Von Beginn ihrer Karriere an spielt Shirley MacLaine fast ohne Pause. Ehe- und Familienleben - Ehemann Steve Parker und Tochter Stephanie Sachiko konnten ein Lied davon singen - waren auf eine harte Probe gestellt, denn während Shirley in Kalifornien dreht, lebt der andere Teil der Familie in Tokio. Shirley MacLaine spielt komische und tragische Rollen, Prostituierte und Künstlerinnen, gute und böse Figuren. Für die leichtlebige Provinzprostituierte Ginny in Vincente Minnellis "Verdammt sind sie alle" (1958) mit Frank Sinatra und Dean Martin wird Shirley MacLaine für den Oscar nominiert, doch Susan Hayward schnappt ihr den Preis für "Lasst mich leben" vor der Nase weg.
Auch die Nominierung für Billy Wilders brillante Alltagskomödie "Das Apartment" (1960) bringt weder ihrer prächtigen Liftführerin Fran Kubelik noch ihrem ebenfalls nominierten Partner Jack Lemmon, dem arg geplagten C. C. Baxter, den ersehnten Preis. Stattdessen gewinnen Elizabeth Taylor ("Telefon Butterfield 8") und Burt Lancaster ("Elmer Gantry") die begehrten Trophäen. Regisseur Wilder erhält den Oscar dafür gleich zweimal, für den Film und - gemeinsam mit L. A. Diamond - für das Drehbuch.
Doch Oscar hin, Oscar her, Shirley MacLaine ist immer wieder in wunderbaren Rollen zu sehen: Sie ist Meg Wheeler, das heiratswütige Mädel aus der Provinz, die es mit dem smarten Schwerenöter David Niven zu tun hat in Charles Walters' "Immer die verflixten Frauen" (1959) und die emanzipierte Saloon-Directrice in Walter Langs "Can-Can" (1959). An der Seite von Audrey Hepburn spielt sie 1961 in "Infam" die lesbische Lehrerin Martha, die sich am Ende, als sie keinen Ausweg mehr sieht, aufhängt: Die beiden Frauen sind von der Schülerin der lesbischen Liebe geziehen worden.
Shirley MacLaine beginnt schon im Alter von drei Jahren mit Ballettunterricht, mit 20 steht sie in Roger & Hammersteins Musical "Oklahoma" erstmals auf der Bühne - ein Star hat sich den Knöchel verstaucht. Hollywood-Talentsucher spüren sie just in dem Moment auf, als sie aus der Musicalproduktion "The Pajama Game" fliegt - sie spricht bei Alfred Hitchcock vor, ohne eine einzige Schauspielstunde. Und sie bekommt die Rolle: Am Anfang ihrer Karriere spielt sie unter seiner Regie die junge Witwe Jennifer in seiner Krimikomödie "Immer Ärger mit Harry" (1955). Im gleichen Jahr sind Jerry Lewis und Dean Martin die Stars ihrer Kino-Groteske "Der Agentenschreck", in der sie unter der Regie von Frank Tashlin vor der Kamera steht.
Danach besetzt sie Michael Anderson in seinem mit Stars nur so gespickten Abenteuerfilm "In 80 Tagen um die Welt", mit Anthony Quinn steht sie für Delbert Manns Melodram "Hitzewelle" (1957) vor der Kamera, George Marshalls Westernkomödie "In Colorado ist der Teufel los" (1958) zeigt sie als schöne Dell Payton an der Seite von Glenn Ford und Leslie Nielsen und wieder unter der Regie von Wilder spielte sie in der Erfolgskomödie "Das Mädchen Irma la Douce" (1962) die schöne Prostituierte Irma, die dem etwas trotteligen Pariser Polizisten Nestor Patou (einmal mehr Dauerpartner Lemmon) den Kopf verdreht. Auch für diese Rolle erhielt Shirley MacLaine eine Oscar-Nominierung. Noch im gleichen Jahr ist sie die Partnerin von Robert Mitchum in "Spiel zu zweit" (1962) von Robert Wise und in J. Lee Thompsons Komödie "Immer mit einem anderen" (1964) ist sie eine US-Provinzschönheit, die durch diverse Ehemänner, die viel zu früh sterben, zu Reichtum gelangt. Und in Vittorio De Sica Episodenfilm "Siebenmal lockt das Weib" (1967) spielte sie gleich alle weiblichen Hauptrollen.
Nach vielen weiteren Filmen trat Shirley MacLaine In den Siebzigerjahren ein wenig kürzer. Nach Don Siegels wunderbar ironischem Revolutionswestern "Ein Fressen für die Geier" (1969) hat sie ausgedehnte Reisen unternommen. Auf Einladung von Tschu-en Lai war sie in China und hat mit Claudia Weill darüber einen Dokumentarfilm gemacht. Bis zu ihrem Sinneswandel gehörte die Schauspielerin zum "Rat Pack", der Gruppe um Frank Sinatra, Dean Martin und Sammy Davis jr. an, Ende der Sechzigerjahre wendet sie sich jedoch der demokratischen Linken zu. Sie protestiert gegen die Hinrichtung von Carl Chessman, engagiert sich mit vielen anderen amerikanischen Frauen gegen den Vietnam-Krieg, unterstützt Robert Kennedy und George MacGovern.
Eine große Rolle spielt sie erst wieder in Herbert Ross' Tanzfilm "Am Wendepunkt" (1976), der ihre eine erneute Oscar-Nominierung einbringt, und in Hal Ashbys Tragikomödie "Willkommen, Mr. Chance" (1979), in der sie als Ehefrau eines Freundes des US-Präsidenten einen geistig beschränkten Gärtner alias Peter Sellerss anfährt und ihm bald darauf den Aufstieg in höchste Kreise ermöglicht. Dagegen sieht man sie als Mutter Aurora in James L. Brooks' "Zeit der Zärtlichkeit" (1983) an der Seite von Jack Nicholson. Für diese erhält sie schließlich den amerikanischen Academy-Preis - kurz vor ihrem 50. Geburtstag. Und den Golden Globe als beste Schauspielerin in einem Drama erhält sie für ihre "Madame Sousatzka" (1988, Regie: John Schlesinger), die Geschichte einer innerlich zerrissenen Frau, die von ihrem Schüler das fordert, woran sie persönlich scheiterte.
Einziger Lichtblick als Dorfschnatter Ouiser Boudreaux war Shirley MacLaine in Herbert Ross' Drama "Magnolien aus Stahl - Die Stärke der Frauen" (1989), während Mike Nichols' Tragikomödie "Grüße aus Hollywood" (1990) als treffsichere Satire überzeugte. Klasse war auch ihre schauspielerische Leistung als cholerische und leicht wunderliche ehemalige First Lady Tess Carlisle in Hugh Wilsons Tragikomödie "Tess und ihr Bodyguard" (1994), während sie in Richard Benjamins Komödie "Mrs. Winterbourne" (1996) als Schwiegermutter überzeugte. Eine Großmutter gab sie dagegen in Robert Harlings Familiendrama "Jahre der Zärtlichkeit" (1996) und in Keith Samples' Komödie "A Smile Like Yours - Kein Lächeln wie deins" (1997) war sie einmal mehr eine Mutter, dieses Mal von Lauren Holly.
2003 stand erneut eine Oma-Rolle auf dem Drehplan: In Marleen Gorris' Drama "Carolina" (2003) war Shirley MacLaine die durchgeknallte Grandma Mirabeau, eine Paradevorstellung als gealterte Mrs. Robinson gab sie in Rob Reiners Komödie "Wo die Liebe hinfällt" (2005), dagegen konnte auch sie Nora Ephrons Komödie "Verliebt in eine Hexe" (2005) nicht retten. Viel besser war da Curtis Hansons Komödie "In den Schuhen meiner Schwester" (2005), in der Shirley MacLaine einmal mehr die Großmutter mit Herz verkörperte.
Die Schwester von Warren Beatty ist von ihrem Ehemann Steve Parker geschieden, ihre Tochter Sachi Parker ist selbst Schauspielerin. Weitere Filme mit Shirley MacLaine (Auswahl): Joseph Anthonys Komödie "Die Heiratsvermittlerin", Charles Walters' Komödie "Ask any Girl" (beide 1958), Joseph Anthonys Drama "Viele sind berufen" (1959), Charles Walters' Melodram "Der Fehltritt" (1961), Jack Cardiffs Komödie "Meine Geisha" (1961), Anthony Asquiths Episodenfilm "Der gelbe Rolls-Royce" (1964), Ronald Neames Gaunerkomödie "Das Mädchen aus der Cherry-Bar" (1966), oseph McGraths Komödie "Hausfreunde sind auch Menschen", "Sweet Charity" (beide 1968), Frank D. Gilroys Gesellschaftsdrama "Verzweifelte Menschen" (1970), Richard Langs Komödie "Jahreszeiten einer Ehe" (1980), Hal Needhams Actionkomödie "Highway 2 - Auf dem Highway ist wieder die Hölle los" (1983), Christopher Mongers schwarze Komödie "Zeichen und Wunder?" (1989), Beeban Kidrons Komödie "Die Herbstzeitlosen" (1991), Albert Brooks' Komödie "Rendezvous im Jenseits" (1991), Randa Haines' Komödie "Walter & Frank - Ein schräges Paar" (1993), Rob Epsteins und Jeffrey Friedmans Dokumentarfilm "Gefangen in der Traumfabrik - The Celluloid Closet" (1995), Ernest Thompsons Tragikomödie "The West Side Rhythm" (1995), Christian Duguays Historienfilm "Jeanne d'Arc - Die Frau des Jahrtausends" (1999), "Drôles de retrouvailles" (2001), "L'empire de Mary Kay" (2002), "Closing the Ring - Geheimnis der Vergangenheit" (2007), "Coco Chanel" (2008), "Valentinstag" (2010), "Das erstaunliche Leben des Walter Mitty" (2013) .