22.05.2023 Interview mit Bandmitglied

The BossHoss: „Wir sehen uns als Zufluchtsort für unsere Fans“

Von Felix Förster
Die Band "The BossHoss" ist schon beim bekannten Wacken-Festival aufgetreten.
Die Band "The BossHoss" ist schon beim bekannten Wacken-Festival aufgetreten. Fotoquelle: Pascal Buenning

The BossHoss sind zurück! Die Cowboys Sascha „Hoss Power“ Vollmer und Alec „Boss Burns“ Völkel haben mit „Electric Horsemen“ ihr mittlerweile zehntes Album veröffentlicht. In prisma erzählt Sascha Vollmer, der die meisten Songs der Band schreibt, von der neuen Musik, den Anfängen der Band und warum Michael Patrick „Paddy“ Kelly für den Song „Friends Forever“ der perfekte Gesangspartner ist.

„Electric Horsemen“ heißt Euer neues Album. Was gab den Ausschlag, neue, elektronische Sounds auszuprobieren?

Sascha Vollmer aka. Hoss Power: Der Sound auf dem neuen Album ist eine logische Fortsetzung von Dingen, die wir schon seit 2010 ausprobieren. Auch unser Hit „Don’t Gimme That“ hatte schon einen starken Beat, der in diese Richtung ging. Wir haben schon in der Vergangenheit mit Synthie-Sounds gearbeitet, aber vielleicht war das da nicht so auffällig (lacht). Schon der Albumtitel „Electric Horsemen“ weckt ja Assoziationen, sodass die Leute annehmen, dass wir jetzt mehr Elektrosounds nutzen. Das kann auch sein, aber im Großen und Ganzen haben wir schon versucht, unserem gewohnten Pfad treu zu bleiben, auch wenn wir hier und da ein wenig über den Tellerrand hinausschauen wollten.

Die Grundstimmung des Albums ist wahrlich elektrisierend und sehr positiv. Ist diese Einschätzung richtig?

Sascha Vollmer: Ja, das ist einfach unsere Grundstimmung. Wir sind jetzt keine Band, die Messages hat und mit den Fingern in Wunden herumbohrt. Alle wissen, wie vermeintlich schlimm die Welt ist, und wir sind natürlich auch Privatleute, die ihre politische Meinung haben. Aber wir sehen The BossHoss eher als einen Zufluchtsort für die Fans, um sich abzulenken und die schönen Dinge im Leben zu beleuchten und hervorzuheben: Party, gute Laune, Freundschaft, natürlich auch Freiheit. Wir wollen einen positiven Vibe rüberbringen in dieser mitunter negativen Welt.

Diesen Partyband-Begriff nehmt Ihr also durchaus an? Das ist nichts, wogegen Ihr Euch sträubt?

Sascha Vollmer: Wir sehen uns jetzt nicht als Party-Klamauk-Band. Vielmehr wollen wir die Musik für eine gute Party liefern, für die gute Laune im Allgemeinen.

„Three Little Words“ ist da ein passender Song auf dem neuen Album, indem Ihr humorvoll „Zwischenmenschliches“ ansprecht, um es einmal vorsichtig zu formulieren. Wie kam die Idee dazu?

Sascha Vollmer: Bei dem Song war zunächst die Musik da, die lag schon etwas länger in der Schublade. Zunächst war der Song eher etwas süßlicher angelegt, mit 50er-Jahre-Einflüssen und einer Ukulele: irgendwie ein bisschen niedlich. Da dachten wir, im Text muss da unbedingt noch ein Twist rein, ein Bruch, der diese Süße ein wenig auflöst. Da kam ich dann auf diese Idee, diese „three little words“ – I love you, jeder kennt es – etwas umzudrehen. Man muss das Lied natürlich bis zu der Stelle hören, um es zu verstehen (lacht).

Du sagtest, Ihr wollt jetzt keine großen Botschaften transportieren, aber beim neuen Song „Nice But No“ gibt es ja schon eine deutliche Message. Da wird das Musikgeschäft und auch das Format-Radio hinterfragt. Wie siehst Du denn den Weg, der da momentan eingeschlagen wird?

Sascha Vollmer: Wir haben schon ganz früh angefangen, das Musik-Business, das berühmte Haifischbecken, zu durchleuchten. Schon 2006 mit dem Song „Monkey Business“. Da ging es um ein ähnliches Thema. Für unser Genre gibt es gerade im Mainstream keine Schublade, von daher haben wir häufig Schwierigkeiten und müssen Türen einrennen. Gerade im Mainstreamradio tun wir uns schwer und haben häufig das Problem, dass die Leute, die entscheiden, sagen, „das ist uns zu rockig“ oder „och, das ist Country, das will unsere Hörerschaft nicht“. Und parallel spielen wir dann in Hallen, die sind proppenvoll. Da wollen uns die Leute beim Radio sagen, unsere Musik wollen die Leute nicht hören? Wie gesagt, wir haben schon ganz früh damit angefangen, unsere Meinung in Liedform zu vertreten.

Bei „Nice But No“ kommt dann noch die neue Ebene der Streaming-Plattformen hinzu, wodurch sich die ganze Branche noch einmal gedreht hat. Was hat sich für Euch geändert?

Sascha Vollmer: Es ist mittlerweile echt schwierig, auch für uns. Aber Probleme hat vor allem der Nachwuchs. Früher hat man ein Album gekauft, es zuhause ein paar Mal gehört, dann hatte man seine Lieblingssongs und hat die Scheibe mit ins Auto genommen und dort auf dem Nachhauseweg von der Arbeit gehört. Wenn man heute genauso viel The BossHoss auf den Streaming-Plattformen hört wie früher auf Platte, kommt man da natürlich auf ein vernichtendes Ergebnis. Das ist bei den jungen Bands ja nicht anders, was auch auf die Qualität abfärbt. Eigentlich wird die Musik durch diese Art des Konsums in ein falsches Licht gestellt. Welche Motivation hat da eine junge Band überhaupt noch? Teenager, die sich Instrumente kaufen, im Keller anfangen, zu proben? Wo ist die Motivation, wenn man damit auch Geld verdienen möchte? Mit Genres wie Rock oder Punkrock tut man sich mittlerweile ja total schwer. Auf diesen Streaming-Plattformen findet man zwar statt, aber wir verdienen ungefähr 3000 Euro bei einer Million Streams. Das ist eigentlich ein Witz, dadurch sind nicht einmal die Produktionskosten gedeckt.

Man fragt sich sowieso, wie das System überhaupt funktioniert, Stichwort „Umsonst“. Für jüngere Menschen ist das völlig normal, alles umsonst konsumieren zu können. Da bleiben die Musiker dann irgendwann auf der Strecke. Ist das eine Mentalität, mit der Ihr klarkommen müsst?

Sascha Vollmer: Es sieht so aus. Ich weiß keinen Ausweg. Natürlich bleibt das Live-Geschäft unantastbar, das bleibt uns. Aber da wird alles teurer. Ein Beispiel: Für unsere neue Tour, die wir jetzt planen, haben wir – verglichen mit unserer letzten Tour, die wir 2022 Jahr nachholen konnten und die eigentlich für 2020 geplant war – sage und schreibe doppelt so hohe Kosten. Jetzt können wir natürlich die Tickets nicht einfach auch doppelt so teuer machen, und das wollen wir auch gar nicht. Letztlich wollen wir ja auch in vollen Hallen spielen und das heißt, wir halten die Preise. Es ist ein steinigerer Weg geworden, aber mit dem Live-Business verdienen wir unser Geld.

Also bringen Euch die Konzerte die meisten Einnahmen?

Sascha Vollmer: Absolut, zu 100 Prozent. Das Recording ist relativ auf null. Früher hat man eine Tour gemacht, um ein Album zu promoten. Heute macht man ein Album, um die Tour zu promoten. Was aber auch ok ist, wir jammern ja auch auf relativ hohem Niveau. Wir versetzen uns mit „Nice But No“ auch in die Rolle des Nachwuchses: Du willst eine Band machen und bist fertig, um durchzustarten, und dann sagen die Eltern „Such dir lieber einen richtigen Job, im Musikgeschäft kannst du kein Geld verdienen“. Das ist ja tatsächlich so, und wo ist da die Motivation für einen Newcomer, diesen Weg einzuschlagen? Da muss man schon sehr viel künstlerische Leidenschaft an den Tag legen.

Der Song ist nicht nur wegen des Themas interessant, er ist auch musikalisch bemerkenswert und der härteste Song auf dem Album…

Sascha Vollmer: Ja, ein richtiges Hillbilly-Rock-Brett.

Das ist ein Sound, der Euch steht. Gibt es eigentlich eine Grenze, wo Ihr sagt, härter können wir jetzt nicht werden? Oder gibt es sogar Ideen, mal richtig harte Songs zu machen? Stichwort Wacken, da seid Ihr ja auch schon wiederholt aufgetreten?

Sascha Vollmer: Wenn, dann in so einem Rahmen, wie wir das jetzt gemacht haben. Es muss immer eine Verbindung geben zu dem, wofür wir stehen: Country. Und das ist uns in diesem Fall auch perfekt gelungen, denn der Song ist unser härtester bisher, schlägt aber trotzdem die Brücke in das Genre, für das wir bekannt sind. Diese Kombination ist super und beflügelt auch unser Alleinstellungsmerkmal, das wir sowieso durch unsere Musik in Deutschland haben. Deswegen wollen wir nicht noch weitergehen und noch härter oder poppiger werden, und das Rad für The BossHoss neu erfinden.

Auf dem Album gibt es interessante Kooperationen mit Gastmusikern, unter anderem mit Michael Patrick Kelly. Die Kellys sind ja echte Marken, was macht Paddy für Dich aus?

Sascha Vollmer: Paddy haben wir bei der vierten Staffel von „Sing meinen Song“ kennengelernt. Da waren Alec und ich die Hosts und haben uns natürlich mit allen Teilnehmern im Vorfeld beschäftigt: die Vita studiert und recherchiert, was sie vorher gemacht haben. Paddy kannten wir im Vorfeld nur als einen von der Kelly Family und wussten gar nicht unbedingt, ob wir mit dem klarkommen. Wir haben einen Riesen-Respekt vor dieser Band und ihrer Musikalität, aber wir waren jetzt nicht so Fans von der Truppe. Dann haben wir aber Paddy kennengelernt und gemerkt, der Typ ist eigentlich ein Rocker. Der steht auf Grunge, auf Pearl Jam, auf Nirvana und harte Musik, aber natürlich auch auf Roots-Musik, er liebt Country, ist ein Riesenfan von Bob Dylan. Da haben wir auf einmal gemerkt, hey, der Kerl ist ja richtig musikalisch bewandert, er hat Ahnung, kann singen, kann verschiedene Instrumente spielen. Das hat uns total überrascht. Seitdem verbindet uns eine Freundschaft. Und dann dachten wir einfach: Hey, der ist jetzt ein Freund geworden, da holen wir ihn für den Song „Friends Forever“. Das passt sowohl stimmlich, als auch inhaltlich total.

Sind bei Euren Konzerten auch Gastauftritte geplant? Wie ist die Tour überhaupt angelegt?

Sascha Vollmer: Die Tour kommt im September und Oktober, und wir sind gerade dabei, die Sets zu gestalten. Wir spielen natürlich die bekannten Hits aus unseren neun Alben und natürlich auch was vom neuen, dem zehnten. Ob da jetzt Gäste dabei sein werden, kann ich noch nicht sagen. Bisher haben wir das so gehandhabt, dass, wenn wir in der jeweiligen Stadt waren, dann haben wir Nena eingeladen, oder Samy Deluxe in Hamburg, Moses in Frankfurt. Je nachdem, ob die Zeit hatten. Es ist aber eher unwahrscheinlich, dass einer der Gäste vom Album mit auf Tour geht (lacht). Vielleicht schwappt die Ilse deLange mal aus Holland rüber, wenn wir in NRW spielen. Oder in München der Paddy oder im Ruhrgebiet die Electric Callboys.

Wie ist das denn auf Konzerten für Euch, gibt es da Lieblingssongs, neben denen, die Ihr natürlich spielen müsst? Variiert Ihr da oder gibt es einen festen Plan?

Sascha Vollmer: Wir versuchen schon, für jede Tour eine eigene Setlist zu machen. Und dann fahren wir los und werten die nach den ersten Gigs aus. Und dann kann es sein, dass die Titel noch einmal umgestellt werden, ein neuer dazukommt, einer rausgeschmissen wird, der nicht so gut läuft. Das pendelt sich dann so ein. Die Gassenhauer, die man kennt „Don’t Gimme That“, „Dos Bros“ oder „Jolene“ dürfen natürlich nicht fehlen. Da kommen wir nicht drum herum (lacht), wollen wir auch nicht, die funktionieren live auch super. Es gibt ein ausgewogenes Set, mit rockigen Songs, die richtig abreißen, und mal was Akustischem.

Neben dem musikalischen Standbein seid Ihr auch im TV immer präsent gewesen. Kann man das auch als festes Standbein von Euch bezeichnen? Wie kam es eigentlich dazu?

Sascha Vollmer: Wir wurden damals 2010 oder 2011 für „The Voice of Germany“ gefragt, ob wir mitmachen möchten. Mit der Entscheidung haben wir erst einmal gehadert, da wir uns damals schon eine große Fanbase erspielt hatten. Wenn man dann auf einmal im Mainstream-TV sitzt und dann auch noch bei einer Castingshow, ist das keine leichte Entscheidung. Da haben wir sehr lange überlegt. Aber letztlich war es sehr gut für uns, weil wir damit unsere Hörerschaft und auch unsere Ticketkäuferschaft verdoppelt haben. Es hat uns echt etwas gebracht, da es unseren Bekanntheitsgrad extrem gesteigert hat.

Und dann wart Ihr jahrelang sehr präsent im Fernsehen.

Sascha Vollmer: Wir haben insgesamt drei Staffeln von „The Voice“ gemacht, zusätzlich „The Voice Senior“ und eine Staffel „The Voice Kids“. Dann kam zweimal „Sing meinen Song“ dazu (lacht). Also, man kann schon sagen, dass wir immer wieder da waren, aber wir wollten dabei immer die Waage halten und nicht als reine Fernsehnasen enden, von wegen: „Sind das die Typen aus dem Fernsehen?“ Die Waage zwischen Band und TV muss immer im Gleichgewicht sein.

Euer Werdegang ist sehr spannend, denn irgendwie seid Ihr ja Quereinsteiger. Wann war es für Euch klar, dass die Musik die Hauptrolle spielt?

Sascha Vollmer: Als wir für andere Dinge keine Zeit mehr hatten (lacht). Die Musik war seit Teenagerzeiten für alle in der Band sehr wichtig, aber erst nur als brotlose Leidenschaft. Als es dann 2005 mit unserem ersten Album losging, waren wir das ganze Jahr mit Promo und Touren unterwegs. Wir haben im ersten Jahr an die 200 Shows gespielt. Im zweiten Jahr auch, dann war das Album erfolgreich und Universal sagte uns, wir können ein weiteres aufnehmen, und dann kam das nächste… 2005 wurde allen klar, das Musikmachen zahlt sich aus, wir müssen keinen anderen Job mehr machen. Kurz vorher mussten wir noch unbezahlten Urlaub nehmen, aber irgendwann hat sich dann auch der Letzte nur noch auf die Musik konzentriert. Und bald gehen wir ins 20. Jahr.

Das ist wirklich beispielhaft, und man kann nur hoffen, dass es für jüngere Bands auch wieder so einen Weg geben kann.

Sascha Vollmer: Es ist schön, wenn wir da ein gutes Beispiel abgeben. Kultur im Allgemeinen und Musik für uns im Speziellen ist auf jeden Fall ein Vehikel für Emotionen. Das ist ganz wichtig in unserer Gesellschaft.

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