Die letzte Sonntagskrimi-Premiere vor der Sommerpause kommt aus Rostock. Die "Polizeiruf"-Veteranen Bukow und König tragen zunehmend schwer, aber ungebrochen tapfer an der Last ihrer gemeinsamen Geschichte.
Wenn es ein Bild gibt im neuen "Polizeiruf 110" aus Rostock, das man sich ausdrucken und einrahmen möchte, dann dieses: Kommissar Bukow (Charly Hübner) mit Bratpfanne am Herd. Außer Unterwäsche trägt er lediglich eine Küchenschürze um den properen Heldenleib, darauf gedruckt ein Fadenkreuz und der an eine berühmte ARD-Krimireihe erinnernde Schriftzug: "Bratort". Okay, haha.
Solch barock vorgetragenen Witz muss man sich leisten können, und das können sie beim mecklenburgischen "Polizeiruf" ohne Frage. Wenn einer der noch populäreren "Tatort"-Konkurrenz am Sonntagabend eins übergebraten hat, dann dieser hanseatisch herbe Krimi mit seinem Nitro-und-Glycerin-Gespann Bukow und König (Anneke Kim Sarnau).
Als die beiden vor Dekadenfrist auf der Krimilandkarte auftauchten, kombinierten sie räudige Sozialpanoramen mit in die Halbwelt kippelnden Proll-Ermittlern und episodenüberlappenden Erzählsträngen. Alles mehr oder minder Standard inzwischen, doch 2010, als Eoin Moore dieses nach Mikrowellenfraß müffelnde Küstenrevier im NDR-Auftrag aus der Taufe hob, war das alles noch ein Experiment. Es ist ziemlich großartig geglückt.
Nun, zehn Jahre später, zeichnet der Erfinder und Headautor Moore mal wieder für eine neue Folge als Regisseur verantwortlich (Buch: Florian Oeller). "Der Tag wird kommen" heißt sie, und sie trägt schwer an der Last dieser strapaziösen Erzählweise. Wo Bukow und König früher wie eine steife Seebrise durch den Sonntagabend wehten, ist heute viel Ermattung und Melancholie zu spüren. Das ist durchaus schlüssig angesichts all der dramatischen Verwerfungen, die beide Figuren zu durchleiden hatten in 21 vorausgegangenen Vollgas-Folgen.
In Fall Nummer 22 quält sich Katrin König mit Hautausschlag und Wahnvorstellungen, weil sie der verurteilte Sexualverbrecher Guido Wachs (Peter Trabner) immer noch wie ein Albtraum verfolgt. Sie hatte den Serientäter einst (im "Polizeiruf 110: Für Janina", 2018) nur durch eine Beweismanipulation ins Gefängnis bringen können. Dort sitzt der Narzisst ein für eine Tat, die er nicht begangen hat, statt für jene, die er verantwortet.
Dazu wird König selbst Opfer eines brutalen Übergriffs. Als sie beim Joggen eine junge Frau vor zwei Angreifern schützen will, wird sie selbst niedergeschlagen und landet im Krankenhaus. Die angegriffene Frau, eine geschiedene Mutter ohne Sorgerecht, wird später tot nahe der Warnow-Mündung gefunden. Derweil forciert Bukows ewiger Fußabtreter Pöschel (Andreas Guenther) eine neue Laufbahn bei der Drogenfahndung. Und Bukows schwer kranker Vadder (Klaus Manchen) plant das letzte krumme Ding seiner ruhmreichen Halbweltkarriere.
Manche dieser Erzählstränge fügen sich am Ende zueinander, anderes bleibt alleine stehen, was sich in gewisser Weise mit dem Thema des Films trifft: fatalen Formen der Zweisamkeit. Nicht jeder, der sich nach zwischenmenschlicher Nähe sehnt, ist für sie auch geschaffen. Zu welcher Sorte Mensch die beiden Ermittler gehören, darüber darf man nach der letzten, hoch emotionalen Szene noch eine Weile grübeln.
"Der Tag wird kommen" ist die bis auf Weiteres letzte Krimi-Erstsendung, die das Erste am Sonntagabend zeigt. Die "Tatort"- und "Polizeiruf 110"-Sommerpause fällt mit drei Monaten in diesem Jahr besonders lang aus. Der Grund: Durch die Drehstopps infolge der Coronakrise sind erste Produktionsengpässe entstanden.
Polizeiruf 110: Der Tag wird kommen – So. 14.06. – ARD: 20.15 Uhr