Bei "Maischberger"

Selenskyj-Berater enttäuscht über NATO-Gipfel: "Europa profitiert" vom Kampf der Ukraine

13.07.2023, 10.02 Uhr
von Christopher Schmitt

Der NATO-Gipfel in Vilnius ist zu Ende und die Ukraine schaut eher kritisch auf die Ergebnisse. Am Mittwoch war Selenskyj-Berater Alexander Rodnyansky zu Gast in der ARD-Talkrunde von Sandra Maischberger. Seine Enttäuschung über das Ergebnis war deutlich zu spüren.

Der kürzlich beendete NATO-Gipfel in der litauischen Hauptstadt Vilnius drehte sich vornehmlich um die Frage, wie man mit der kriegsgebeutelten Ukraine umgehen soll, der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj forderte den Beitritt seines Landes ins Verteidigungsbündnis. Am Ende wurde nichts Konkretes in Aussicht gestellt. Zwar zieht die NATO eine ukrainische Mitgliedschaft in Betracht, allerdings erst nach dem Ende des russischen Angriffskriegs. Im ARD-Talk "maischberger" war am Mittwochabend der ukrainische Präsidentenberater Alexander Rodnyansky aus Kiew zugeschaltet, der die Ergebnisse des Gipfels aus ukrainischer Sicht einordnete – und klare Forderungen an die westlichen Unterstützer richtete.

"Unsere Männer sterben gerade, und Europa profitiert faktisch davon"

Auf Sandra Maischbergers Nachfrage erklärte Rodnyanky zunächst, der Beschuss sei aktuell weniger geworden, "weil die Russen mittlerweile nicht mehr so viel Munition haben". Auch der Aggressor habe Logistik-Probleme, so Rodnyansky. Das wisse man, und das müsse man auch zum eigenen Vorteil ausnutzen. Er versicherte: "Die Menschen sind nach wie vor kampfeslustig in der Ukraine." Keiner wolle diesen "Friedenskampf" aufgeben, keiner denke ans Aufgeben. Dafür habe man bereits "zu viel geopfert".

Maischberger sprach den Berater auf Selenskyjs vermeintlichen Sinneswandel an. Vor dem Gipfel und zunächst auch beim NATO-Treffen äußerte er sich kritisch, zum Ende des Gipfels dann deutlich versöhnlicher. "Es ist ein gemischtes Gefühl für ein Land, das schon 500 Tage einen groß angelegten Kampf gegen Russland führt", erläuterte Rodnyansky. Es gehe nicht um Vor- oder Nachteile, sondern: "Es geht darum, dass man die europäische Friedensordnung nicht ewig alleine verteidigen will." Denn genau das tue man gerade, "mit unserem Blut". Rodnyansky weiter: "Unsere Männer sterben gerade, und Europa profitiert faktisch davon, dass wir den Aggressor weiter abhalten."

Rodnyansky erläutert Vorteile eines Beitritts

Eine "gewisse Enttäuschung" gebe es nach dem Treffen in Vilnius aber, denn der "Zermürbungskrieg" dürfe nicht ewig weitergehen. "Es hätte ein klares Signal geben müssen an Russland, an den russischen Diktator, dass er das nicht schafft", bedauert Alexander Rodnyansky. Stattdessenm, so der Berater weiter, glaube Russland nun, Zeit zu haben und seine Truppen bei Bedarf neu aufstellen zu können, um weitere Offensiven zu starten.

Einen Einspieler, in dem Deutschlands Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) sich zum NATO-Beitritt der Ukraine nach Beendigung des Krieges bekannte, kommentierte er wohlwollend: "Das ist gut. Das begrüßen wir, dafür sind wir dankbar", aber: "Der Krieg ist leider nicht vorbei, und das wird Russland weiter ausnutzen." Enden könne der Krieg nur, wenn eine Partei siege. Solange die Ukraine nicht am Land und in der Luft die Oberhand gewinnen könne, werde es schwer, die Grenzen von 1991 wieder herzustellen.

Später führte der ukrainische Präsidentenberater noch aus, dass eine schnelle NATO-Mitgliedschaft seines Landes einen weiteren Effekt gehabt hätte: "Das hätte die politischen Turbulenzen innerhalb Russlands weiter angeheizt." Er ist der Ansicht, dass das russische System zerfallen wird. Die Vorgaben für einen NATO-Beitritt nach Kriegsende findet er falsch. So sei die Ukraine in der Demokratieentwicklung weiter als das Mitgliedsland Türkei, und Korruption sei etwa im Mitgliedsland Rumänien ein größeres Problem als in seinem Land, so Alexander Rodnyansky.

"Putin muss ganz klar gesagt werden: bis hierhin und nicht weiter"

Zustimmung kam in der Sendung von FDP-Mann und Menschenrechtler Gerhart Baum, der von 1978 bis 1982 das Amt des Bundesinnenministers innehatte: "Die NATO-Sicherheitsgarantien sollten sein, dem russischen Präsidenten Putin Grenzen zu setzen. Und wenn er die nicht einhält, ihn auch notfalls selber zurückzudrängen." Dies bedeute, nicht nur Waffen zu liefern, sondern mehr zu tun. Diplomatische Maßnahmen und Waffenlieferungen alleine könnten die unverletzliche Sicherheit der Ukraine nicht gewährleisten. "Putin muss ganz klar gesagt werden: bis hierhin und nicht weiter."

Später erntete der FDP-Politiker Applaus im Studio, als er sagte: "Das Schicksal der Ukraine ist das Schicksal der freien Welt. Wenn wir hier nachgeben, verlieren wir alle." Etwas irritierend war hingegen seine Aussage zum möglichen Einsatz russischer Atomwaffen. "Ja, Putin hat Atomwaffen, aber der Chinese hat ihm den Einsatz verboten. Ich möchte mal erleben, dass er das macht und was dann passiert." – Zweifellos etwas unglücklich formuliert.


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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