Französischer Film bei ARTE

"Ein unvergesslicher Sommer": Der kleine Bruder nervt – und filmt

von Wilfried Geldner

Ein Teenager muss den Sommer bei seinen Großeltern auf dem Dorf verbringen und zu allem Überfluss auch noch seinen kleinen Bruder überall mit hinschleppen. Ein gelungener, wenn auch nicht perfekter Film, der die Lebendigkeit des Sommers zurückholt.

ARTE
Ein unvergesslicher Sommer
Komödie • 04.10.2019 • 20:15 Uhr

Ali, ein 14-jähriger Pariser, muss die Ferien mit seinem kleinen Bruder Selim (Maël Rouin Berrandou) bei den Großeltern in einem einsamen Kaff in der Dordogne nahe Bordeaux verbringen. Ali (Talid Ariss) ist daher ganz schön wütend und lässt es den kleinen Bruder spüren. Doch der, ganz unverdrossen, macht einen Film mit seiner am Kopf befestigten Kamera und hält alle Erlebnisse fest. "Ein unvergesslicher Sommer" ist ein Ferienfilm, der gewiss dem Coming-of-Age-Genre zuzuordnen ist. Aber es ist kein Strand-Film wie noch Eric Rohmers Klassiker "Pauline am Strand", es wird hier mit härteren Bandagen gekämpft, und Ali ist nicht nur Beobachter, er ist mittendrin. Er bekommt die rauen Späße einer Dorf-Clique zu spüren, und auch die erste Liebe ist alles andere als das, was er sich erhofft.

Doch erst mal heißt es, von der Brücke springen, um es den Kraftmeiern vor den Mädchen des Ortes zu zeigen. Ali springt, nachdem es einer aus der Clique mit einem Salto rückwärts vorgemacht hat – und verschwindet zum Entsetzen der anderen von der Oberfläche. Doch er hat sich versteckt, Selim, sein kleiner schlauer Bruder, entdeckt ihn unter den Uferbüschen. Zuvor schon hat er den Reporter gespielt und kündigt für seinen Wackelfilm die "Weltpremiere eines Todessprungs" an. Die einheimischen Jungen prahlen mit ihren Spinnen- und Totenkopf-Tätowierungen. Nur Pierre, den Ali seit Kindertagen kennt, scheint ein wahrer Freund zu sein. "Am Ende des Sommers gehen sie dir alle auf den Sack", sagt er über die Clique und nennt den Freund immerzu nur den "kleinen Pariser".

Die Frage, ob Ali "schon einmal gevögelt" hat, bleibt nicht aus. Und um Ali nur ja zu helfen, bietet sich Pierres Freundin Rejane (Alexia Chardard) Ali für ein wenig körperliche Liebe an. Doch sie macht es, so wird es zumindest Ali dann hintertragen, nur Pierre zuliebe. Was für eine Enttäuschung: Ali zertrümmert daraufhin die Fenster des Gewächshauses, das der Großvater (Bernard Le Coq) so liebevoll für Francoise (Christiane Millet), die Großmutter, baute. Ali holt sich dabei blutige Hände, Verletzungen innen wie außen.

Man muss sie einfach mögen, diese Drei-Generationen-Familie von Großeltern und Enkeln, man lebt sich als Zuschauer in ihr gemeines Leben aus Liebe, Zorn und Widrigkeiten ein. Dass die Großmutter zunehmend gebrechlich wird und beim Kartenspiel etwa ihre Aussetzer hat, rückt zunehmend in den Vordergrund – es naht das Ende einer langen großen Liebe, parallel zur kleinen, gemogelten, wie sie Ali erlebt.

Manchmal geht es arg tumultuös zu in diesem ARTE-Fernsehfilm von Hélène Angel, die zuletzt den wunderbaren Film "Die Grundschullehrerin" gemacht hat. Es wird gerappt und auch schon mal onaniert, viel mit Vespas gefahren und, eben, auch mit der Kopfkamera gefilmt. Am Ende ist man dann aber doch enttäuscht, wenn Film und Sommer zu Ende sind, wenn der Großvater tieftraurig zurückgelassen wird und Ali der gut meinenden Rejane verzeiht.

Etwas weniger ausdauernder Barock-Score (Vivaldi) hätte diesem Ferienfilm sicher gut getan, aber die Darsteller, die jungen und die alten, machen diese Sommerszenen derart lebendig, dass man sich ihrem Bann nicht entziehen kann.


Quelle: teleschau – der Mediendienst

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