Kritik zum neuen Fall

"Tatort: Das Verhör": Frauenhass und eine Gräueltat

04.09.2022, 08.48 Uhr

Mit einem neuen Fall aus Ludwigshafen endet die "Tatort"-Sommerpause. Ein Bundeswehr-Hauptmann (Götz Otto) soll eine Frau bei lebendigem Leib verbrannt haben. Ist er wirklich zu so etwas fähig? Ein Verhör soll Licht ins Dunkel bringen.

ARD
Tatort: Das Verhör
Kriminalfilm • 04.09.2022 • 20:15 Uhr

Frauen, Frauen, überall Frauen. Doch nicht etwa zur "freien Verfügung", so wie in einem klassisch männlich gedachten Paradies, sondern: überall Frauen in Führungspositionen. Dass ein "Tatort"-Thriller zum Thema toxische Männlichkeit, ein in den letzten Jahren gern aufgegriffenes Motiv im Premium-Sonntagskrimi der ARD, ausgerechnet in Ludwigshafen spielt, ergibt durchaus Sinn. Schließlich führen mit Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) und Johanna Stern (Lisa Bitter) hier zwei – wie man sagt – starke Frauen das Kommando oder die Ermittlungen. Episoden-Hauptdarsteller Götz Otto hat es in der Rolle des Bundeswehr-Hauptmannes Hajo Kessler dazu noch mit einer jüngeren Vorgesetzten bei der Arbeit zu tun: Oberstleutnant Angelika Limbach (Katrin Röver), die dem bei der Beförderung wohl mehrfach übergangenen Offizier in den 50-ern kurz vor dem ersten Besuch der Kommissarinnen in der Kaserne noch schnell einen Einlauf gibt – wegen einem aus dem Ruder gelaufenen Männlichkeitsritual in Kesslers Truppe.

Doch der Reihe nach: Zur Bundeswehr gelangen die Ludwigshafener Ermittlerinnen, weil sie wegen des Mordes an einer weiteren "starken" Frau ermitteln. Investmentbankerin Ann-Kathrin Werfel wurde grausam getötet, indem man sie lebendig verbrannte. Der erste Verdacht fällt auf ihren Ex-Ehemann Patrick Werfel (Jonathan Müller), dem sie häusliche Gewalt vorgeworfen hatte. Der allerdings präsentiert ein bestens bezeugtes Alibi.

Die Spur eines Pickup-Transporters führt dann zu Offizier Kessler. Bei weiteren Ermittlungen erhärtet sich die Indizienlage gegen den süffisant freundlich-korrekten Hünen. Während eines Verhör-Marathons wird klar: Dieser Mann tut sich schwer mit Frauen in Macht- und Führungspositionen. Doch wie gefährlich oder tatfähig ist der Bundeswehr-Offizier wirklich?

Kurzweilig trotz einiger Schwächen

Das Thema toxische Männlichkeit, Frauenhass und Femizid ist eines der in den letzten Jahren häufiger aufgegriffenen Themen im "Tatort". Vielleicht am unverblümtesten in der Kieler Folge "Borowski und die Angst der weißen Männer" vom März 2021, in der es um organisierte antifeministische Männerbündler ging, die vor Gewalt nicht zurückschreckten. Im Drehbuch des alten Lena-Odenthal-Fahrensmannes Stefan Dähnert, der unter anderem die beiden legendären Folgen "Tod im Häcksler" (1991) sowie dessen stimmungsvolle Fortsetzung "Die Pfalz von oben" mit Ben Becker schrieb, setzt man nun aber in Sachen expliziter Frauenhass noch eins drauf. Die im Film porträtierten Kerle sind allesamt Nulpen, die nichts gebacken kriegen. So wie der Ex-Mann des Opfers oder eben der alternde Offizier vom alten Schlag. Bei so viel Lebensungerechtigkeit kann einem richtigen Kerl doch eigentlich nur die Halsschlagader schwellen, oder?

In Sachen Charakterzeichnung bleibt dieser "Tatort" in einem sehr einfachen Gut-böse-Schema stecken. Dass als Kommissarinnen-Antipode Götz Otto geholt wurde, der erst neulich in einem fränkischen "Tatort" zu sehen war, ist dabei ebenfalls eine fast "zu nahe liegende" Entscheidung – schließlich stehen Ottos archetypischen Figuren mit ihrer gewaltigen und diabolischen Ausstrahlung gerne mal für Typen, wie man sie im richtigen Leben eigentlich nicht mehr sehen will.

"Unterschätze nie einen Mann jenseits seines Bedeutungs-Zenits", heißt es in einer der besten Dialogzeilen des ansonsten etwas formelhaft getexteten, aber trotzdem spannenden Thrillers. Gegen Ende der 90 Minuten wird das Krimi-Tempolimit dann doch arg überschritten. Im letzten Viertel verabschiedet sich mehr und mehr ein letzter Hauch von Realismus. Als ein unterm Strich zu expliziter, aber immerhin auch ziemlich gemeiner B-Movie-"Tatort" mit extra viel Gender-politischen Dynamit-Stangen im Tank, ist der erste "Tatort" der neuen Saison (Regie: Etsher Wenger) aber dennoch kurzweilig. Und auch auf eine seltsame, böse Art vergnüglich.

Tatort: Das Verhör – So. 04.09. – ARD: 20.15 Uhr


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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