19.02.2024 Regisseur im Interview

"In her Car": Bilder aus dem Krieg

Von Danina Esau

Zum zweiten Jahrestag des Ukrainekriegs zeigt ZDFneo die Dramaserie „In her Car“, in der eine Ukrainerin mit ihrem Auto Zivilisten in Sicherheit bringt. Gedreht wurde in Kiew und Umgebung. Produzent Andreas Bareiss erzählt im prisma-Interview, wie der Konflikt die Dreharbeiten beeinflusst hat.

In der Kriegsdramaserie „In her Car“ geht es um die Ukrainerin Lydia, die in ihrem Auto Zivilisten in Sicherheit bringt. Was hat die Handlung inspiriert?

Die Geschichten der Fahrgäste sind inspiriert von wahren Begebenheiten. In den Tagen, Wochen und Monaten nach dem russischen Angriff haben zahlreiche Ukrainerinnen und Ukrainer ihre Privatautos zur Verfügung gestellt und sich als Fahrer engagiert, um Zivilisten aus beschossenen Gebieten in Sicherheit zu bringen. Die Schicksale stammen aus der Umgebung des Autors und Showrunners der Serie, Eugen Tunick. Er lebt in Kiew und hat aus Zeitungsartikeln, Social-Media-Posts und Schilderungen seiner Freunde eine fiktionale Serie gemacht.

Entstanden ist die Serie in Kiew und Umgebung. Wurden die Dreharbeiten von dem Krieg beeinflusst?

Zum Glück konnten die 45 Drehtage ohne erhebliche Zwischenfälle abgeschlossen werden. Kiew ist zwar unter Beschuss, aber dank besonderer Raketenabwehr im Vergleich zu vielen anderen Orten in der Ukraine eine halbwegs gut geschützte Stadt. Trotzdem war der Krieg allgegenwärtig. Die Dreharbeiten mussten immer wieder wegen Raketenalarm unterbrochen werden und die Crew musste sich in Sicherheit bringen. Videokonferenzen wurden teilweise im Dunkeln abgehalten, weil sie vor Ort kein Licht anmachten durften. Und ich erinnere mich an mehr als nur eine WhatsApp-Nachricht unseres Showrunners Eugen, in der er mitteilte, dass er eine Frist nicht einhalten könne, weil die Umstände vor Ort einfach zu herausfordernd sind. Auch wenn der Ablauf der Produktion eng getaktet war – die Sicherheit unserer Schauspieler und des Teams hatte oberste Priorität.

Die Serie ist auch besonders, weil sie in Koproduktion mit öffentlich-rechtlichen Sendern in ganz Europa entstanden ist.

„In her Car“ wird in Frankreich, Dänemark, Norwegen, Finnland, Island, Schweden, der Schweiz und in der Ukraine gezeigt, insgesamt sind neun Sender beteiligt. Dass wir in so kurzer Zeit so viele starke Partner gefunden haben, ist wirklich besonders. Vor allem bei großen Sendern mahlen die Mühlen mitunter etwas langsam. Offenbar waren sie vom Serienkonzept und der Wichtigkeit der Serie genauso überzeugt wie wir bei der Produktionsfirma Gaumont.

Wie sind Sie an die Serie gekommen?

Im Sommer 2022 saß ich in der Jury eines Serienkonzept-Wettbewerbs. Dort hat Eugen Tunick, ein sehr einnehmender, charismatischer, junger Filmemacher aus der Ukraine, „In her Car“ vorgestellt. In Wettbewerben ist es oft schwer, sich fertige Serien vorzustellen. Bei Eugen war es nicht so. Das Konzept war von Anfang an klar, seine Vision genaustens auf den Punkt gebracht. Alle Jurymitglieder wollten „In her Car“ umsetzen, und ich freue mich, dass wir uns letzten Endes durchsetzen konnten. Als Produzenten sind wir immer auf der Suche nach relevanten Stoffen, die etwas zu sagen haben.

Die Berichterstattung über den Ukraine-Krieg ist in den vergangenen Monaten stark in den Hintergrund gerückt. Gibt „In her Car“ den Zuschauern einen anderen Zugang zu dem Konflikt?

Das hoffe ich jedenfalls. Man isst abends seine Stulle und sieht parallel zerbombte Häuser im Fernsehen, das ist mittlerweile normal, wir sind abgehärtet. Mit der Serie möchten wir Menschen, die unmittelbar vom Krieg betroffen sind, ein Forum geben – abseits schnelllebiger Nachrichtenberichterstattung. Wir erzählen aber keine Kriegsgeschichte, auch wenn der Krieg immer mitschwingt. Der Fokus liegt auf den Menschen und ihren persönlichen Schicksalen. Da geht es um Erbstreitereien, Seitensprünge in der Ehe, Homosexualität, lauter Dinge, die zutiefst menschlich sind. Die Serie spielt zwar der Ukraine, gleichzeitig ist es eine universelle Geschichte von Menschen im Krieg und darüber, was er mit ihnen macht. Aber: Es ist und bleibt eine fiktionale Serie. Ich habe aber gemerkt, dass Fiktion einer bestimmten Ebene der Wahrheit manchmal näherkommen kann, als Dokus oder Reportagen. Wesentlich für uns war Authentizität. Alles ist doppelt und dreifach recherchiert. Auch bei der Besetzung haben wir darauf geachtet, unsere Hauptdarstellerin Anastasia Karpenko stammt aus der Ukraine. Farbgebung und Tonalität sind zurückhaltend, wir möchten nicht durch überzeichnete Bilder und Musik dramatisieren, sonst rückt die Thematik in eine Distanz. Alles soll greifbar bleiben und berühren.

Was ist Ihrer Meinung nach die größte Stärke der Serie?

In zehn Episoden verliert sie nicht ein einziges Mal den menschlichen Blick, nicht ein einziges Mal den Blick für das Gute, für die Hoffnung. Seit zwei Jahren leben die Menschen in der Ukraine in Angst, Stress und Verzweiflung. Die Serie hätte schnell in ein vereinfachtes Gut gegen Böse, in Rache oder Propaganda abrutschen können, doch das Gegenteil ist passiert. Das hat mich sehr beeindruckt und ich bin stolz auf das Ergebnis. „In her Car“ ist nicht nur gut gemeint, sondern so gut, dass sie es mit jeder internationalen Serie aufnehmen kann.

Gibt es denn Pläne, „In her Car“ auch außerhalb von Europa auszustrahlen?

Wir führen zurzeit Gespräche. Die Serie wird definitiv auch außerhalb von Europa zu sehen sein, so viel kann ich schon sagen.

Zum zweiten Jahrestag des Ukraine-Kriegs wird die Kriegsdramaserie „In her Car“ ist ab dem 21. Februar in der ZDFmediathek zu sehen sein und ab dem 27. Februar um 23.05 Uhr auf ZDFneo.

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