Interesse an dem Thema zu – sie wollen nicht nur ihren Alltag verantwortungsbewusster gestalten, sondern achten auch bei ihrer Geldanlage darauf.

Soweit, so schön. Im Detail ist die Sache nicht so einfach. Jeder versteht unter Nachhaltigkeit etwas anderes. Die einen wollen vor allem den Klimawandel begrenzen, anderen sind soziale Aspekte wichtig. Oder die langfristige Orientierung der Wirtschaft. In der Finanzwelt hat sich ein Kürzel etabliert, das drei Ziele vereint: ESG. Nachhaltiges Wirtschaften berücksichtigt die Umwelt (Environment) ebenso wie soziale Themen (Social) und die gute, verantwortungsvolle Unternehmensführung (Governance). Ein Unternehmen, das ESG-Kriterien berücksichtigt, strebt also nicht nur die Klimaneutralität an, sondern geht auch pfleglich mit Umwelt und Ressourcen um, aber auch mit seinen Mitarbeitern, Lieferanten und Nachbarn. Es vermeidet Korruption und Misswirtschaft durch Compliance-Regeln, die effektiv dafür sorgen, dass gesetzliche Bestimmungen und interne Richtlinien eingehalten werden.

Es ist wichtig, diese Hintergründe im Kopf zu behalten, wenn man sich die Geldanlage-Seite anschaut. Da blühen die Angebote für nachhaltige oder grüne Investments gerade auf. Nach Angaben Fondsverbandes BVI haben Mitte 2021 allein nachhaltige Fonds in Deutschland bereits 361 Milliarden Euro verwaltet, dreimal mehr als im Vorjahr. Dazu kommen nachhaltige Anleihen und andere Instrumente. Da besteht die Gefahr des „Greenwashings“ – Fonds oder Unternehmen bezeichnen sich als nachhaltig, was einer genauen Prüfung nicht standhält. Doch selbst, wenn man den guten Willen unterstellt, gilt es, genau hinzuschauen: Wie definiert etwa ein Anbieter von Finanzprodukten Nachhaltigkeit? Es gebe keine allgemein gültige Definition von Nachhaltigkeit, heißt es beim Financial Planning Standards Board (FPSB), einem globalen Netzwerk zertifizierter Financial Planner, in einer Pressemitteilung, „und die Produkte sind vielfältig und oftmals komplex“.

Nachhaltigkeitsindizes – was umfassen sie?

Produktanbieter nutzen unterschiedliche Konzepte. Manche schließen bestimmte Branchen oder Unternehmen aus, die zum Beispiel gegen die Menschenrechte verstoßen. Andere verfolgen so genannte Best-in-Class-Ansätze, bei denen die jeweils nachhaltigsten Firmen aus verschiedenen Sektoren ausgesucht werden. Beim Impact Investing geht es darum, eine messbare positive Wirkung auf die Umwelt oder die Gesellschaft zu erzielen. Genau hinschauen müssen Anleger, wenn sich Produkte auf Nachhaltigkeitsindizes berufen: Was umfassen diese? Manche Indizes enthalten Tabakkonzerne, die vielleicht hohe soziale Standards für ihre Mitarbeiter haben und damit das S der ESG-Kriterien erfüllen. Das dürfte nicht jedem nachhaltig orientierten Menschen gefallen. Die unterschiedlichen Definitionen reichen bis in die Politik: In Frankreich plädieren viele dafür, die Kernkraft auszubauen. „Ohne Atomkraft kann Europa seine Klimaziele nicht erreichen“, sagte erst kürzlich der französische Präsident Emmanuel Macron – ein No-Go für viele Umweltaktivisten.

Damit noch nicht genug: Viele grüne Finanzanlagen haben weniger Einfluss auf die Investitionen von Unternehmen und Staat als gewünscht. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle gemeinsame Analyse der Dresdner Niederlassung des ifo Instituts, des Leibniz-Instituts für Finanzmarktforschung SAFE und der ESMT Berlin. „Der Grund: Es gibt in Unternehmen und im Staatshaushalt praktisch keine ursächliche Verknüpfung zwischen grünen Finanzierungsinstrumenten und einer Verwendung der Gelder für grüne Zwecke“, sagt Marcel Thum, Leiter der ifo-Niederlassung Dresden. „Green Finance“ habe daher nicht unbedingt die positiven Eigenschaften, die Anleger sich von ihnen erhofften.

Das alles heißt nun nicht, dass Anleger resignieren müssten und die Finger von nachhaltigen Investments lassen sollen. Sie sollten sich eine eigene Strategie entwickeln. Zuerst: Was verstehe ich selbst unter Nachhaltigkeit, welche Ziele sind mir wichtig? Im nächsten Schritt können sie sich mit den Konzepten der Anbieter befassen: Wie definieren sie Nachhaltigkeit? Wäre Impact Investing das Mittel der Wahl? Soll vor allem die Klimaneutralität vorangebracht werden?

Technologische Entwicklung beobachten

Oft treten dann allgemeine Maßstäbe in den Hintergrund. Beim Thema Klimaschutz rät zum Beispiel Thomas Seppi von der Fondsgesellschaft Frankfurt Performance Management dazu, die technologische Entwicklung in den Blick zu nehmen. Für Anleger sieht er Chancen in kleinen, aufstrebenden Unternehmen, wenn sie technologische Lösungen entwickeln, die man skalieren und ausbauen kann. „Wir bilden in unserem Portfolio daher die Vielfalt der technologischen Ideen ab.“ Vergangenes Jahr hat die FPM ihren Investmentfonds FPM Funds Ladon (ISIN LU0232955988) neu auf innovative Investments in Technologien ausgerichtet, die zur Reduzierung von CO2 zukunftsfähig erscheinen.

Hans-Jürgen Friedrich, Gründer und Vorstand der KFM Deutsche Mittelstand AG, rät dazu, die Auswahlkriterien genau zu studieren, die Produktanbieter aufzählen. Die KFM investiert für ihre Fonds in Anleihen von mittelständischen Unternehmen und analysiert die Unternehmen mit ihrem eigens entwickelten Analyseverfahren KFM-Scoring unter anderem auf Einhaltung genau definierter ESG-Kriterien. Darüber hinaus lässt die KFM ihr Portfolio extern von der Agentur imug rating überprüfen, die zu den tonangebenden deutschen Nachhaltigkeits-Ratingagenturen zählt. Sie klassifiziert das Portfolio des Deutschen Mittelstandsanleihen-Fonds (ISIN LU0974225590) als „neutral bis positiv und als nahezu frei von ESG-Risiken“, die Prüfergebnisse können Anleger nachlesen.

Nur zwei Beispiele, die zeigen, wie Anbieter von Finanzprodukten arbeiten. Anleger, die auch bei der Geldanlage wie in ihrem persönlichen Verhalten Verantwortung übernehmen wollen, informieren sich am besten genau über die Investments. Beim Kauf von technischen Geräten oder Lebensmitteln verfährt man ja ähnlich. Und bei der Geldanlage kommt eine weitere Entscheidungshilfe dazu: Wo möglich, die Geldanlage streuen auf verschiedene Anlageobjekte. Und immer wieder die Entwicklung beobachten. Dann handeln die Anleger selbst nachhaltig.

Anbieter müssen informieren

Seit März gilt die europäische Offenlegungsverordnung. Finanzunternehmen müssen belegen, wie nachhaltig ihre Angebote sind. Finanzprodukte, die für sich in Anspruch nehmen, Nachhaltigkeitskriterien zu erfüllen, müssen dazu genaue Angaben enthalten. Die Informationen müssen Auskunft darüber geben, welchen Nachhaltigkeitsrisiken das Investment ausgesetzt ist und ob es negative Auswirkungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren hat. Bei diesen geht es um die ESG-Themen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung.

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