10.11.2025 Arzt-Kolumne

Herzinfarkt bei Frauen – oft nicht sofort erkannt

Eine 63-jährige Frau erlebte auf den Kanaren einen Herzinfarkt, der zunächst unentdeckt blieb. Professor Dr. Burkhard Sievers erklärt, warum Herzinfarkte bei Frauen oft anders verlaufen und welche Symptome ernst genommen werden sollten.
Doc Julia Fischer
Dr. Julia Fischer moderiert mittwochs um 20:15 Uhr die SWR-Gesundheitssendung „Doc Fischer“, ist Buchautorin („Medizin der Gefühle“) und medizinische Expertin in Talkshows. Als Host des ARD Gesund Youtube-Kanals erklärt sie anschaulich medizinische Themen. Regelmäßig lesen Sie von ihr in unserer Rubrik „Arzt-Kolumne“. Fotoquelle: SWR

Die Reise zu den Kanaren sollte Erholung bringen. Doch auch während des Urlaubs fühlte sich die 63-jährige Betroffene aus meiner Sendung ungewöhnlich schlapp. Beim Einsteigen in den Ausflugsbus geriet sie außer Atem, Treppen wurden zur Belastung. „Ich habe es immer auf meine Lunge geschoben“, sagt sie. Wegen einer Corona-Erkrankung litt sie seit Längerem an Atemproblemen – da erschienen ihr die Beschwerden plausibel.

Auf dem Rückflug verschlimmern sich die Symptome. Sie verspürt starke Brustschmerzen. Doch auch das schiebt sie zunächst auf ihre Lunge. Wieder zu Hause geht sie nicht sofort zum Arzt. „Ich habe mich erst einmal geschont“, erinnert sie sich. Erst Tage später überredet sie ihr Mann, gemeinsam einen Kardiologen aufzusuchen. Als das Paar von den Symptomen erzählt, veranlasst er sofort eine Untersuchung. Doch das EKG und der Herzultraschall bringen keinen klaren Hinweis. Dass die Patientin aus meiner Sendung einen Herzinfarkt hatte, wird erst durch ein spezielles Herz-MRT sichtbar.

Gerade bei Frauen ist das nicht ungewöhnlich, erklärt Professor Dr. Burkhard Sievers vom Gender-Herz-Zentrum in Remscheid. Er hat sich auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei Frauen spezialisiert. Anders als bei Männern liegt bei Frauen nicht immer ein klassischer Gefäßverschluss vor. Der sogenannte MINOCA-Infarkt entsteht häufig ohne sichtbare Engstellen – selbst bei einer Untersuchung per Herzkatheter, also einem Röntgenverfahren, bei dem die Herzgefäße mithilfe eines eingeführten Katheters dargestellt werden, sind keine geschlossenen Gefäße erkennbar. „Dennoch ist es ein richtiger Herzinfarkt, der wie jeder andere lebensbedrohlich sein kann“, betont Sievers.

Auch die Symptome unterscheiden sich: Statt des typischen Brustschmerzes leiden Frauen häufiger unter Atemnot, Übelkeit oder Rückenbeschwerden. Solche Anzeichen werden leicht fehlinterpretiert – auch von den Betroffenen selbst. So wie bei der Patientin, die sich ihre Beschwerden lange nicht erklären konnte und deshalb auch keinen Anlass zum Handeln sah. Heute nimmt sie Medikamente, die Blutdruck und Blutgerinnung regulieren. Sie geht regelmäßig spazieren, schwimmt – und ist froh, dass ihr Infarkt rechtzeitig erkannt wurde. „Ich kann nur sagen, dass ich unendlich glücklich bin, dass das so schnell aufgeklärt wurde“, sagt sie und ist überzeugt: Die frühe Diagnose hat ihr das Leben gerettet – und zeigt, wie wichtig Aufmerksamkeit bei untypischen Symptomen ist, gerade bei Frauen.