Ich fühle mich wie meine Frau, als sie in den Wechseljahren war“, sagte ein 67-jähriger Patient zu mir. „Aber Wechseljahre beim Mann gibt es doch gar nicht?“, fügte er hinzu. „Das stimmt“, erklärte ich. Im Gegensatz zur Frau erfolgt der Abfall des männlichen Hormons beim Mann nicht abrupt, sondern langsam im Rahmen des gesunden Alterns, und somit meist symptomfrei. Aus anderen Gründen kann es aber zu einem nicht altersgerechten, stärker ausgeprägten Testosteronmangel kommen, der mit Beschwerden und vor allem Gesundheitsrisiken einhergeht, weshalb eine Behandlung sinnvoll ist. Charakteristisch für den Hypogonadismus beim Mann ist die Kombination aus eingeschränkter Sexualfunktion und Verlust der Libido. Es besteht damit kein Leidensdruck und Patienten sprechen dies daher selbst auch gar nicht an. Zudem kann es zu Beschwerden kommen, die auch andere Ursachen haben können. Dazu zählen Antriebslosigkeit, nachlassende Muskelkraft, Übergewicht, Diabetes und depressive Stimmung.
Die Diagnose Hypogonadismus kann nie nur anhand der vorliegenden Symptome gestellt werden. Es bedarf vielmehr einer körperlichen Untersuchung und einer wiederholten Messung des Testosteronspiegels unter standardisierten Bedingungen. Zur Klärung der Ursache sind weitere Hormonuntersuchungen erforderlich. In Frage kommt eine Störung in der Hirnanhangdrüse, der Hypophyse, die dazu führt, dass die Hoden nicht mehr ausreichend Testosteron produzieren. Auch eine Hoden-Erkrankung kann verantwortlich dafür sein. Vom „Altershypogonadismus“ spricht man, wenn charakteristische Symptome mit bestätigt erniedrigtem Testosteron vorliegen und andere Ursachen ausgeschlossen wurden. Etwa jeder fünfte Mann ab 60 ist davon betroffen. Bei den über 80-Jährigen ist es jeder zweite.
Davon abzugrenzen ist ein sogenannter „funktioneller Hypogonadismus“, der bei starkem Übergewicht, Diabetes, durch Medikamente und übermäßigen Alkoholkonsum auftreten kann und prinzipiell reversibel ist. Nur bei gesicherter Diagnose ist eine Hormonersatztherapie wirklich angezeigt, um Folgen wie Osteoporose, Blutarmut, Muskelabbau und ungünstigen Stoffwechselveränderungen sowie einer Einschränkung der Leistungsfähigkeit entgegenzuwirken. Beim Altershypogonadismus bedarf es einer sorgfältigen Abwägung zwischen Nutzen und Risiken, vor allem wenn zugleich eine Herzerkrankung vorliegt.
Bei meinem Patienten haben wir zunächst eine Schilddrüsenüberfunktion ausgeschlossen, weil ihn eigentlich starkes Schwitzen zum Arzt geführt hatte. Im Gespräch kamen wir auf seine sexuelle Unlust zu sprechen. Ein Hinweis auf den Testosteronmangel, der sich durch Laborwerte bestätigen ließ und auf eine lang zurückliegende Erkrankung im Hoden zurückzuführen war. Der Rentner bekommt das Hormon nun regelmäßig in Form einer Drei-Monats-Spritze und fühlt sich seitdem wieder leistungsfähig und fit.