23.01.2023 TV-Journalistin im Gespräch

Anja Reschke: Nicht an Hass und Hetze gewöhnen

Von Anne Richter
Anja Reschke spricht im Interview auch über Gleichberechtigung in der Gesellschaft.
Anja Reschke spricht im Interview auch über Gleichberechtigung in der Gesellschaft. Fotoquelle: NDR/Hendrik Lüders

Im Februar startet Anja Reschkes neue Polit-Show "Reschke Fernsehen" in der ARD. Im Interview hat sie uns unter anderem verraten, wie sie mit Hassnachrichten umgeht und was der Name ihrer Sendung mit AfD-Politikern zu tun hat.

Frau Reschke, am 2. Februar startet Ihre neue Recherche-Show „Reschke Fernsehen“. Worum geht es dabei?

Ich bin ja schon seit mehr als 20 Jahren beim Politik-Magazin Panorama. Die Frage, wie man gesellschaftlich relevante Themen interessant für das Publikum macht, treibt uns immer um. Und dazu gehört eben auch, zu überlegen, in welcher Form, in welchem Format man Geschichten auch erzählen könnte. Warum also nicht auch unterhaltend? Ich habe schon häufig erlebt, dass Anekdoten und lustigen Begebenheiten, die eine Recherche mit sich bringt, hinterher gar nicht in die Beiträge einfließen können. Mit „Reschke Fernsehen“ möchten wir die Informationen unterhaltsamer verpacken. In 30 Minuten wird es um jeweils ein Thema gehen, das wir auseinander nehmen. Ich präsentiere die Sendung, es gibt aber auch viele Clips und Einspieler, Tweets und O-Töne. Dabei soll natürlich die Relevanz des Themas im Blick bleiben, aber es wird lockerer präsentiert.

Ist „Reschke Fernsehen“ also so etwas wie das ZDF Magazin Royale fürs Erste?

Ich finde wirklich gut, was Jan Böhmermann macht. Aber jede Sendung hat ja ihren eigenen Charakter. In den USA gibt es das Genre „unterhaltender Journalismus“ in Late Night Shows schon lange. Die Moderatoren, überwiegend Männer übrigens, setzten sich mit allen möglichen Themen auseinander, auch mit ernsten Dingen wie Wahlen, Verteilung von Steuern, sogar Amokläufen. Und man hat einen hohen Erkenntniswert, obwohl sie lustig präsentiert sind und auch wenn es eben kein klassisches journalistisches Format wie eine Doku oder ein Filmbeitrag ist. Ich denke, für solche Formate gibt es auch in Deutschland einen großen Markt. Da kann es ruhig mehr als eine Sendung geben. Zumal es immer noch ein ziemlich männerdominierter Markt ist. Aber vielleicht hat eine Frau auch nochmal einen anderen humoristischen Ansatz als ein Mann.

Stimmt es, dass der Titel der Sendung auf eine Aussage von AfD-Politiker Alexander Gauland zurückgeht, der Ihre Arbeit vor einigen Jahren mit der Aussage „Reschke-Fernsehen“ diffamieren wollte?

Wenn es eine neue Sendung gibt, muss die ja irgendwie heißen. Und da gibt es natürlich Unmengen Ideen, jeder Beteiligte bringt etwas ein. In diesem Fall hat jemand einen alten O-Ton aus der ARD-Talksendung „Hart aber Fair“ aus dem Jahr 2016 ausgegraben. Da waren Alexander Gauland und ich beide zu Gast. Herr Gauland wollte den Begriff Lügenpresse nicht benutzen und sprach stattdessen von „Reschke-Fernsehen“. Gemeint war damit Fernsehen, das nicht so berichtet, wie er sich das vorstellt. Wenn damit ein Fernsehen gemeint ist, das für eine tolerante, liberale, offene und vielfältige Gesellschaft steht, dann finde ich den Begriff „Reschke-Fernsehen“ sehr schön. Mit der neuen Sendung möchten wir auch an die guten, alten Werte des Fernsehens anknüpfen, an Unterhaltung mit Niveau und guten Journalismus. Also ein kleiner Retro-Gedanke spielt bei dem Namen auch eine Rolle.

Läuft „Reschke Fernsehen“ künftig dauerhaft, oder soll es bei einigen Folgen bleiben? Wir arbeiten in Staffeln. Ab dem 2. Februar sind zunächst fünf Sendungen zu sehen, jeweils donnerstags um 23.35 Uhr im Ersten. Für das gesamte Jahr 2023 planen wir insgesamt etwa zwölf Folgen in drei Staffeln.

Nach welchen Kriterien wählen Sie die Themen für die Sendung aus, was ist gesellschaftlich relevant? Es wird immer um Themen gehen, mit denen möglichst viele Menschen etwas anfangen können – die eben relevant sind. „Reschke Fernsehen“ ist kein satirischer Wochenrückblick und nicht tagesaktuell. Es sind eher grundsätzlichere Sachen. Da die Sendung ganz neu ist, müssen wir noch erspüren, welche Themen für das Format funktionieren. Es wird in den ersten Folgen um unterhaltsamere und schwerere Themen gehen, wir arbeiten auch investigativ. Ich möchte möglichst offenhalten, was in der Sendung erzählt werden kann, und nichts ausschließen. Es soll spannend bleiben. Und wir haben die Möglichkeit, größere Zusammenhänge zu erklären. Was liegt woran, welche Folgen hat etwas?

Für Ihre meinungsstarken Äußerungen und Ihre Haltung sind Sie schon häufiger heftig angegangen worden, etwa während der Flüchtlingskrise. Wie gehen Sie mit Beleidigungen und Hass um?

2015 war es schon massiv mit Hass und Hetze im Internet. Damals waren diese regelrechten Hasswellen neu und konzentrierten sich stark auf bestimmte Personen. Heute ist man damit erfahrener. Ich weiß, aus welcher Ecke welche Sachen kommen, welche Berichterstattung, welche Äußerung welche Reaktionen hervorrufen. Man kann damit besser und vielleicht auch gelassener umgehen. Es erschüttert mich wirklich manchmal, zu sehen, dass der Lebensinhalt von manchen tatsächlich zu sein scheint, ständig wütende und hasserfüllte Kommentare abzusetzen. Inzwischen gibt es auch mehr Strafverfolgung, Täter werden verurteilt, die Gesellschaft wehrt sich. Damals hat es mich unvermittelt getroffen, heute habe ich Verteidigungsstrategien. Man sollte sich aber natürlich nicht daran gewöhnen, dass Hass und Hetze normal sind. Das ist immer noch ein indiskutabler Umgang miteinander.

Inwiefern haben aus Ihrer Sicht Flüchtlingskrise, Corona und Krieg – sozusagen der Dauerkrisenmodus – die Gesellschaft verändert?

Krisen gab es in der Geschichte ja immer, Kriege, Naturkatastrophen, Seuchen, Hungersnöte. Aber wir kriegen das heute viel intensiver mit. Allein durch das Smartphone sind ja Informationen ständig und überall bei uns. Früher war es weniger geballt, da hat man morgens Zeitung gelesen und abends die Tagesschau angesehen. Und dazwischen war auch viel Raum für anderes. Die Dauerverfügbarkeit an Information heute ist anstrengend für alle und ist auch nicht immer gut. Denn man wird ja zugeschüttet mit negativen Meldungen. Die Medien berichten eher, was nicht gut läuft, weil der Mensch sich auch eher damit beschäftigt, was problematisch oder gar gefährlich für ihn sein könnte. Mit globalen Krisen wie Corona, der Energiekrise oder der Klimaproblematik ist man als Einzelner schnell überfordert, weil man das Gefühl hat, man kann ja eh nichts ausrichten. Daran knüpfen andere Debatten an: Gerade diskutieren wir ja viel über Freiheit. Wie weit geht die Freiheit des Einzelnen in Abwägung zum Interesse der Gesamtbevölkerung. Was muss der Staat leisten, was muss er verbieten? Muss man Masken tragen, sich impfen lassen? Braucht es ein Tempolimit, gehören Böller verboten?

Wo verläuft für Sie die Grenze zwischen Haltung zeigen und Parteinahme für eine Sache?

Unter Haltung verstehe ich ein Einstehen für Grundwerte und Grundpositionen. Zum Beispiel, dass in einer Gesellschaft alle Menschen gleichbehandelt werden. Eine Meinung hingegen kann man sich bilden und sie auch wieder ändern, wenn zum Beispiel neue Informationen dazukommen. Bei manchen Sachen fällt es mir schwer, sofort eine Meinung zu bilden, zum Beispiel zu den Aktionen der Klimaaktivisten. Da überlege ich immer wieder neu, was ich davon halte. Anders ist es mit der Grundhaltung. Dazu gehört für mich zum Beispiel der Grundsatz, dass Menschen in Deutschland offen ihre Meinung sagen, das ist ein wichtiges Recht. Und es gilt für Klimaaktivisten wie auch für Querdenker. Ich muss aber mit ihren Forderungen oder der Art des Protests nicht einverstanden sein. Jeder in Deutschland kann seine Meinung sagen, es gibt keine Zensur. Nur sehr wenige Äußerungen wie die Leugnung des Holocausts sind verboten. Wer den Kanzler blöd findet, kann das öffentlich und ohne Konsequenzen sagen. Das sieht in anderen Ländern ganz anders aus. Cancel Culture wird oft von Leuten unterstellt, die ihre Meinung nicht genügend vertreten sehen. Gesinnung hat im Journalismus nichts verloren, aber eine Grundhaltung hat ja jeder Mensch

Glauben Sie, dass es Frauen auch heute noch schwerer haben als Männer? Wie steht es um die Gleichberechtigung?

Die gesetzlichen Vorgaben für eine Gleichberechtigung sind da, aber es gibt bei uns auch jahrhundertealte Traditionen. Frauen wird immer noch oft weniger zugetraut, es wird von ihnen etwas Anderes erwartet. Nehmen wir zum Beispiel mal Humor: Wenn eine Frau und ein Mann den gleichen Witz erzählen, wird das unterschiedlich aufgenommen. Frauen gelten als weniger lustig. Wir sind da kulturell und geschichtlich geprägt. Es gibt zum Beispiel viele Late-Night-Formate mit jungen Männern. Sie haben es offenbar einfacher, dorthin zu kommen, auch wenn nicht alle Formate immer gelungen sind. Aber es gibt auch immer mehr Frauen, die durchdringen. Carolin Kebekus zum Bespiel. Die können zu Identifikationsfiguren werden. Auch die Kanzlerschaft von Angela Merkel hat in dieser Hinsicht sicher etwas bewirkt für kommende Generationen. Es geht in kleinen Schritten voran.

Wie stehen Sie zur Frauenquote?

Ich befürworte eine Frauenquote, denn ich glaube, dass Regelungen helfen. Wir neigen dazu, eher etwas zu fördern, das uns ähnlich ist. Und so haben Männer bessere Chancen, aufzusteigen, da in Führungspositionen immer noch mehr Männer sitzen, die eben Männer fördern. Als Leiterin des Bereichs Gesellschaft habe ich in vielen Runden gesessen, in denen ich die einzige Frau war. Ich weiß gar nicht, ob den Männern das unbedingt auffällt. Und ohne gesellschaftlichen Druck, auch mal eine Frau zu nehmen, wäre man vielleicht gar nicht auf die Idee gekommen, mich zu fragen. Während der Pandemie ist es gut gelungen, zunehmend Wissenschaftlerinnen zu Wort kommen zu lassen. Es gibt inzwischen große Anstrengungen, gleich viele Frauen wie Männer im Programm zu zeigen. Früher gab es etwa ganze Magazinsendungen oder Tagesschau-Ausgaben, in denen nicht eine einzige Frau zu sehen war. Noch gelingt 50:50 nicht, aber zumindest ist das Bewusstsein geweckt.

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