"Volle Kanne"-Moderator im Interview

Ingo Nommsen: "Als Jugendlicher war ich Morgenmuffel"

von Julia Schöppner-Fleige

Seit fast 20 Jahren läuft "Volle Kanne" im ZDF. Fast genauso lange ist auch Ingo Nommsen dabei. Im Interview spricht er über Sushi zum Frühstück und einen schlafenden Gast in der Garderobe.

Der Terminplan ist voll, Zeit für ein ausgiebiges Frühstück mit der Familie nimmt er sich trotzdem: Ingo Nommsen, der fürs ZDF drei Wochen pro Monat 90 Minuten Livesendung täglich macht, Shows moderiert und Buchautor ist, sucht sich stets Momente der Ruhe. Das war nicht immer so, wie er im Interview berichtet. Die Anfänge seiner Karriere waren gezeichnet von Rastlosigkeit. Rastlos – im positiven Sinne – scheint auch die Sendung zu sein, die der 48-Jährige seit fast 19 Jahren moderiert: Am 30. August 1999 lief die erste Sendung "Volle Kanne" im ZDF. Das muss gefeiert werden! Im Jubiläumsmonat August gibt es jeden Tag Rückblicke auf die Geschichte des morgendlichen Servicemagazins.

prisma: Herr Nommsen, sind sie ein Frühstücker oder eher ein Abendesser?

Ingo Nommsen: Als Jugendlicher war ich Morgenmuffel und ausgewiesener Langschläfer. Die Arbeit hat mir geholfen, morgens gut gelaunt aus dem Bett zu kommen. Während ich früher oft ohne Frühstück aus dem Haus ging, gibt's heute für Hirn und Höchstleitungen morgens zumindest was Kleines zu Hause – Porridge, Haferflocken mit Banane und Milch.

prisma: Und an den Wochenenden?

Nommsen: Da darf ein Frühstück bei mir schon mal ein bisschen länger dauern. Das kommt natürlich immer auf die Gesellschaft an. Heute habe ich in Österreich in der Wachau im Anblick der Weine gefrühstückt. Dort lebt ein Teil meiner Familie.

prisma: Im ZDF ist mit "Volle Kanne" schon seit fast 20 Jahren für Sie der frühe Vogel angesagt ...

Nommsen: Mit Spaß früh aufzustehen habe ich schon als Morgen-Moderator beim Radio gelernt. Mit der Arbeit anzufangen, während andere aufstehen beziehungsweise mit der Arbeit fertig zu sein, während der Arbeitstag für andere erst anfängt, das war ein schöner Kick.

prisma: Danach haben Sie sich erstmal wieder hingelegt?

Nommsen: Danach ging es in die Uni, wo ich allerdings wegen des Radiojobs immer zu spät zu den Seminaren kam. Ich war in den seltensten Fällen pünktlich. An den Wochenenden habe ich außerdem in Großraumdiskos aufgelegt. Das waren nicht die einfachsten Jahre, um das mal vorsichtig zu formulieren. Ich bin sicher das ein oder anderen Mal an dem vorbeigeschrammt, was man heute landläufig Burn-out nennt. Trotzdem hat mir das damals alles viel Spaß gemacht. Und schlussendlich hatte ich auch den Abschluss als Diplom-Journalist in der Tasche.

prisma: Das Durchbeißen hat sich gelohnt – und zu Ihrem Erfolg heute geführt.

Nommsen: Besser viel Arbeit als keine Arbeit – besonders im Showgeschäft. Ich bin tatsächlich sehr glücklich, dass sich das alles so ergeben hat. Auch wenn es zwischenzeitlich immer wieder Phasen gab, in denen ich mich dutzendfach irgendwo beworben habe, ohne genommen zu werden. Durchhalten zahlt sich am Ende eben aus.

prisma: Hätten Sie einen Plan B gehabt?

Nommsen: Ich habe das große Glück, dass sich in meinem Berufsbild viele Dinge treffen: Sprechen, Schauspiel, Moderation, Musik machen oder jetzt auch Schreiben – es gibt so viele Komponenten im Fach "Entertainment", die mich zeit meines Arbeitslebens ernährt haben. Wobei ich schon von Anfang an gemerkt habe, dass es mich am ehesten vor die Kamera, direkt auf die Rampe zieht.

prisma: Es hat geklappt! Seit fast 19 Jahren sind Sie nun Teil des "Volle Kanne"-Moderatorenteams. Die Sendung selbst läuft seit 20 Jahren im ZDF. Haben Sie Laufe der Jahre Rituale entwickelt?

Nommsen: Es gibt tatsächlich drei Dinge, die vor jeder Sendung passieren: Bevor ich in die Maske gehe, putze ich mir die Zähne. Dann schaue ich, ob ich saubere Fingernägel habe, falls irgendeine Kamera mal draufhält. Und das dritte ist: Ich genieße nach all den Jahren immer noch dieses Kribbeln, diese leichte Grundanspannung kurz bevor die Livesendung losgeht. Da zündet in mir der innere Turbo und die Vorfreude steigt.

prisma: Über 3.000 Sendungen haben Sie bereits live moderiert. Können Sie sich an Ihren lustigsten "Volle Kanne"-Moment erinnern?

Nommsen: Verrückterweise ist es so, dass ich oft morgen nicht mehr weiß, was gestern war, weil die nächste Show immer die wichtigste ist. Es geht auch wenig schief bei uns. Aber ich erinnere mich zum Beispiel an die Sendung, als DJ BoBo da war. Da hatte das ZDF einen Stromausfall und wir waren 45 Minuten einfach gar nicht auf Sendung.

prisma: Und abseits der Kameras?

Nommsen: Da gab es eine sehr witzige Situation: Einmal kam ich morgens in die Garderobe. Und wer liegt da schlafend auf der Couch? Tony Marshall! Er hatte sich nach einem Auftritt nachts direkt im Studio hingelegt, um unser Frühstück nicht zu verschlafen. Auch The BossHoss hatten bei ihrem ersten Frühstück bei mir ihren Bandbus direkt vor der Studiotür geparkt, um pünktlich zu sein. Das beweist, dass die Menschen aus dem Showgeschäft echte Arbeitstiere sind.

prisma: Welche Gäste blieben Ihnen am meisten im Gedächtnis?

Nommsen: Spannend sind alle Begegnungen mit Menschen, mit denen ich aufgewachsen bin. Zum Beispiel Michael Bolton, mit dem ich in der Sendung zusammen Musik gemacht habe. Oder Kim Wilde, in die ich als Teenager verliebt war und die jetzt schon oft bei mir zu Gast war. Oder die Scorpions, denn ihr "World Wide Live" war meine allererste Platte.

prisma: Erlebten Sie auch Enttäuschungen? Gäste, von denen Sie mehr erwartet hätten?

Nommsen: Es gibt eigentlich eher das Gegenteil: Bei manchen Gästen sagten Kollegen im Vorfeld "Oh, ganz schwieriger Typ. Ganz kompliziert." Im Nachhinein waren diese Gespräche dann meist total entspannt, lustig und herzlich.

prisma: Ihre Gäste bekommen ja Frühstück serviert. Was war der außergewöhnlichste Essenswunsch?

Nommsen: Martin Semmelrogge hat Sushi bestellt – und das tatsächlich während und auch nach der Sendung komplett aufgegessen.

prisma: Wie sind Ihre Erinnerungen an Ihre allererste Sendung?

Nommsen: Die ist mir sehr präsent, da ich sie in all den Jahren und bei vielen Jubiläen öfter gesehen habe. Ich war überproportional aufgeregt, trotz eines Gastes, den man nur kurz anstupsen muss, damit er die besten Geschichten erzählt. Es war "Quatsch Comedy Club"-Gründer Thomas Hermanns. Er hat es mir damals sehr, sehr leicht gemacht.

prisma: Aus all ihren Erfahrungen ist Ihr Buch "Erfolgsmenschen: Was ich von meinen prominenten Gästen gelernt habe" entstanden, das einen Blick hinter die erfolgreichen Karrieren von Menschen wirft, die wir oft nur aus den Medien kennen. Sie haben dafür eine Auswahl Ihrer Lieblingsgäste abseits der TV-Kameras getroffen. Was war die überraschendste Erkenntnis?

Nommsen: ... dass Atze Schröder täglich meditiert! Ihm hätte ich das am wenigsten zugetraut. Und das Tolle: Ich bin durch ihn selbst zum Meditieren gekommen. Das lässt mich entspannter werden. Wenn ich es schaffe, dann versuche ich mich zweimal am Tag für eine Viertelstunde zurückzuziehen.

prisma: Das Buch ist ihren Eltern gewidmet. Wie ist Ihr Verhältnis?

Nommsen: Meine Eltern wollten immer, dass ich eine Banklehre mache. Sie haben sich aber doch darauf eingelassen – und das rechne ich ihnen bis heute hoch an – dass sie mir schon als Teenager eine Schauspiellehrerin in München finanziert haben. Das hat mir total viel gebracht, immerhin hatte ich einen fränkischen Zungenschlag. Ohne sie hätte ich nie meine ersten Jobs als Synchron- und Werbesprecher bekommen. Und erst recht nicht das dafür nötige Selbstbewusstsein.

prisma: Sie sind in Nürnberg geboren. Ist Franken Ihre Heimat?

Nommsen: Mein Vater war Bundeswehroffizier, und wir sind deshalb alle zwei Jahre in eine andere Gegend Deutschlands gezogen. Aber Franken war und ist als Bezugspunkt der Familie immer ganz wichtig. Und wenn wir Besuch aus der Heimat haben, dann spreche ich gerne Fränkisch oder Bayerisch. Ich finde, dass man Dialekt pflegen sollte. Es entstehen so auch vor der Kamera andere Gespräche, weil sie einfach eine andere Temperatur haben.

prisma: Sind Sie Club-Fan?

Nommsen: Ein schweres Schicksal, ja. Was soll ich sagen. Ich kann mich nur als Kind an kleine Momente erinnern, wo ich als Club-Fan so richtig freudig und zufrieden war. Ansonsten haben wir Cluberer wohl das ganze Leben damit zu kämpfen, dass der Club eigentlich wieder nach ganz oben gehört. Ich sage in Interviews immer gerne: "Der Verein ist auf einem guten Weg." Auch in dieser Saison habe ich noch Hoffnung.


Quelle: teleschau – der Mediendienst

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