Gekaufte Politik? - Europa in der Korruptionskrise
19.03.2024 • 20:15 - 21:45 Uhr
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Die griechische Ex-Vizepräsidentin Eva Kaili gilt als das Gesicht des EU-Korruptionsskandals vom Dezember 2022. Doch bislang gilt die Unschuldsvermutung.
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Das elsässische Straßburg ist gemeinsam mit Brüssel Sitz des Europaparlaments.
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Im Brüsseler Edelhotel Steigenberger fanden heimlich Proben für den Parlamentsauftritt der Katarer und Bargeldübergaben statt.
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Originaltitel
Gekaufte Politik - Europa in der Korruptionskrise
Produktionsland
D
Produktionsdatum
2023
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Züge einer Seifenoper

Von Hans Czerny

Der Skandal, der im Dezember 2022 ans Licht der Öffentlichkeit geriet, trägt die Züge einer Seifenoper. Kaum zu glauben, was da rund um das Europäische Parlament geschah: Geldgier und Korruption sollen Blüten getrieben haben. Ein Stoff für Europaskeptiker – ganz ohne Frage.

Der Skandal kam im Dezember 2022 ans Licht der Öffentlichkeit. Mithilfe der Recherchen fremder und inländischer Geheimdienste drang die Polizei in die Wohnung der griechischen Vizepräsidentin Eva Kaili ein und soll dort, wie vielfach berichtet wurde, riesige Geldsummen entdeckt haben – "in Säcken", hieß es. Kailis Vater Alexander soll laut Medienberichten und belgischen Justizkreisen zufolge zudem dabei ertappt worden sein, als er in einem "schwarzen Rollkoffer" in einem nahe gelegenen Hotel etwa 70.000 Euro einem Ex-Parlamentarier und jetzigen Netzwerker für Drittstaaten wie Katar, Marokko und andere afrikanische und arabische Staaten überbringen wollte. Kann das alles wahr sein? Diese aberwitzige Story hat, nicht zuletzt wegen der schönen Galionsfigur Eva Kaili, das Zeug zu einer Seifenoper à la "Dallas". Doch die Sache ist ernst, das, was nun auch im ARTE-Dokumentarfilm "Gekaufte Politik – Europa in der Korruptionskrise" beleuchtet wird, wirkt nicht zuletzt wie Wasser auf die Mühle der Europaskeptiker und, ja eben auch der Rechtspopulisten.

Selbst Filmautor Helmar Büchel, der sich als "glühenden Europäer" bezeichnet, kommt nicht umhin, vom Moloch des Europaparlaments zu sprechen. Die Parlamentarier selbst fürchten – wohl völlig zu Recht – der Skandal würde nicht nur Schuldige, sondern sie alle betreffen. Aber es geht nicht nur um Geld und Korruption im Dienste von Katar und Co. – der Skandal setzt sich vielmehr darin fort, dass kaum Urteile und eine endgültige Aufklärung in Sicht sind. Hinter den Kulissen ringen die Anwälte um ihre Form von "Gerechtigkeit". Hätte für die Beschuldigten nicht das Gesetz der Immunität gelten müssen? Gab es zu Unrecht vorübergehende Verhaftungen, wie geschehen? Die belgische Justiz macht dabei, so erzählt es der Film, keine gute Figur. Schon in der Vergangenheit wurden Prozesse auf Dauer verschleppt.

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Zur wahrhaften Tragikomödie, wie sie auch von Hollywood nicht besser ins Licht zu setzen wäre, wird Büchels Film immer dann, wenn er die Ex-Präsidentin Kaili selbst in Großaufnahme zu Wort kommen lässt. Was für ein Fest, wenn sie ihre Unschuld beteuert und sich von der zu Unrecht verfolgten Täterin zum Opfer stilisiert. Ob sie jemals Bestechungsgelder genommen habe, um Katar ins rechte Licht zu setzen? "Nein, niemals!", sagt sie da im Brustton der Überzeugung. Ihre Anwälte stilisieren sie gar als Opfer der Justiz, der Angriff gelte in Wahrheit dem Europäischen Parlament.

Das naheliegende Urteil überlässt der Film da seinem Publikum. Aber Kaili ist eben auch zu sehen, wie sie in Katar mit dem zuständigen Minister parliert. Und sie hält, just am Tag der WM-Eröffnung vor dem Europaparlament in Straßburg eine Rede zum Lob des WM-Ausrichters Katar. Wenn eine WM helfe, Anreize für Reformen zu schaffen, "sollten wir noch mehr dazu tun". Die bekannte Melodie.

Die Selbstkontrolle hat versagt

Spätestens hier muss man sagen, dass alle Korruptionsverdächtigen unter der Fahne der Menschenrechte segeln, alle gehörten Menschenrechtsausschüssen und übrigens der Fraktion der S&D (Sozialdemokraten) an.

Fast schon schade, dass die Brüsseler Seifenoper mit ihren filmreifen Protagonisten durch zahlreiche Statements investigativer Journalisten und NGO-Vertreter ein wenig verwässert wurde. Die Zwangslage gebietet es offensichtlich: Wo die Selbstkontrolle der Europaparlamentarier versagt, weil viele nicht zuletzt auch die eigenen Lobby-Pfründe gefährdet sehen, müssen eben andere ran und den Finger in die Wunde legen.

Reformen, so die Botschaft des Films, müssten dringen her. Und das nicht nur, was Korruption und Geldwäsche betrifft, sondern auch das ganze mühsam gewordene Procedere. Die Stimmung – Küsschen hier, Lächeln dort – ist gelassen hinter den Fassaden in Brüssel, Straßburg und Luxemburg, auch das zeigt der Film. Ein Häuflein Aufrechter hat sich schon mal aufgemacht, um "Transparenzregeln" aufzusetzen. Doch wie fragwürdig dieses Europakonstrukt in all seiner Trägheit geworden ist, macht der Film auf erschreckende Weise klar.

Gekaufte Politik – Europa in der Korruptionskrise – Di. 19.03. – ARTE: 20.15 Uhr


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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