25.07.2022 Musikerin

Charly Klauser: "Es gibt keinen Grund, warum Mädchen nicht Schlagzeug spielen"

Von Felix Förster
Charly Klauser hat es wirklich drauf: Die junge Musikerin spielt auf ihrem Album alle Instrumente selbst.
Charly Klauser hat es wirklich drauf: Die junge Musikerin spielt auf ihrem Album alle Instrumente selbst. Fotoquelle: Thomas Berschet

Peter Maffay, Die Ärzte, Carolin Kebekus, Tim Bendzko, Sasha… Die Liste der Stars, mit denen Charly Klauser bisher schon zusammengearbeitet hat, ist lang. Die Kölnerin ist als Multiinstrumentalistin seit Jahren als Studio- und Livemusikerin gefragt. Nun hat sie mit "Mehr" ihr Debütalbum veröffentlicht. Darauf spielt die 22-Jährige nicht nur alle Instrumente selbst, sie saß auch als Produzentin an den Reglern. prisma hat mit ihr über ihr musikalisches Talent, die Arbeit am Album und Vorbilder wie Peter Maffay gesprochen.

Nachdem Sie vor allem für andere Künstler wie Peter Maffay, Tim Bendzko, Sasha und Carolin Kebekus gearbeitet haben, ist nun Ihr Debütalbum erschienen. Wie fühlt sich das an, jetzt selbst im Rampenlicht zu stehen?

Charly Klauser: In erster Linie bin ich natürlich unfassbar froh und stolz, dass dieses Album, an dem ich nun lange und intensiv gearbeitet habe, raus ist. Hierbei geht es nicht in erster Linie darum, im Rampenlicht zu stehen, sondern vielmehr meine eigene Musik, die schon so lange in mir schlummert, endlich mit Menschen teilen zu können. Jetzt sitze ich teilweise bei den gleichen Radiosendern und TV-Shows wie bisher mit Peter Maffay, darf aber meine eigene Musik spielen und darüber sprechen. Das fühlt sich richtig gut an.

Sie haben als Multiinstrumentalistin alles auf Ihrem neuen Album selbst eingespielt. Das ist ein Alleinstellungsmerkmal. Respekt! Wie reagieren Musikerkollegen auf diese Tatsache? Gib es da so etwas wie ein wenig Ehrfurcht?

Charly Klauser: Ich glaube, dass die Kollegen und Musiker, die mich kennen, den Weg zum Album hin eh schon etwas verfolgt haben und darum vielleicht nicht ganz verwundert sind. Die Vielseitigkeit habe ich ja bereits auch schon in den anderen Projekten ausleben dürfen. Somit sind das Album und der Fakt, dass ich alles selber gemacht habe, letztendlich die logische Konsequenz. Quasi einfach alles von mir gebündelt auf einer Scheibe Musik. Aber nach der Album-Veröffentlichung habe ich einen Kommentar auf Instagram von einem Kollegen gelesen, der schrieb: "Ab wann ist Talent eigentlich unverschämt?" Da musste ich schon sehr schmunzeln.

Sie haben das Album auch vollständig selbst produziert. Dazu gehört neben dem Talent auch eine Menge Disziplin. Wie haben Sie dies meistern können?

Charly Klauser: Insgesamt habe ich ja nun drei Jahre an diesem Album gearbeitet. Es gab viele Höhen und Tiefen und auch Momente, in denen ich verzweifelt bin und auch gedacht habe, dass ich es so in der Form nie zu Ende bringen werde. Aber glücklicherweise habe ich ein tolles Umfeld von Menschen, die mich immer motiviert haben, meinen eigenen Weg zu gehen. Und das war eben ein sehr wichtiger Schritt in diese Richtung. Ob ich ein zweites Album ganz genau so machen werde, weiß ich tatsächlich noch gar nicht, da ich es ja auch liebe, mit anderen Menschen zusammenzuarbeiten und zu musizieren.

Wenn man alles selbst macht, läuft man da nicht auch ein wenig Gefahr, "im eigenen Saft zu schmoren"?

Charly Klauser: Es ist definitiv eine krasse Herausforderung und man ist prädestiniert dafür, sich im Kreis zu drehen. Man kann es aber auch so sehen, dass ich mir so eine Situation erschaffen konnte, in der ich für meinen Geschmack nicht kämpfen oder diskutieren musste, sondern einfach alles machen und umsetzen konnte. Mein Album würde sicher ganz anders klingen, wenn jemand anders es produziert hätte. Vielleicht besser, schlechter, poppiger, rockiger, aber allemal etwas weniger nach mir. Ich liebe die Kombination aus verschiedenen Musikstilen und Stimmungen, lauten und leisen Tönen, einfachen und komplexen Melodien und Produktionen. Diese Mischung war mir ganz wichtig, und das würde ich gerne beibehalten.

Im Internet gibt es ein erstaunliches Video von Ihnen, in dem Sie für diverse Songs alle Instrumente selbst spielen. Das sieht sehr spielerisch, wenn nicht sogar "leicht" aus, wie Ihnen das von der Hand geht. Wie viel Arbeit und Fleiß stecken wirklich dahinter?

Charly Klauser: Dadurch, dass ich sehr früh angefangen habe, Musik zu machen – man muss dazu sagen, dass meine Eltern auch Musiker sind und ich so auch früh Unterstützung erfahren durfte – habe ich selten das Gefühl gehabt, dass ich wirklich übe. Es war immer sehr spielerisch und ich habe von Anfang an einfach gespielt und immer viel ausprobiert und als Kind schon Lieder komponiert. Ich glaube, das war alles ein langer Prozess, der glücklicherweise ja auch nie aufhört. Generell würde ich aber sagen, dass ich schon ein sehr ehrgeiziger Mensch bin. Wenn ich ein bestimmtes Ziel habe oder konkret etwas für ein Konzert üben muss, dann lege ich auch problemlos unzählige Nachtschichten ein. Solche Herausforderungen machen mir unglaublich Spaß und bringen mich auch in die Situation, mich Stück für Stück weiterzuentwickeln.

Sie werden in Interviews immer wieder gefragt, wie Sie die Rolle der Frau in der Rockmusik sehen. Ist nicht gerade diese Herangehensweise das Problem? Ich meine, es ist doch wirklich normal, dass es musikalische Powerfrauen gibt, oder?

Charly Klauser: Haha, sehr gut formuliert. Ja genau, ich würde gerne in einer Welt leben, in der genau das einfach gar kein Thema mehr ist. In der es zu 100 Prozent egal ist, ob man ein weiblicher oder ein männlicher Musiker ist. Ich möchte auch kein Angebot bekommen, in einer Band zu spielen, damit ich die Frauenquote anhebe, sondern eher, weil die mich als Menschen oder wegen meines Sounds dabeihaben wollen. Ich glaube aber auch, dass man aktuell diese Gespräche und ein hartnäckiges Darauf-aufmerksam-machen braucht, damit es auch wirklich jeder mitbekommt und verinnerlicht. Und es wäre einfach so wünschenswert, wenn jeder Mensch kurz darüber nachdenkt und zu dem Schluss kommt, dass es einfach keinen Grund gibt, warum Mädchen nicht Schlagzeug spielen und Frauen keine erfolgreichen Produzentinnen sein könnten.

Dazu noch eine kurze Story: Letzte Woche habe ich bei Jupiter Jones als Ersatz-Frau zwei Shows am Schlagzeug gespielt. Neben mir gab es noch eine weibliche Bassistin. Bei allen Beteiligten – Band, Crew, Veranstalter – hatte ich wirklich das Gefühl, komplett ernst genommen zu werden, und es fiel kein einziges Mal ein Spruch wie: "Oh, das ist aber cool eine 'weibliche' Schlagzeugerin dabei zu haben." Irgendwie hat es mich sehr gefreut, das ausnahmsweise einmal nicht hören zu müssen, sondern dass es von allen als völlig selbstverständlich aufgenommen wurde.

"Mehr" ist ein erstaunliches Debütalbum, denn Sie klingen darauf sehr reif und sprudeln quasi über vor Ideen und Energie. Da ist wenig von Zurückhaltung und einem "Herantasten" zu spüren. Wie haben Sie es geschafft, direkt so reif zu klingen?

Charly Klauser: Oh wow, erst einmal vielen Dank! Also einmal ist es nicht das erste Album, an dem ich mitwirke oder das ich auch mitproduziert habe. Und auch wenn ich wegen anderer Projekte und Tourneen mit anderen Künstlern über so viele Jahre nicht dazu kam, an einem eigenen Album zu arbeiten, konnte ich da unglaublich viel Erfahrung sammeln. Sehen, wie andere es machen – und wie ich es vielleicht auch anders machen würde. Meine eigenen Songs und Soundvorstellungen schlummern schon so unfassbar lange in mir. Und als ich dann anfing, an den Aufnahmen für mein Album zu arbeiten, merkte ich immer wieder selbst, wie stark meine Vision ist, wie ich klingen möchte. Und es hat sich einfach alles sehr richtig angefühlt.

Das Album ist sehr vielschichtig, Musik und Texte spannen einen Bogen aus Optimismus, Melancholie und einer Suche nach Heimat, Liebe und dem eigenen Ich. Was sind für Sie die Themen des Albums?

Charly Klauser: In dem Moment, in dem ich entschied, dieses Album komplett auf Deutsch zu schreiben, war es mir unfassbar wichtig, meine Lebensphilosophie, meinen Optimismus, aber auch meine Ängste und Unsicherheiten komplett mit einfließen zu lassen. Deutsche Texte springen einem manchmal so ins Gesicht, dass es umso wichtiger ist, etwas auszusagen. Jeder Song für sich hat eine eigene Message und Geschichte. Meine Wurzeln – mein Zuhause und meine Familie – sind gewissermaßen der liebevolle Ausgangspunkt, um voller Optimismus und Lebensfreude in diese komplizierte Welt hinauszugehen, auf der es so viele Stolpersteine gibt. Genau auf diesem Weg befinde ich mich und die Texte handeln davon. Der Song „Was In Aller Welt“ geht noch darüber hinaus, hat eine eindeutige Haltung gegenüber den Weltgeschehnissen und zeigt ganz klar meine Liebe zu diesem Planeten, auf dem wir leben dürfen.

Ist die Interpretation richtig, dass dieses "Mehr", der Titel des Albums, Ihre aufgestaute Energie symbolisiert und die Lust, alle Eindrücke aus Ihrem breiten künstlerischen Schaffen nun für sich und Ihre Fans zu kanalisieren?

Charly Klauser: Ja, definitiv. Ich liebe einfach jede Facette und Möglichkeit, die das Leben so hergibt. Ich würde am liebsten in 100 Bands mit verschiedenen Musikstilen auf verschiedenen Instrumenten spielen, auf 100 Hochzeiten tanzen, mit fast jedem Menschen auf der Welt befreundet sein, jeden Ort sehen und nie schlafen. Oft liege ich im Bett, kann nicht einschlafen und habe irgendwie den Gedanken, dass ich "Mehr" von meinem Leben will und der Tag mir nicht ausreicht. Was dieses „Mehr“ ist, ist eine sehr spannende Frage, die sich durch mein ganzes Album zieht.

Wie sieht Ihre weitere Planung nun aus? Sind Liveauftritte geplant?

Charly Klauser: Ich haben noch einige musikalische Überraschungen und Videos in petto, die ich gerne den Sommer und Herbst über veröffentlichen möchte. Tatsächlich auch ein sehr verrücktes Projekt, bei dem ich in einem Video "Live" mein ganzes Album auf allen Instrumenten spiele. Viel mehr mag ich aber hier noch nicht verraten. Ansonsten ist in der Konzert-Branche nach den vergangenen zwei Jahren viel in Bewegung. Ich habe aktuell keine Tour zum Album im Kalender stehen, aber es entstehen fast täglich neue Pläne. Daher kann ich bei Interesse nur raten, mir auf den Sozialen Medien, bei Instagram oder Facebook, zu folgen, um anstehende Konzerte mitzubekommen.

Ihren Mentor Peter Maffay, den Sie in den Danksagungen des Albums explizit erwähnen, haben Sie in unserem "Hallo!"-Podcast gefragt, wie er sich als junger Mann vorgestellt hat, mit 70 zu sein. Er antwortete darauf, dass er sich als junger Musiker einfach in die Musik gestürzt hätte, ohne groß nachzudenken. Wenn Sie die Gegenwart bewerten: Glauben Sie, dass es heute einfacher ist, erfolgreich zu werden als damals, als Maffay angefangen hat?

Charly Klauser: Genau, ich habe ihm damals diese Frage gestellt, weil der erste Song auf meinem Album "Wenn Wir Wüssten" heißt. Und der geht genau darum, dass ich mir gerne mit Entscheidungen heute helfen will, in dem ich mich in die Zukunft versetze und überlege, was ich dann über mein aktuelles Leben erzählen will. Irgendwie fand ich es spannend, mit jemandem darüber zu sprechen, der mir 40 Jahre voraus ist. Bezüglich des Musikbusiness aber glaube ich, dass jedes Zeitalter seine Vor- und Nachteile hat. Klar, aktuell könnte man einfach ein Video auf YouTube stellen, das absolut viral geht, und damit hätte man den Start für eine krasse Karriere. Auf der anderen Seite gibt es aktuell super viel Musik und viele Videos, sodass manchmal auch verdammt gute Künstler einfach nicht gesehen werden. Meiner Meinung nach setzt sich aber Qualität und Authentizität immer durch, egal ob man vor 40 Jahren zu einem Plattenlabel gegangen ist oder sich jetzt vor den Kölner Dom stellt oder bei Social Media versucht, sich einen Namen zu machen.

Sie erwähnen zudem in dem Podcast, dass Maffay und sein Arbeitsethos für Sie vorbildlich sind. Was schätzen Sie besonders an ihm?

Charly Klauser: Ich finde ihn unglaublich korrekt als Mensch und als Chef dieser Band. Er ist sehr zielstrebig, diszipliniert und fordert das auch von seinen Kollegen. Somit haben wir immer sehr intensive, kräftezehrende Probephasen, fühlen uns aber bei den Konzerten auch sehr sicher in dem, was wir tun. Und wenn mal ein Problem auftauchen sollte, hat er immer ein Ohr und wird sehr ehrliches Feedback geben. Diese Mischung aus "Arbeiten wie eine Maschine" und dabei nett und fair bleiben, finde ich einfach beachtlich und vorbildlich.

Wie hat Ihre Zusammenarbeit mit ihm begonnen und wie baut man sich als Musikerin dieses Netzwerk auf?

Charly Klauser: Das ist eine lange Geschichte. Die Kurzversion: Als ich zwölf Jahre alt war, gründete ich zusammen mit meiner älteren Schwester Johanna unsere Mädels-Rockband "The Black Sheep", mit der wir recht früh viel auf Tour waren und mit einem amerikanischen Label ein Album veröffentlichten. Dieses Album produzierte Peter Keller, der Gitarrist von Peter Maffay. Damals suchte Peter nach einer Sängerin für seine Tabaluga-Tour. Und so sang und spielte ich zwei witzige Charaktere auf dieser Tour: Die Schnecke und die Eintagsfliege. Damit begann dann nun vor elf Jahren unsere Zusammenarbeit.

Welche Vorbilder haben Sie noch?

Charly Klauser: Ich liebe Künstler, die einen hohen Output haben, vielseitig sind und absolut ihr Ding machen. Dazu gehört für mich Chris Martin von Coldplay, Dave Grohl von den Foo Fighters und vor allem der Multi-Instrumentalist Jacob Collier. Er ist für mich eine starke Inspiration, dass alles möglich ist und es sich lohnt, für seine verrückten Träume zu kämpfen. Genau das ist letztendlich auch die Message meines Albums, und ich habe die Hoffnung, den Hörern Mut zu machen, ihren eigenen Weg zu gehen und auf ihr Bauchgefühl zu hören.

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