Gesundheit

Der Irrtum der Babyboomer: Pflegestudie von Prof. Druyen zum Download

04.09.2022, 19.59 Uhr
von José Macias
Professor Dr. Thomas Druyen.
Professor Dr. Thomas Druyen.  Fotoquelle: Alois Müller

Die geburtenstarken Jahrgänge verdrängen das Thema Pflege systematisch – eine neue Studie zeigt das Ausmaß. Lesen Sie hier die Hintergründe.

Sie zählen mit über 19 Millionen Menschen zur stärksten Altersgruppe in Deutschland: Die Babyboomer (Jahrgänge 1955 bis 1969) spielen deshalb in allen gesellschaftlichen Bereichen eine dominierende Rolle. Doch diese Generation, die in den nächsten Jahren auch die Rentnerzahlen hochtreibt, verschließt vor ihren eigenen Problemen oftmals die Augen. Professor Dr. Thomas Druyen, Geschäftsführer und Präsident der Opta Data Zukunfts-Stiftung in Essen, spricht gar von einer "Jahrhundertproblematik": "Die Babyboomer-Generation läuft blind in die Pflege-Katastrophe", bringt es der renommierte Zukunftspsychologe auf den Punkt.

Diese Aussage untermauert der Wissenschaftler mit einer aufsehenerregenden Studie über das Thema Pflege, die jüngst von seiner Stiftung veröffentlicht wurde. Denn ausgerechnet die Babyboomer setzen sich mit ihrer eigenen Pflegebedürftigkeit in der Zukunft nicht auseinander. Professor Druyen berichtet von Scham und Hilflosigkeit, die den Forschern bei der Erhebung der Studie begegnete. "Die Babyboomer sind bisher die Einzigen in der Menschheitsgeschichte, die die Pflege im Umgang mit fünf Generationen erleben", erläutert er. Während viele aktuell erleben, dass schon die Pflege der eigenen Eltern eine Herausforderung darstellt, die sie alleine nicht meistern können, sieht ihre eigene Pflegezukunft düster aus – vor allem, weil die wenigsten für ihre eigene Pflegebedürftigkeit vorsorgen. "Diese falsche Einschätzung sorgt dafür, dass wir vor einer der größten Herausforderungen der Nachkriegszeit stehen", warnt Druyen. Laut Studie sehen 79 Prozent der befragten Babyboomer nämlich nicht sich selbst, sondern den Staat in der Pflicht, ihre Pflege zu organisieren und ihre Kosten zu tragen. Und: "85 Prozent wollen nicht von ihren Angehörigen gepflegt werden, obwohl für 77 Prozent die Pflege der Eltern zum eigenen Leben dazugehört."

Der Wissenschaftler erwartet, dass vor allem Frauen stärker betroffen sein werden. So wünschen sich 42 Prozent der Babyboomer-Frauen, zu Hause gepflegt zu werden, (bei den Männern sind es nur 23 Prozent), doch schon heute werden knapp 70 Prozent der pflegebedürftigen Frauen vollstationär in Heimen versorgt. Es sind Widersprüche wie diese, die Professor Druyen pessimistisch stimmen: "Was Menschen überfordert, wird oft verdrängt. Die Schnelligkeit der Veränderungen führt dazu, dass unser Geist absolut überfordert wird. Als Folge wird die Zahl der Armen zunehmen, die Mittelschicht wird schrumpfen."

Der Forscher macht aber auch Hoffnung. Jungen Menschen rät er dazu, frühzeitig für das Alter vorzusorgen, um für den Pflegefall genug Kapital zu haben. Gleichzeitig könnten technische Innovationen und Digitalisierung zu Erfindungen führen, die die Pflege verbessern und erleichtern. "Unabhängig davon brauchen wir ein neues und grundlegendes Pflegebewusstsein, um die alten Tabus zu brechen und unsere Scheuklappen abzulegen." So erwartet er, dass ein zweiter Beschäftigungsmarkt für Ältere entstehen wird – mit ganz anderen Arbeitszeiten und Beschäftigungsverhältnissen. Und: "Es wird Menschen geben, die dann mit ihren Freunden eine Wohngemeinschaft gründen. Das zeigt: Wir müssen es selbst in die Hand nehmen, denn die Politik wird nicht die Lösung sein!"

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