Doku-Serie mit Tochter Chelsea

Hillary Clinton: "Ich habe gelernt, dass ich immer noch lernbereit bin"

29.09.2022, 09.17 Uhr
von Rachel Kasuch

Hillary und Chelsea Clinton sorgen in den USA mit einer Dokuserie für Furore, die sich starken Frauen widmet. Auf der ganzen Welt traf das Mutter-Tochter-Gespann Protagonistinnen zum Interview. Nun reden die beiden selbst über ihr ehrgeiziges TV-Projekt.

Sie inspirieren andere Frauen, geben vielen, die sich engagieren, eine Plattform – und gewähren dabei selbst einige intime Einblicke in ihr Privatleben: Dass Hillary und Chelsea Clinton nicht nur ein agiles Mutter-Tochter-Gespann, sondern auch ein erfolgreiches Business-Duo sind, ist längst kein Geheimnis mehr. Die Politikerin (74) und ihre 42-jährige Tochter landeten erst Ende 2019 mit ihrem Buch "The Book of Gutsy Women" einen echten Kassenschlager. Jetzt wurde der "New York Times"-Bestseller als achtteilige Doku-Serie fortgesetzt. In "Gutsy – Geschichten über mutige Menschen" (zu sehen auf Apple TV+) treffen die beiden einige ihrer größten weiblichen Vorbilder vor der Kamera – darunter Forscherin Jane Goodall. Unter den prominenten Heldinnen, die in der Serie im Fokus stehen, finden sich zudem Reality-Star Kim Kardashian, Komikerin Amy Schumer sowie Schauspielerin Kate Hudson samt Mutter Goldie Hawn. Im Interview verraten Hillary und Chelsea Clinton was hinter dem Projekt steht und wieso sie überzeugt sind, dass diese Serie für Frauen gerade heute so wichtig ist.

prisma: Wie sind Sie auf die Idee gekommen, diese Dokuserie zu produzieren?
Hillary Clinton: Wir haben zusammen 2019 in unserem Buch "Gutsy Women" über hunderte von Frauen geschrieben, die uns inspirieren und zu denen wir aufschauen. Wir hatten eine tolle Zeit während des Prozesses und haben gelernt, was es heißt, mutig zu sein. Als das Buch rauskam, sprachen uns mehrere Menschen darauf an, dass wir es doch in eine Serie verwandeln sollen. Dazu kam es dann, als Apple TV+ auf uns zukam.

prisma: Gibt es ein Interview für die Serie, das Ihnen bis heute im Gedächtnis geblieben ist?
Chelsea Clinton: Oh Gott, ich kann mich noch an so viele erinnern. Besonders wenn ich an unsere Feuerwehrfrauen in New York City denke, empfinde ich so viel Dankbarkeit und Stolz. Diese Wörter werden dem gar nicht gerecht, wenn man bedenkt, wie mutig diese Frauen Tag für Tag sind, nur um uns in Sicherheit zu bringen.

Hillary Clinton: Wir befinden uns gerade in einer sehr schlimmen Zeit in unserem Land. Wir sehen überall so viel Hass und Zwietracht. Unsere Demokratie steht vor einer großen Herausforderung. Wir konnten in unserer Serie Frauen interviewen, die selbst einmal Teil einer rechtsextremen Gruppe waren. Jetzt versuchen sie, andere vom Gegenteil zu überzeugen, damit sie dem Hass, der Wut und der Angst entfliehen können. Das hat mich sehr berührt und inspiriert. Wir sagen in der Folge, dass mutige Frauen dem Hass entgegenstehen. Wir haben in der Folge auch zwei Frauen – eine Weiße und eine Schwarze – interviewt, die beide Kinder durch von Hass getriebene Gewalttaten verloren haben. Ein Kind starb bei den rechtsextremen Ausschreitungen in Charlottesville, Virginia. Ein anderer junger schwarzer Mann wurde gerade zum Lieutenant des Militärs ernannt, als er in einem rassistisch motivierten Anschlag ums Leben kam. Wir zeigen in der Folge, dass, obwohl die Frauen aus unterschiedlichen Bereichen kommen, sie beide trotzdem gleichermaßen mutig sind. Sie beiden versuchen, die Schere zwischen den beiden Lagern zu schmälern und unserem Land damit zu helfen.

prisma: Die Medien spielen heutzutage auch eine große Rolle, wenn es um die Politik geht. Wie hat Sie das im Prozess der Serienproduktion beeinflusst?
Hillary Clinton: Wir wollten in der Serie Geschichten erzählen, die nicht übermäßig politisch sind. Es geht hier nicht um rechts oder links oder irgendwelche Wahlen. Es geht vielmehr darum, wie wir über uns selbst nachdenken und wie wir wieder auf einen gemeinsamen Nenner kommen. Wir müssen wieder lernen, offen, tolerant, verständnisvoll und respektvoll miteinander umzugehen – vor allem dann, wenn wir nicht einer Meinung sind. Aber natürlich geht es im Grunde auf elementare Art und Weise um Politik, denn die Demokratie ist es, die uns hilft, zusammenzukommen und zusammenzuarbeiten. Dabei hilft uns das Geschichtenerzählen und das Medium Film.

Chelsea Clinton: Dazu kommt, dass man als Frau in Amerika gerade mehr denn je Teil der Politik ist. Unsere fundamentalen Rechte wurden uns weggenommen und unsere Körper werden von Fremden kontrolliert. Unsere Serie wird damit automatisch und ohne, dass wir es geahnt haben, politisch. Wir haben in einer Folge beispielsweise mit Quannah Chasinghorse gesprochen. Sie ist eine der ersten Models, die von Ureinwohnern abstammt und es so weit in der Industrie geschafft hat. Sie nutzt ihre Plattform, um für ihre Gleichgesinnten einzutreten und ihnen eine Stimme zu verleihen. Das macht ihre Folge zwar politisch, hat aber nichts mit der kommenden Wahl zu tun. Es geht um fundamentale Rechte, die mit unserer Demokratie zusammenhängen.

prisma: Hat die Zusammenarbeit Ihre Mutter-Tochter-Beziehung beeinflusst?
Chelsea Clinton: Ich weiß nicht genau, ob unsere Beziehung dadurch verändert wurde. Dazu muss ich sagen, dass wir schon zuvor sehr eng waren (lacht).

Hillary Clinton: Meine Tochter will immer sicherstellen, dass ich immer noch up-to-date bin, was die moderne Welt angeht. Das hat mich in der Produktion der Serie beeinflusst (lacht). Was unsere Beziehung angeht, muss ich sagen, dass ich einfach nur enorm dankbar bin, weil es ein wundervolles Gefühl ist, eine erwachsene Tochter zu haben, mit der man so gerne Zeit verbringt. Natürlich haben wir auch unsere Auseinandersetzungen und unterschiedlichen Ansichten – da sieht man auch in der einen oder anderen Folge. Aber ich glaube, das spiegelt unsere Generationen ganz gut wider.

prisma: Sie haben sogar eine ganze Folge den Frauen gewidmet, die lustig sind.
Hillary: Früher habe ich häufiger gehört, dass Frauen nicht lustig sein können. Ich habe das nie verstanden, weil die Comedians, die ich am liebsten im TV sehe, sind meist Frauen. Auch Schauspielerinnen sind in Komödien unschlagbar. In unserer Folge hatten wir die Chance, mit einer großartigen Komikerin zu sprechen und eine Clown-Schule in Paris zu besuchen.

prisma: Wie kam es überhaupt dazu, dass Sie gemeinsam "Gutsy Women" geschrieben und Ihre eigene Produktionsfirma gegründet haben?
Hillary Clinton: Als unser Buch auf den Markt kam, sind wir auf extrem viel Interesse gestoßen. Ein Producer hat jedoch unser Interesse geweckt, weil er das Ganze mit uns gemeinsam auf die Beine stellen wollte. Manchmal verkauft man seine Rechte und hat dann nichts mehr zu sagen. Chelsea und ich hatten jedoch das Bedürfnis, Teil des Ganzen zu bleiben, weil wir emotional daran gebunden waren. So kam es dann, dass wir unsere eigene Produktionsfirma HiddenLight gegründet haben. Gemeinsam mit Apple TV+ stellten wir dann im Team-Effort die Serie auf die Beine. Das war so eine tolle Erfahrung für uns. Mit HiddenLight stellen wir dieses Jahr sogar einen Film auf dem Toronto Film Festival vor. Es geht um eine mutige Frau aus Afghanistan, die Bürgermeisterin ihrer Stadt war. Wir fingen an, mit ihr zu drehen, als die Übernahme der Taliban stattfand. Wir sind stolz auf unsere bisherige Arbeit!

prisma: Was haben Sie über sich während der Dreharbeiten der Doku-Serie gelernt?
Chelsea Clinton: Oh mein Gott, ich habe unheimlich viel über mich gelernt. Ich habe gelernt, dass ich wirklich für jeden Spaß zu haben bin und alles einmal ausprobieren will.

Hillary Clinton: Ich habe auch gelernt, dass ich immer noch lernbereit bin – auch, wenn ich älter werde. Mir macht es Spaß, Neues zu lernen. Ich bin bereit dazu, aus meiner Komfortzone zu treten und Dinge zu tun, die ich selbst vor ein paar Jahren nie für möglich gehalten hätte. Ich habe eine große Verantwortung gespürt, während wir gedreht haben, weil wir so viele wichtige Geschichten unterschiedlichster Frauen zeigen. Dabei ist mir bewusst, wie privilegiert ich bin. Ich hoffe aber, dass Frauen in meinem Alter die Serie sehen und erkennen, dass auch sie noch so viel Neues ausprobieren können. Ich habe es geliebt, über mich hinauszuwachsen und gleichzeitig auch eine Verbindung zu jüngeren Generationen zu spüren.

prisma: Wieso ist die Serie so wichtig für Frauen – besonders heutzutage?
Hillary Clinton: Wir befinden uns an einem wichtigen Punkt in der Geschichte unseres Landes. Aber das gilt auch für viele andere Länder auf der Welt. Wir sind an einem Punkt, an dem wir damit hadern, was es heißt, eine Frau zu sein. Und was es heißt, mutig zu sein. Was es heißt, schwere Entscheidungen zu treffen. Jetzt, da Abtreibungen in vielen US-Staaten illegal sind, ist es umso wichtiger, unterschiedliche Frauen zu sehen und ihre Stimme zu hören. Wir wollen genau dabei helfen, denn sonst werden immer mehr Rechte, die wir Frauen genießen, weggenommen. Wir werden niemals aufhören, dagegen anzukämpfen. Wir werden es nie akzeptieren, wenn Politiker uns sagen, wie wir uns zu verhalten oder auszudrücken oder zu leben haben. Das lehnen wir ab. Und genau deshalb hoffen wir, dass viele Frauen und auch Männer mit unserer Serie erkennen, dass sie ruhig mutiger sein können.

prisma: Bei welchen Frauen waren Sie besonders nervös vor dem Interview?
Chelsea Clinton: Ich war extrem nervös, als ich Jane Goodall interviewen musste. Wir hatten das Interview über Zoom, und ich hatte Angst vor technischen Schwierigkeiten. Ich habe Jane schon ein paarmal live treffen können und war jedes Mal völlig hin und weg. Sie ist eben Jane Goodall! Ich habe all ihre Bücher gelesen und all ihre Dokuserien angeschaut. Schon als Kind sah ich zu ihr auf, und das wird sich glaube ich nie ändern. Das erklärt auch meine Nervosität. Aber es war ein voller Erfolg. Ich trank Kaffee, und sie saß vor einem Whiskey-Glas. Sie fragte mich irgendwann: "Wieso trinkst du denn keinen Whiskey?", worauf ich antwortete: "Es ist 10 Uhr morgens hier in New York." Sie meinte dann: "Na und?" – Ich werde nie so cool sein wie du, Jane Goodall.

Hillary Clinton: Meine Nervosität war besonders hoch, als wir in Paris waren in der Clown-Schule (lacht). Es war eine außergewöhnliche Erfahrung – vor allem dank unserer Lehrer. Trotzdem war es nervenaufreibend für mich, den Anweisungen zu folgen und etwas über den Beruf als Clown zu lernen. Es gibt zum Beispiel etwas, das nennt sich F-L-O-P. Dabei geht es darum, wenn du versuchst, andere Menschen zum Lachen zu bringen, es aber nicht funktioniert. Wie schafft man es dann, das Ruder rumzureißen?

prisma: Eine der Episoden dreht sich auch um Religion und Spiritualität. War Ihnen das wichtig?
Hillary Clinton: Chelsea und ich sind beide gläubig. Wir mussten an vielen Punkten in unserem Leben auf unseren Glauben an Gott vertrauen. Dafür bin ich sehr dankbar. Früher haben mich viele Menschen gefragt, ob ich bete – daraufhin habe ich immer gescherzt: "Ich habe schon immer gebetet, aber wenn nicht, hätte ich spätestens damit angefangen, als ich in die Politik getreten bin." Wir nehmen aber nicht nur unseren eigenen Glauben, sondern auch den von anderen Menschen sehr ernst. Wir brauchen richtigen Glauben und keinen, der von der Politik ausgenutzt wird. Es geht bei Religion nicht um Parteien oder wirtschaftliche Interessen. Es geht bei Religion um Gemeinsamkeiten, Menschlichkeit und unsere Herausforderungen, denen wir uns alle im Leben stellen müssen. Genau darüber haben wir mit den Frauen gesprochen, die wir für unsere Serie interviewt haben. Ich fand es inspirierend, zu sehen, wie viele Frauen vor allem nach großen Tragödien Sicherheit und Geborgenheit in ihrem Glauben finden.

Chelsea Clinton: Dabei denke ich an die mutige Frau Fraidy Reiss, die alleine eine Kampagne gestartet hat, um gegen Kinderhochzeiten in ihrem Land vorzugehen. Vor Fraidy waren Kinderhochzeiten in jedem Staat legal. Mittlerweile ist es in sieben Staaten illegal. Wir haben aber noch 43 vor uns (lacht). Fraidy selbst wurde zwangsverheiratet und musste hart darum kämpfen, selbstbestimmt leben zu können. Sie ist trotz des ganzen Horrors immer gläubig geblieben – obwohl das System um sie herum toxisch war und ihre Rechte nicht ernstgenommen hat.

prisma: Was sollen die Zuschauerinnen und Zuschauer aus Ihrer Serie mitnehmen?
Chelsea Clinton: Ich hoffe, dass unsere Zuschauer wenigstens von einer der mutigen Geschichten inspiriert werden oder sie sich in einer der Geschichten wiederfinden. Ich glaube, es gibt so viele Anknüpfungspunkte, und es gibt viele Arten und Formen, Mut zu beweisen. Wir alle sind mutig auf unsere eigene Weise. Meine Mutter, die neben mir sitzt, ist zum Beispiel extrem mutig. Ich hoffe einfach, dass wir andere Frauen mit unserer Serie inspirieren und motivieren können. Wir leben in schwierigen Zeiten. In solchen Momenten hilft es, wenn wir alle unseren Mut zusammennehmen.

Hillary: Das stimmt. Ich hoffe auch, dass die Serie zeigt, wie vielen unterschiedlichen Herausforderungen sich Frauen Tag für Tag stellen müssen. Ich hoffe, dass wir dadurch den Blick auf Frauen verändern und ihnen mehr Verständnis und Respekt entgegenbringen. Wir alle haben am Ende mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede. Das ist meine Hoffnung, dass wir das alle erkennen und ein universelles Gespräch im Land anfangen, in dem wir über das Leben als Frau, die Möglichkeiten für Frauen und die Frauenrechte sprechen.


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

Das könnte Sie auch interessieren