Das neu formierte Dresdner "Tatort"-Team mit Cornelia Gröschel, Karin Hanczewski und Martin Brambach kommt immer besser in Fahrt. Der Fall um ein außer Rand und Band geratenes Ehepaar ist harte Kost und spannend obendrein.
Schluss mit lustig heißt es beim "Tatort" aus Dresden. Das ist spätestens mit dem neuen Fall "Die Zeit ist gekommen" klar. Ein kleinkrimineller Familienvater (Max Riemelt) gerät unter Verdacht. Dabei hatte er sich die Zukunft mit Frau (Katia Fellin) und Sohn so schön vorgestellt. Eine taffe Story, die zwischen Thriller und Drama oszilliert.
Zum Geburtstag schenkt Louis Bürger (Riemelt) seiner Frau Anna eine modische Designertasche, die sie dann den ganzen Film über tragen wird. "Der Bon ist drin", sagt Louis. Ab jetzt will er ehrlich sein, ein guter Mensch mit richtigem Job und ohne Drogen. Von Kroatien wird geträumt, eine Surfschule am Meer, das wäre schön. "Du kannst ja gar nicht surfen!" sagt Anna. Aber das wäre der kleinste Hinderungsgrund für eine gemeinsame neue Zukunft.
Denn Louis ist unter Verdacht geraten: Ein Polizist wurde in der Nähe seiner Wohnung erschlagen. Alle Indizien sprechen gegen ihn. Am Tatwerkzeug, einem Baseballschläger, klebt sein Blut, auch seine DNA wird identifiziert. Der sanfte Klingelton, der Louis aus dem Schlaf reißt, verheißt nichts Gutes. Die Kripo Dresden steht in Gestalt der Beamtinnen Karin Gorniak (Karin Hanczewski) und Leonie Winkler (Cornelia Gröschel) vor der Tür und sagt: "Wo waren Sie gestern Nacht gegen ein Uhr?" Nachbarn hängen an den Fenstern, als Louis verhaftet wird, auch sein Schwager, der im selben Block wohnt, beobachtet die Szene.
Drei Jahre hat Louis bereits wegen eines ihm unterstellten Delikts im Gefängnis verbracht, der neue Fall gleiche dem alten, behauptet Schnabel (Martin Brambach), der Kripochef. Zudem wurde Louis' zwölfjähriger Sohn nach einer Überdosis Ecstasy ins Jugendheim gebracht. Ein Versehen, wie man hört. Vater und Sohn sind eigentlich ein eingeschworenes Team, ihr an sich gutes Verhältnis sind ein tragendes Moment des weiteren Handlungsverlaufs (Drehbuch: Stefanie Veith). Louis wird da von Anna aus der Untersuchungshaft befreit, er hat sich auf die Krankenstation verlegen lassen – mit einem Trick übrigens, der nicht unbedingt zur Nachahmung empfohlen werden kann.
Obwohl Karin Gorniak, die Kommissarin, Louis verspricht, bei den Ermittlungen "unvoreingenommen" zu sein und schwört: "Wir wollen nichts als die Wahrheit!", glaubt Louis nicht mehr an Gerechtigkeit. Sohn Tim soll nicht für immer "der Sohn eines Knackis bleiben". Was dann folgt, ist eine durchaus spannende Mischung aus Verfolgung, Geiselnahme und Krimi-Melodram. Als Louis und Anna ihren Sohn aus dem Jugendheim holen wollen, verzögert das die Heimbeamtin. Und weil dann auch schon die Polizei vor der Türe steht, eskaliert alles mit einer unfreiwilligen Geiselnahme. Die Konturen zwischen Opfern und Tätern verschwimmen in einem rasanten Wechsel der Perspektiven (Regie: Stephan Lacant). Überzeugend ist vor allem die Verzweiflung des zwölfjährigen Sohnes (Claude Heinrich), aber auch das Bemühen des selbst entnervten Vaters (ohnehin oscarreif: Max Riemelt), ihn zu besänftigen. Eher wie Krimi-Kinderkram wirkt dagegen das Muskelspiel der jungen Kommissarin Winkler, die sich Pistolen- und Kamera-bewährt kamikazemäßig ins Innere des Jugendheims begibt. Aber auch bei der Deeskalationsbeauftragten Karin Gorniak hat man nicht richtig aufgepasst, will sie doch Louis gleichzeitig beruhigen und doch zugleich zu einem Geständnis zwingen.
Bei so viel Amateurismus verwundert es nicht, dass die Verfolgten flüchten können, man sieht sie an einer Tankstelle vor weitem Feld, fast so als hätten sie schon Kroatien erreicht. Genial, dass bei der Weiterverfolgung eine verrückte Balkanpolka eingespielt wird, die gar so etwas wie ein Happyend verspricht. Der starke Schluss entschädigt für kleinere Fehler, wobei die wahren Täter sowieso ganz andere sind – der eigentliche Krimi wird nachgereicht. Martin Brambach bringt das alles rekonstruierend als Chef auf die Reihe. Wohl dem, der seinen Brambach hat!
Tatort: Die Zeit ist gekommen – So. 05.04. – ARD: 20.15 Uhr