01.12.2025 Arzt-Kolumne

Wenn der Harndrang zum Rätsel wird

Ständiger Harndrang, Schmerzen, keine klare Diagnose: Wenn die Blase Probleme macht, beginnt oft eine jahrelange Suche nach Ursachen. Warum Ärzte manchmal ratlos sind und was hilft, wenn Beschwerden chronisch werden.
Doc Julia Fischer
Dr. Julia Fischer moderiert mittwochs um 20:15 Uhr die SWR-Gesundheitssendung „Doc Fischer“, ist Buchautorin („Medizin der Gefühle“) und medizinische Expertin in Talkshows. Als Host des ARD Gesund Youtube-Kanals erklärt sie anschaulich medizinische Themen. Regelmäßig lesen Sie von ihr in unserer Rubrik „Arzt-Kolumne“. Fotoquelle: SWR

Anfangs dachte sie an eine Blasenentzündung. Die 48-jährige Betroffene aus meiner Sendung hatte plötzlich starke Schmerzen im Bereich der Blase, dazu kam ein extrem starker Harndrang. Bis zu 30-mal am Tag musste sie zur Toilette. Auch der Urologe, den sie schließlich aufsuchte, vermutete eine Blasenentzündung. Er verschrieb ihr Schmerzmittel und Antibiotika. Doch das half nicht. Die Urinproben waren unauffällig. Der Urologe konnte sich die Ursache für die anhaltenden Beschwerden nicht erklären. „Ich war in der Urologie, beim Gynäkologen, beim Hausarzt – keiner wusste, was es ist“, erzählt sie.

Die Ungewissheit zog sich über Jahre. Mal hieß es, es sei psychosomatisch. Dann wieder Reizblase, es bestand sogar der Verdacht auf Blasenkrebs. Doch die Gewebeprobe war zum Glück negativ. Die Symptome wurden stärker: brennende Schmerzen beim Wasserlassen, ein ständiger Druck auf der Blase – Tag und Nacht. „Ich konnte kaum noch arbeiten, weil ich so oft auf die Toilette musste“, berichtet sie. Auch längere Fahrten oder Besprechungen wurden zur Belastung. Nachts raubte ihr der Harndrang regelmäßig den Schlaf.

Erst in einer Spezialsprechstunde für funktionelle Blasenbeschwerden kam die richtige Diagnose: interstitielle Zystitis – eine chronische Blasenentzündung ohne bakterielle Ursache. Im Urin finden sich keine Keime – das macht die Diagnose so schwer. Viele Patientinnen fühlen sich lange nicht ernst genommen. „Viele denken, das ist eine psychische Sache – aber das ist es nicht.“

Heute bekommt sie gezielte Therapien: Blasenspülungen mit Hyaluronsäure, entzündungshemmende Medikamente und Ernährungsberatung. Denn auch Reizstoffe wie Kaffee, Zitrusfrüchte oder Alkohol können die Beschwerden verstärken. „Wenn ich zu viele säurehaltige Sachen esse, merke ich das sofort“, berichtet sie.

Ganz beschwerdefrei ist die Betroffene bis heute nicht. Aber sie weiß nun, was hinter den Symptomen steckt – und hat endlich Wege gefunden, besser mit der Erkrankung zu leben.