Ein letztes Mal ermittelt Matthias Brandt als Hanns von Meuffels im Münchner "Polizeiruf 110: Tatorte". Anspielungsreich beendet Regisseur Christian Petzold mit dem finalen Fall zugleich seine Meuffels-Trilogie.
Der "Polizeiruf" aus München war immer anders. Nicht nur stellte er neben den Offenbachern die einzige Reihe des ehemaligen "Tatort"-Pendants aus der DDR, die in einer westdeutschen Stadt spielte; noch dazu in der von Ostbefindlichkeiten abgekoppelten bayrischen Hauptstadt. Auch nutzte er diese Sonderstellung, um sich am Außergewöhnlichen jenseits des Krimiallerleis auszuprobieren. Insbesondere unter Matthias Brandt, der in den letzten sieben Jahren als Hanns von Meuffels einen vielschichtigen Ermittler gab, wurde der Münchner "Polizeiruf" zum künstlerischen Experimentierfeld so großer Regisseure wie Leander Haußmann und Dominik Graf. Die deutlichsten Spuren hinterließ aber Christian Petzold, der mit dem doppelbödigen Finale seiner "Polizeiruf"-Trilogie unter dem anspielungsreichen Titel "Tatorte" auch von Meuffels in dessen 15. Fall verabschiedet.
Die Handlung des letzten Films mit Matthias Brandt als distanziertem Kommissar von Meuffels ist angesichts der Symbolik beinahe nebensächlich. Schließlich entpuppt sich der letzte Fall des wohl unbayerischsten Ermittlers Bayerns zugleich als Finale einer Mini-Reihe in der Reihe, die Trilogie-Experte Christian Petzold ("Transit", "Phoenix") mit "Polizeiruf 110: Kreise" vor drei Jahren begann, 2016 mit "Polizeiruf 110: Wölfe" fortsetzte und nun – gemeinsam mit dem Brandt-"Polizeiruf" überhaupt – zu ihrem Ende bringt.
Geklärt werden soll der Mord an einer Frau, die auf einem Parkplatz vor den Augen ihrer Tochter und vor jenen des Publikums brutal erschossen wird. Zur Klärung des Falls bekommt von Meuffels eine junge Kollegin an die Seite gestellt, frisch aus der Ausbildung und hochengagiert. Nadja, so der Name der von "4 Blocks"-Darstellerin Maryam Zaree verkörperten Assistentin, ist überzeugt davon, dass es sich um ein klassisches Familiendrama handelt, bei dem Erpressung und ein Streit um das Sorgerecht im Mittelpunkt stehen.
Doch für die nervöse junge Ermittlerin, die von Meuffels als ihr Vorbild ansieht, hat der grummelige Alte zunächst nur Zynismus und Verachtung übrig. Die einfache Theorie lehnt er ebenso ab wie diese euphorische Frau ohne Ahnung, die man ihm da an die Seite gestellt hat. Man streitet über moderne und altgediente Ermittlungmethoden ("Wo haben Sie das denn gelernt?") und pöbelt und schreit – gipfelnd in einer grandiosen Streitszene auf dem Parkplatz, in der von Meuffels noch einmal sein gesamtes Können herausbrüllt.
Ein Petzold-"Polizeiruf" – das bedeutet neben einem noch ungehalteneren, noch mehr mit sich selbst beschäftigten von Meuffels natürlich auch eine Wiederkehr von Barbara Auer, die dem Kommissar als dessen Hamburger Ex-Kollegin und Ex-Liebschaft Constanze nun zum dritten Mal bei der Lösung eines Falls helfen soll. Die Fronten zwischen beiden sind längst nicht geklärt, da begibt sich der abgenutzt wirkende von Meuffels ungebeten nach Nürnberg, wo seine immer noch große Liebe Polizeischüler an hübsch gestellten Tatorten unterrichtet. Die Inszenierung in der Inszenierung – derlei Spitzfindigkeiten und Selbstreferenzialiäten baut Petzold zum Abschluss en masse ein.
Am herrlichsten zeigt sich der Anspielungsreichtum nicht nur im Titel, sondern vor allem in den wie gewohnt überragenden Dialogen Petzolds, der abermals auch als Autor fungierte. "Sie machen so komische Kunstpausen", herrscht von Meuffels etwa Nadja an, "das ist doch Scheiße, das ist wie im Fernsehen". Ein anderes Mal belehrt er sie: "Die Welt ist eben nicht immer so wie um 20.15 Uhr", woraufhin die der Millennial-Generation entstammende Kollegin trocken entgegnet: "Ich schaue kein Fernsehen". Es ist auch diese Art krimiferner Süffisanz, die den Münchner "Polizeiruf" immer hervorhob.
Wie Hanns von Meuffels mit seiner neuen Assistentin sowie Constanzes Unterstützung zwischen Swingerclubs und Autokinos die Verdächtigen, die Motive und andere Hinweise ebenso umkreist wie sein eigenes unsicheres und ziemlich kaputtes Ego, inszeniert Petzold als großes Charakterkino. Letztlich kann seine Meuffels-Trilogie als die Annäherung an einen rätselhaften Mann gelesen werden, der mit sich selbst viel mehr zu kämpfen hat als mit jenen Kriminellen, deren Verbrechen er als grandioser Polizist um einiges leichter aufzulösen vermag als das riesige Rätsel der Liebe.
Und sein Darsteller? Matthias Brandt wolle sich "mit anderen Dingen zu beschäftigen, bevor die Gewöhnung zu groß und es womöglich noch gemütlich wird, denn das wollte ich immer vermeiden." Gemütlichkeit im "Polizeiruf" zu vermeiden – das ist ihm gemeinsam mit Christian Petzold auch im finalen Fall wieder eindrücklich gelungen.