„Ich habe das Gefühl, meine kleine Tochter braucht viel weniger Schlaf als ich“, berichtete mir eine erschöpfte Mutter vor ein paar Tagen in der Sprechstunde. Die Einjährige ist nicht nur tagsüber, sondern auch nachts ein sehr lebhaftes Kind. „Sie schläft schlecht ein und wacht mehrmals pro Nacht auf, ich muss sie dann stundenlang herumtragen, dabei kann ich selbst schon nicht mehr vor Müdigkeit. Und dann kommt meine Schwiegermutter mit dem Ratschlag, sie einfach mal brüllen zu lassen, aber das will ich natürlich auch nicht“, beschrieb die junge Mutter die aktuelle Situation.
Tatsächlich haben viele aus der Großelterngeneration noch im Kopf, dass man Kindern mit dosiertem Schreienlassen das Einschlafen beibringen kann. Aus heutiger Sicht keine gute Idee. „Sie können ihrer Tochter mit etwas Geduld und Konsequenz helfen, leichter in den Schlaf zu finden und auch durchzuschlafen. Sie muss lernen, eigenständig ein- und durchzuschlafen. Dabei hilft als Erstes tagsüber viel Bewegung an der frischen Luft. Denn richtig müde schläft es sich am besten. Sind Kinder dagegen übermüdet und überdreht, können sie nur schwer einschlafen. Etwa eine Stunde vor dem Schlafengehen – das am besten immer zur selben Zeit stattfinden sollte – ist deshalb ‚Runterkommen‘ angesagt. Das geht am besten mit Vorlesen, Malen, Kuscheln, Singen“, riet ich der Mutter.
Dabei ist es sehr wichtig, den „müden Punkt“ nicht zu verpassen, denn sonst drehen Kinder oft nochmal richtig auf. Und dann sollten Eltern alles Störende aus dem Schlafzimmer verbannen, vor allem Licht und Lärm. Und es sollten schon gar keine elektronischen Geräte wie Fernseher, Tablet oder Ähnliches dort sein. All das hilft auch beim Durchschlafen. Kinder wechseln während der Nacht regelmäßig die Schlafphasen, dazwischen wachen sie auf und vergewissern sich, ob sie sicher und geborgen sind. Ein Schutzprogramm der Evolution und daher völlig normal. Auch wir Erwachsenen durchleben diese Phasen, finden aber schneller wieder in den Schlaf. Kinder müssen das erst lernen.
Manchmal führen auch Veränderungen im Alltag zu Durchschlafproblemen: Stress in der Familie, das neue Leben in der Kita oder ein Wachstumsschub. Ältere Kinder können zudem unter dem so genannten Nachtschreck leiden. „Auch hier hilft Geduld. Manchmal ist ein Schlafprotokoll nützlich. Dann können wir bei Ihrem nächsten Besuch in der Praxis schauen, wie Ihre Tochter schläft und ob sich durch die neuen Einschlafrituale etwas verändert hat“, bot ich der Mutter an.