02.06.2020 Comedian

Ingo Appelt

Ingo Appelts neues Programm heißt "Der Staatstrainer".
Ingo Appelts neues Programm heißt "Der Staatstrainer". Fotoquelle: Ava Elderwood

Ingo Appelt ist zurzeit als Staatstrainer unterwegs, damit Deutschland wenigstens in Sachen Sozialkompetenz in Zukunft mal wieder einen Titel einfährt. Wir fingen ihn im Trainingslager kurz ab und holten Auskünfte zum neuen Programm, den Leiden von Künstlern in der Isolation und der politischen Gemengelage in Deutschland ein. Erwartungsgemäß teilte der langjährige Genosse dabei nicht nur in Richtung Unionsparteien ordentlich aus, sondern ging auch mit "seiner" SPD gewohnt gnadenlos ins Gericht.

Herr Appelt, Ihr Motto: "Alles scheiße, Laune super" passt hervorragend in die aktuelle Zeit, oder?

Auf jeden Fall. Es gibt ja sogar Wut-Räume für besonders Frustrierte. Da kann man dann reingehen und etwas kaputtmachen.

Machen ja viele aktuell auch zu Hause...

Ja, deshalb bin ich auch froh, dass ich alleinerziehend bin und die Kinder bei der Mama leben (lacht).

Trotzdem müssen Sie als Comedian ja beruflich auch mal unter Leute. Aktuell nicht ganz einfach, wenn die einzige Auftrittsmöglichkeit ein Autokino ist. Wie bringt man Blechlawinen zum Lachen?

Ich habe schon fünf Auftritte vor Parkplätzen gespielt. Das fühlt sich ähnlich an wie bei Disney's "Cars". Im Ernst – die Autos hupen ja tatsächlich. Zudem gibt es mittlerweile Applaus-Apps für Handys. Das wird auf die Bühne übertragen und hat schon was. Man müsste darüber eigentlich mal eine Doku machen. Bei diesem Format ist ja alles möglich – auch die verrücktesten Sachen. In Baden-Baden konnten sich die Leute beispielsweise Spargel-Snacks ans Auto liefern lassen. Dazu wurde der Spargel in kleine Stückchen geschnitten, die Hollandaise drauf, die Kartöffelchen drüber, alles in eine Pappschachtel – und los geht's. Großartig! In anderen Autokinos gibt‘s noch nicht mal ein Klo, geschweige denn einen Backstage-Bereich. Da springt man aus dem Auto direkt auf die Bühne. Aber es sind Möglichkeiten da, um aufzutreten – und das zählt. Früher hat man gesagt, die Deutschen gehen zum Lachen in den Keller – jetzt gehen sie halt ins Autokino.

Noch schwieriger wird es bei Artists against Corona, wo gar kein Publikum im Saal ist, sondern der Auftritt per Stream den Zuschauer erreicht. Wie durchbricht man diese Stille?

Ich bin jemand, der einfach laufen lässt und drauflossabbelt. Natürlich bremst einen das fehlende Publikum etwas, da man sich vorstellen muss, dass ein Drittel der Spielzeit normalerweise für Applaus und Publikumsreaktionen draufgeht. Beim ersten Mal habe ich gedacht, ich sei schon eine halbe Stunde dran, dabei waren erst elf Minuten vergangen. Aber es macht Spaß, weil wir mit tollen Leuten zusammenarbeiten und ja auch jeder Künstler seine ganz eigene Herangehensweise hat. Das ist echt interessant und für den Zuschauer wahnsinnig unterhaltsam.

Zudem kann man ja froh sein, dass es für Künstler überhaupt noch Möglichkeiten gibt, um vor Publikum zu spielen.

Ganz ehrlich: Würde es bis nächstes Jahr so weitergehen, wird es auch bei mir eng. Bei mir laufen ja alle Kosten weiter. Auch meine Mitarbeiter muss ich bezahlen – das ist schon eine Herausforderung. Kurzarbeitergeld kann ich nicht beantragen. Daher bin ich froh, dass die Kommunen Geld in die Hand nehmen, um zumindest Alternativen wie Autokinos zu schaffen. Kultur ist schon immer ein Stiefkind des politischen Betriebs gewesen und das erste, was in harten Zeiten heruntergefahren wird. Viele Kleintheater und Künstler haben es aktuell extrem schwer. Die Politik tut sich schwer damit, das abzufedern. Echte Alternativen oder Homeoffice kommen für mich auch schlecht infrage. Das, was ich normalerweise mache – vor 500 Leuten auf engstem Raum zu spielen, das ist für das Virus so ziemlich die beste Gelegenheit, um sich zu verbreiten. Mein Vater fragte neulich, wann ich wieder auf der Bühne stehen würde. Daraufhin konnte ich nur sagen: Die Prostituierten und ich – wir dürfen als allerletzte wieder arbeiten gehen.

Ein Punkt, den Sie auch in Ihre politische Agenda aufnehmen können. Apropos: Wie wird man eigentlich zum Volks-Ingo?

Da ist der Wunsch Vater des Gedankens. Ich würde gerne als Bundespräsident für Staatsbelange in Bezug auf Humor in der breiten Bevölkerung wirken. Die Zeit dafür ist reif, denn die Leute hören den Politikern ja wieder zu, wie mir scheint. Auf einmal ist Markus Söder beispielsweise der beliebteste Politiker, weil er der härteste ist – interessant. Ich habe ja acht Jahre als politischer Jugendbildungsreferent gearbeitet. Daher kommt wohl dieser Drang, die Leute politisch aufzuklären.

Welche perfekte Mannschaft soll denn nach dem Staatstraining entstanden sein?

Hauptsache, es wird gelacht. Das ist mein Auftrag – aus Wut und Frustration gute Laune zu produzieren. Damit würde ich gerne meine Systemrelevanz in den Vordergrund stellen. Im Auftrag von Frank-Walter Steinmeier. Immerhin sind wir in derselben Partei.

Was denkt man als langjähriges SPD-Mitglied, wenn man die aktuell traumhaften Umfragewerte der CDU sieht?

Das ist doch immer so. Wenn Olaf Scholz die Milliarden für die Bürgerinnen und Bürger raushaut, sieht das keiner. Die SPD macht und profitieren tut immer die CDU. Wenn die SPD heute ein Zäpfchen gegen Corona erfinden würde, dann würden es die Leute kaufen und sagen: Danke, Angela Merkel!

Vor zwei Jahren haben Sie noch auf die nächste Kanzlerin gesetzt – aus CDU oder SPD. Nun sieht es danach aus, als werde die K-Frage unter zwei typischen CDU-Platzhirschen ausgemacht.

Wenn man immer alles anderen überlässt, dann kann man nicht mitmischen. Nur ein Prozent der Menschen ist in einer Partei, aber alle wollen mitreden. Das ist wie in einem Kindergarten mit 100 Eltern, wenn du sagst: Am Wochenende müssen wir mal den Spielplatz renovieren. Dann kommen zwar alle 100, aber nur zwei arbeiten, während der Rest rumsteht und sagt: "Nach links, nach oben, nimm doch den Hammer, du Idiot." So läuft auch Politik – alle reden mit, aber keiner macht was. Und die SPD hat natürlich auch das grundsätzliche Problem, dass es ihre Klientel nicht mehr gibt. Willy Brandt hat immer gesagt: Sozialismus und Alkoholismus – zwei Grundelemente zur Gestaltung einer modernen Gesellschaft. Und was ist passiert? Unser letzter Kanzlerkandidat war ein trockener Alkoholiker und Andrea Nahles – na ja. Es ist schwierig. Jetzt haben wir Esken und No-Wa-Bo – das sieht doch auch eher nach Sterbehilfe aus. Walter-Borjans wirkt wie der Pfarrer bei der letzten Ölung, und bei Frau Esken denkt man doch auch, dass sie die Giftspritze dabei hat.

Interessante Einschätzung. Gab es eigentlich Punkte in Ihrem Leben, an denen Sie feststellen mussten, dass es ein Fettnapf zu viel gewesen ist?

Humor hat eine wichtige Funktion. Wir Menschen sind albern, schnell beleidigt und Klugscheißer bis der Arzt kommt. Wir lieben Verschwörungstheorien wie zum Beispiel die, dass Angela Merkel die Rentner mit Corona ausrotten will, damit Platz für Flüchtlinge ist. So sind die Menschen drauf. Daher ist mein Job dieses humoristische Widersprechen – ich stelle alles augenzwinkernd infrage, weil ich glaube, dass in Deutschland immer noch Meinungsfreiheit herrscht. Man darf alles sagen, muss es nur gut und lustig verpacken können. Zu Beginn meiner Karriere bei Samstagnacht war das mein Auftrag. Hugo-Egon Balder wollte seinerzeit einen echten Bad Guy und hat gesagt: Das, was du machst, müssen wir ins Fernsehen holen. Dabei bin ich eigentlich eher der liebe und schüchterne Typ, der nie die tollen Frauen bekommen hat, weil die eben immer auf die Arschlöcher standen. Vielleicht kompensiere ich das damit ein wenig.