30.10.2023 Interview mit Ronja von Rönne

„Viele glauben, Glück lasse sich erarbeiten“

Von Danina Esau
Sind wir glücklicher, wenn wir gesund leben? Oder ist es genau umgekehrt: Macht Glücklichsein gesund?
Sind wir glücklicher, wenn wir gesund leben? Oder ist es genau umgekehrt: Macht Glücklichsein gesund? Fotoquelle: Weltrecorder Story

Im neuen Arte-Format „Unhappy“ macht sich Schriftstellerin Ronja von Rönne auf die Suche nach dem Glück. Ein Thema, mit dem sie sich aufgrund ihrer Depression viel auseinandersetzt. Im prisma-Interview spricht sie über ihr schweres letztes Jahr, ihre persönliche Glücksformel und ihre Oma.

In der Arte-Serie „Unhappy“ triffst du auf viele verschiedene Menschen. Was hat dich am meisten beeindruckt?

Ronja von Rönne: Was ich am meisten an diesem Format liebe, ist, wie unfassbar unterschiedlich die Menschen sind, auf die ich treffe – vom gefragten Modefotografen bis zum alten Einsiedler, der im Wald wohnt. Dass sie alle in so unterschiedlichen Lebensentwürfen ihr Glück gefunden haben, fasziniert mich. Der Poker-Weltmeister hat eine andere Lebensrealität als die Klosterschwester. Aber beide wissen: Sie haben für sich den richtigen Weg gefunden.

Du gehst sehr offen mit deiner Depression um. Hast du das Gefühl, dass du härter für dein Glück arbeiten musst?

Ronja von Rönne: Manchmal. Aber es gibt auch die Kehrseite: Die Depression ist ein Zeiträuber. Sie klaut Wochen, Tage, manchmal Jahre. Umso mehr bemühe ich mich um das Glück, wenn es mir gut geht. Ich will all die Tiere streicheln, mit all meinen Freunden feiern, ich will leben, leben, leben. Und da ich um das Dunkle weiß, das wie eine schwarze Wolke immer über mir lauert, bin ich im Gegenzug extrem glücklich, wenn es mir gut geht. Ich liebe und lebe, so viel ich nur kann.

Was hilft dir beim Glücklichsein?

Ronja von Rönne: Mein letztes Jahr war sehr hart. Mein bester Freund wurde schwer krank, ich ging durch eine Trennung. In dem Jahr bin ich erwachsen geworden und habe gelernt: Das wichtigste auf der Welt sind meine sozialen Beziehungen. Gerade weil ich sonst immer so auf meine Unabhängigkeit konzentriert bin, hat es mich überrascht und irre glücklich gemacht zu sehen, wie sanft ich gelandet bin.

Kannst du dich noch an den Moment erinnern, als du dich zum ersten Mal gefragt hast, ob du glücklich bist?

Ronja von Rönne: Das erste Mal wahrscheinlich nicht, aber ich stelle mir die Frage sehr regelmäßig. Ein Tag vor Silvester resümiere ich seit Jahren schriftlich über das vergangene Jahr: Was war gut? Was hat mich überrascht? Was hat mich demütig und dankbar gemacht? Und: Was war der größte Faktor für Glücklich sein – und auch für mein Unglücklichsein?

Welchen Ansatz findest du problematisch, wenn es ums Glücklichsein geht?

Ronja von Rönne: Das Thema Selbstoptimierung, also die Idee, man müsse nur fitter, klüger oder schöner sein, um Glück zu erreichen. Das Glück ist ein unzuverlässiger Zeitgenosse, joggen und meditieren ist sicher keine schlechte Idee, aber die Erwartungshaltung „das hat mich jetzt glücklich zu machen“ ist gefährlich.

Die Glücksforschung wird immer populärer, auch in Deutschland. Welche Haltung haben Deutsche zum Glück?

Ronja von Rönne: Hier hält sich fest der Glaube, Glück lasse sich erarbeiten. Das mag zum Teil stimmen. Aber oft ist Glück auch der Moment, etwa wenn man die erste Kastanie des Jahres findet. Oder ein ganz normales Abendessen bei Oma, bei dem man plötzlich realisiert, wie sehr man diesen Menschen liebt. Oft ist Glück Zufall. Was wir lernen können: Jene Zufälle schätzen zu lernen. Wo das Glück sicher nicht lebt: Im Vergleich.

Was ist Glück für dich?

Ronja von Rönne: Manchmal ein Zufall. Manchmal ein kleiner Dackel. Oft Familie und Freunde. Zuweilen Erfolg. Manchmal ein besonders weicher Pulli und immer das Wissen darum, wie wertvoll diese Momente sind. Und natürlich schätze ich als junger Mensch meine Gesundheit viel zu wenig.

Die Serie „Unhappy – Die Zeit deines Lebens“ ist ab sofort in der Arte-Mediathek zu sehen.

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