Der unvollendete Mittellandkanal: Die unglaubliche Geschichte eines Wasserweges
14.06.2025 • 12:30 - 13:15 Uhr
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Johannes Kutscher und Dirk Bandau vom Wasser- und Schifffahrtsamt Magdeburg unterhalten im Auftrag des Bundes die Saale und den Saale-Leipzig-Kanal - obwohl kaum noch Frachtschifffahrt stattfindet.
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Auf der Fischer-Werft in Mukrena.
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Joseph Groß und Barbara Dechant auf ihrem Boot auf der Saale in Bernburg.
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Auf der Saale in Bernburg, das Schloss vom Fluss aus.
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Originaltitel
Der unvollendete Mittellandkanal
Produktionsland
D
Produktionsdatum
2022
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Der unvollendete Mittellandkanal: Die unglaubliche Geschichte eines Wasserweges

Im Mai 2022 treffen sich Wasserexperten aus der ganzen Welt in Leipzig zur World Canal Confernece: Menschen, die professionell mit Kanälen, Flüssen, Schleusen und Schiffshebewerken zu tun haben. Eines der Konferenz-Höhepunkte ist ein Lost Place in der Nähe von Merseburg - die Schleusenruine Wüsteneutzsch. Dahinter verbirgt sich die einhundert Jahre alte Vision vom Südflügel des Mittellandkanals - eine Vision, die heute wieder Menschen in ganz Mitteldeutschland elektrisiert. Der Film erzählt von dieser Geschichte, und sie beginnt mit einem Mann, der an einem Frühlingstag 2007 auf der Suche nach einem geheimnisvollen Ort im Nirgendwo ist. Dirk Becker weiß noch genau, wie es war: "Ein Freund hatte mir von einer gigantischen Betonruine bei Merseburg erzählt. Aus der Nazi-Zeit ... Ich fragte mich bei den Leuten vor Ort durch. Und was soll ich sagen: Diese Dimension, diese Größe, diese Mauern ... ! Ich war total beeindruckt." ... Alles, was Becker weiß, ist: Der Koloss muss mit einem Kanalbau zu tun haben. Er recherchiert in den Archiven der Wasser- und Schifffahrtsämter in Merseburg und Magdeburg. Dabei entdeckt er, dass es sich bei dem geheimnisvollen Betonbau um die Reste einer gigantischen Schleusentreppe handelt, die Schleuse Wüsteneutzsch mit zwei Kammern von je fast 100 Metern Länge und zwölf Metern Breite - gedacht um den Höhenunterschied zwischen Saale und Saale-Leipzig-Kanal für 1.000-Tonnen-Frachtschlepper zu überwinden. Die Schleuse war Teil eines ambitionierten Masterplans: 1926 in einem Staatsvertrag festgeschrieben - der heute längst vergessene Südflügel des Mittellandkanals - ein Jahrhundertprojekt für die Verbindung der Industrieregion Halle-Leipzig an die Nordsee. Für die Menschen ist das damals eine echte Chance, wie für die Familie von Karina Fischer aus Mukrena. "Meine Vorfahren waren allesamt Schiffer, bis in fünf Generationen zurück. Die haben Hamburg versorgt, von Mitteldeutschland aus über Saale und Elbe ..." Doch der Südflügel hat es schwer, die Krisen der 1920er Jahre machen eine Realisierung unmöglich. Erst die Nazis machen den Plan 1933 zum großen Arbeitsbeschaffungsprogramm: Neue Schleusen, Saale-Umgehungskanäle, große Teile des Saale-Leipzig-Kanals, der modernste Binnenhafen Deutschlands, der Lindenauer Hafen in Leipzig - das alles entsteht, doch der Südflügel bleibt unvollendet. Der Weltkrieg der Nazis stoppt 1943 das Projekt ... Bis die neue Freiheit 1989 alte Träume weckt. Karina Fischers Vater übernimmt eine Werft, - es ist der Traum, von und mit der Binnenschiffahrt zu leben. In Halle wird für viele Millionen der Hafen ertüchtigt, die Schleusen werden modernisiert ... Die Welt aber ist ein andere. Bahn und Lkw laufen dem Wassertransport den Rang ab. Die Fischers haben es nicht leicht, sind heute die letzte Werft an der Saale. Der Südflügel des Mittellandkanals scheint endgültig vergessen. Doch es kommt anders: Dirk Becker veröffentlicht 2008 sein erstes, vielbeachtetes Buch über den "Südflügel". Er sucht gemeinsam mit Mitstreitern weltweit nach Projekten, alte Wasserwege wiederzubeleben. Und sie werden in Schottland fündig: Sie werden 2009 von British Waterways eingeladen, um sich das "Falkirk Wheel" anzuschauen - ein weltweit einmaliges, touristisches Schiffshebewerk, das kaum Strom oder Wasser verbraucht. 2002 von der Queen eröffnet, ist das Hebewerk heute ein Touristenmagnet. Becker ist fasziniert, kauft sich Bücher über Schiffshebewerke und macht einen Entwurf für Wüsteneutzsch. Derweil gibt es in Leipzig große Pläne: Die Stadt, 150 Jahre im Zangengriff von Industrie und Braunkohle, wandelt sich mit vielen Steuer-Milliarden zu einer Wasserstadt aus neuen Tagebauseen, revitalisierten Flüssen und schließt den einst unvollendeten Lindenauer Hafen an das städtische Gewässernetz an. Was wäre, denkt man sich dort, würde man den Südflügel für den Wassertourismus wiederbeleben? Aber das Ganze ist unfassbar teuer, geschätzt 100 Millionen Euro. Lohnt sich das? Für wen? Boris Funda aus Bernburg an der Saale, begeisterter Wassersportler und Bootsverleiher, unterschreibt 2020 die ersten Verträge für Hausboote, die man ohne Bootsführerschein mieten kann. Der gebürtige Mecklenburger ist überzeugt: "Hausbootfahren auf der Saale ist besser als auf der Mecklenburger Seenplatte. Die Burgen, die Schlösser, und dann noch Leipzig ... !" Parallel passiert 2021 im politischen Berlin Wundersames: Im Bundesverkehrsministerium entwickelt die Beamtin Gesa Schwoon einen Masterplan für die Freizeitschiffahrt auf Flüssen und Kanälen - so etwas hat es in Deutschland noch nie gegeben. Und mehr noch: Der Bund, ohnehin Eigentümer der Reste des Südflügels und der Schleuse Wüsteneutzsch, macht den Saale-Leipzig-Kanal 2021 zur Bundeswasserstraße. Wird also der Südflügel des Mittellandkanals wieder wichtiger? Ist das alles Spinnerei - in diesen Zeiten, oder eine echte Chance für eine der spannendsten Regionen Deutschlands?

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