27.05.2024 Musiker im Interview mit prisma

Jack McBannon: „Genau für so etwas bin ich Künstler geworden“

Von Felix Förster
Jack McBannon auf der Veranda der Cash Cabin.
Jack McBannon auf der Veranda der Cash Cabin. Fotoquelle: Jack McBannon

Der Wuppertaler Jack McBannon hat sein neues Album „Tennessee“ unter der Leitung von Johnny Cashs Sohn John Carter Cash in der legendären Cash Cabin aufgenommen. prisma hat mit ihm über seinen wahr gewordenen Traum gesprochen.

prisma: Jack McBannon, der Name klingt nicht wie der Junge aus Haan, der jetzt in Wuppertal lebt. Wenn man dann Dein neues Album „Tennessee“ hört, ist man erstaunt, dass man in Deiner Vita liest, dass du überhaupt kein Amerikaner bist, sondern ein Bergischer Jung. Das ist übrigens als Kompliment gemeint…

Jack McBannon (lacht): Ja, danke Dir.​

prisma: Du hast das neue Album im legendären Cash Cabin Studio mit Johnny Cashs Sohn John Carter Cash aufgenommen. Besser kann es kaum noch kommen, oder?

Jack McBannon: Nein, definitiv nicht (lacht). Mein 2021er Album „True Stories“ hatte ich 2020 komplett selbst eingespielt und während dieser Zeit viel über die Cash Cabin gelesen. Es gibt da diesen Bildband über das Studio, und in meinem Kopf war es während der Aufnahmen immer präsent. Als das Album dann fertig war, habe ich John ins Blaue hinein einfach das Video zu meinem Song „An Outlaw’s Inner Fight“ geschickt. Und dann kam zu meiner Überraschung einen Tag später seine Antwort, dass er es genial findet, und dass die Story dahinter grandios ist. Wir haben dann hin und her geschrieben, und er hat mich gebeten, ihm doch mal was Unveröffentlichtes zu schicken. Da habe ich ihm dann ein paar Demos geschickt. Dann rief er an, ich erinnere mich noch genau, ich stand bei Penny an der Kasse, und sagte mir: Du, lass uns doch ein Album bei mir hier in Tennessee machen.

prisma: Damals waren aber noch die Corona-Beschränkungen gültig, oder? Da konntest Du nicht direkt los.

Jack McBannon: Deshalb kam ich nicht so leicht in die Staaten, so haben wir uns erst einmal per Zoom unterhalten, und ich habe ihm immer mehr Songs geschickt, am Ende die elf, die jetzt auch auf dem Album sind. Dann konnte ich irgendwann wieder reisen und bin hinübergeflogen.

prisma: Du hast Dich dann bei Deinem neuen Album, das passenderweise ja auch „Tennessee“ heißt, komplett in seine Hände begeben, er hat sogar die Musiker organisiert.

Jack McBannon: Und was für welche! Er hat einen Pool aus Musikern der Nashville-Szene, mit denen er zusammenarbeitet, wie beispielsweise Kenny Vaughan an der Gitarre. John haben meine Demos und Songideen so gut gefallen, dass er mich nach Hendersonville in Tennessee eingeladen und die ganze Band organisiert hat. Er hat von vornherein gefragt, ob ich ein Label habe – was ich zu dem Zeitpunkt nicht hatte. Er ist dann mit seinem Budget und der Gage, die er nimmt, wahnsinnig runtergegangen und hat mir da einiges erlassen. Einfach, weil er selbst wollte, dass das Album funktioniert.

prisma: Ein Idealist...

Jack McBannon: Absolut, denn zusätzlich ist es so, dass John eigentlich überhaupt keine unbekannten Künstler aufnimmt, sondern eher Legacy Acts wie Willie Nelson, Emmylou Harris, Elvis Costello oder Sheryl Crow. Aber er macht eben auch immer das, worauf er Bock hat. Und deswegen bin ich auch so dankbar, weil ich niemanden kenne, der da sonst aufgenommen hat. Also aus Deutschland.

prisma: Diese Geschichte spricht ja schon dafür, dass es sich lohnt, mutig zu sein.

Jack McBannon: Absolut, absolut. Genau für so etwas bin ich Künstler geworden. Ich bin seit spätestens 2014, also jetzt seit 10 Jahren ausschließlich hauptberuflicher Musiker. Dieses Träumen darf man nie aufgeben, dieses Ausprobieren, dieses Machen.

prisma: Du hast vorhin gesagt, dass du bei Deinem Album „True Stories“ die Cash-Cabin im Hinterkopf hattest. Woher kanntest Du die denn überhaupt? Bist Du Johnny Cash-Fan oder wie kam es dazu?​

Jack McBannon: Auf jeden Fall, vor allem von seinen späteren Alben, den American Recordings mit Rick Rubin. „Hurt“ und diese anderen, direkten, nahen Songs. Viele davon wurden ja auch in der Cash Cabin aufgenommen. Ich mag natürlich auch seine früheren Sachen wie „Ring Of Fire“ oder „Walk The Line“, aber die späten Alben haben mich noch mehr abgeholt.​

prisma: Mich persönlich auch. Die 70er-Jahre Country-Alben sind sicher vielen ein Begriff, aber die Geschichte mit den American Recordings hat ihn ja nochmal ganz nach vorne gebracht.​

Jack McBannon: Und ihm nochmal ein neues Publikum eröffnet. Mich hat diese Musik wirklich umgehauen, und so kam ich dazu, alles noch einmal nachzulesen. John Carter Cash war auf einigen der Alben Co-Producer neben Rick Rubin. Da ich auch Fotograf bin, hat mich aber auch diese ganze Optik der Cabin gepackt. Das habe ich John auch geschrieben, dass ich diesen Vibe der Cabin liebe. Und damals habe ich mir das ja nur vorstellen können, jetzt weiß ich, wie es wirklich ist. Das ist eben kein aufpoliertes, „shiny“ Studio, sondern irgendwie wirklich echt und total Old School. Das finde ich so cool daran.

prisma: Auf YouTube gibt es ja auch dieses Making-of-Video vom Album, da kommt sehr gut rüber, wie es dort aussieht.

Jack McBannon: Das ist eben alles echt da. Wir haben ja auch das alte Wurlitzer benutzt, die ganzen alten Instrumente und Mikros. Ich habe die meisten Songs auf einer Akustikgitarre von Johnny Cash aus den 30ern gespielt, das ist noch das Original von ihm. Also so gut wie jeder Gitarrenpart von mir auf den Songs ist mit dieser alten Martin von Johnny Cash gespielt. Das hat ein ganz besonderes Feeling.​

prisma: Welche Ehre! Wie war das denn jetzt für Dich, als Du dort ankamst? Warst Du nervös, oder hast Du gesagt: Komm‘, ich lasse mich jetzt einfach darauf ein? Wie stellt man sich das vor, wenn man da ankommt?​

Jack McBannon: Die Nervosität war irgendwie schon da, aber das Gute war, ich kam Donnerstag an, und die Aufnahmen waren erst für Montag geplant. Ich bin ganz spät gelandet, nach 20 Stunden Rundreise über New York, runter nach Tennessee. Er hat mich dann abgeholt, das war dann schon abends, und hat gefragt, ob ich mir die Cash Cabin direkt anschauen möchte. Und so sind wir dann direkt in der Nacht da rein, und ich konnte mir erst einmal alles ganz entspannt anschauen. Dann haben wir einen Whisky getrunken in der Cash Cabin und ich konnte ankommen.

prisma: Das hat Dich erst einmal ein bisschen runtergeholt.

Jack McBannon: Ja genau, das war ein Ankommen, und deswegen war die Nervosität dann bei den Recordings selbst nicht mehr ganz so schlimm. Ich hatte ja vorher vier Tage Zeit, mich zu akklimatisieren. Am nächsten Tag sind wir dann erstmal zu Jack Daniels gefahren (lacht), und so bin ich in Tennessee angekommen. Das war gut so. Ich glaube, wenn ich jetzt angekommen wäre und am nächsten Tag direkt die Band vor mir gestanden hätte, dann wäre die Nervosität sehr viel größer gewesen.

​prisma: Du sagtest auch in dem Video, dass alle Menschen dort sehr gastfreundlich waren, und Du Dich in den Staat verliebt hast. Ist das Album so gesehen eine Liebeserklärung an Tennessee?​

Jack McBannon: Die erste Single heißt ja auch so. Dass ich das Album dann aber so nenne, hat definitiv mit den Menschen zu tun, die ich dort kennengelernt habe. Ich kannte die USA auch vorher schon ein wenig, aber eher die Küstenregionen, die Ostküste und die Metropolen und all so was. Das war das erste Mal, dass ich ein bisschen im Inneren war, im „echten Amerika“.

prisma: Das ist ja auch etwas komplett anderes.​

Jack McBannon: Deshalb kann man das durchaus, wie Du sagst, als eine Liebeserklärung bezeichnen. Dieser Start dort, diese ganze Gegend hat mich wirklich abgeholt. Deswegen war ich vergangenes Jahr auch nochmal länger da und werde auch in diesem Jahr wieder hinfliegen.

prisma: Wie war die Arbeit selbst in der Cabin? Wurden die Songs live aufgenommen oder Overdubs gemacht? Wie habt Ihr gearbeitet?​

Jack McBannon: John und der Engineer Trey Call waren ja außer mir die einzigen, die die Songs kannten. Die Band kam dann am Montag hinzu, und wir sind dann Song für Song durchgegangen. Ich habe der Band meine Songs auf der Akustikgitarre vorgespielt, sie haben mitgeschrieben, und dann haben wir sie einzeln aufgenommen.

prisma: Vollprofis…

Jack McBannon: Ja, absolut. Die wussten vorher auch nicht, was passiert und wie die Songs klingen. Dementsprechend sind wir reingegangen und haben immer jeweils den nächsten Song aufgenommen. Manchmal zwei, drei Takes und manchmal, so wie bei der nächsten Single „Turnaround“, den haben wir genau einmal aufgenommen. Da haben wir sofort gesagt, ja, magic happens.​

prisma: Das spricht wieder dafür, dass sich Spontaneität in der Musik häufig auszahlt. Dass man es nicht übertreiben sollte.

Jack McBannon: Aber das musste ich auch lernen. Bei dem Album davor, das ich selbst aufgenommen hatte, gab es immer die Möglichkeit, etwas zu ändern: Da noch eine Änderung, hier noch eine Änderung. So war man natürlich nie fertig, und es zog sich alles in die Länge. Bei „Tennessee“ hatten wir nur eine Woche Zeit, da bist du automatisch schneller. Dann hast du den Moment erwischt und festgehalten, und dann ist das auch gut. Und da muss man auch nicht mehr krampfhaft irgendetwas verändern. So wurden früher die Alben aufgenommen. Die waren auch nicht ein halbes Jahr lang im Studio.​ Die haben live aufgenommen, wie die Stones. Das hört man dann auch, wenn man die alten Alben auflegt. Da ist nicht immer alles perfekt im Takt.​

prisma: Und gerade das macht den Reiz aus. Es gibt ja so viele Musiker, die produzieren über, die frickeln hier noch was rein, da noch was, und das hört man dann irgendwann auch. Es kommt aber natürlich auch auf die Art der Musik an. Bei Deinem Album passt dieser rohe, spontane Klang.

Jack McBannon: Es kommt immer auf die Musikrichtung an. Bei uns gibt es keine künstlichen Klänge, das ist alles echt aufgenommen. Auch mein Duett mit John namens „The Only Rule“.

prisma: Der Song ist wirklich erstaunlich. Seine dunkle Stimme doppelt Deine quasi, ist wie ein dunkler Harmoniegesang. Erstaunlich, wenn man das hört. Ein echt guter Song.

Jack McBannon: Danke, bei dem Song haben wir direkt gesagt, den machen wir als Duett. Er singt bei drei Songs mit und spielt bei fast allen auch Gitarre, aber bei dem Song haben wir gesagt: Das machen wir so ganz „stripped down“, mit nur ganz wenigen Instrumenten und dann als Duett. Das war auch für mich etwas völlig Neues.

prisma: Im Making-Of-Video lobt er Dich ja auch in den höchsten Tönen. Ich meine, wenn man sich das jetzt vorstellt, aus seiner Sicht, da kommt einer aus Deutschland und der klingt trotzdem irgendwie authentisch, das muss ihm ja imponiert haben. Hat er Dir dahingehend mal Feedback gegeben? Wie haben die Musiker insgesamt so auf Dich reagiert? Wie war da Dein Eindruck?​

Jack McBannon: Das war sehr cool. Nimm mal jemanden wie Kenny Vaughn, den Lead-Gitarristen. Der wird ständig gebucht, auch von Riesen-Acts. Und der sagte mir hinterher, das ist ein geiles Album, das hat ihm richtig Spaß gemacht. Das sagt der halt nicht bei jedem, der nimmt eben viele Alben auf.​

prisma: Wie sind denn die Reaktionen Deiner Fans? Du hattest ja, bevor Du Dich 2020 in Jack McBannon umbenannt hast, schon eine Karriere als Willer.

Jack McBannon: Da bin ich auch sehr gespannt, weil ich ja noch nicht live mit dem Album unterwegs war. Das kommt ja jetzt erst. Ich spiele gerade ein bisschen weniger als sonst. Das hat aber auch persönliche Gründe, im letzten Jahr ist viel passiert. Deswegen war ich jetzt nicht so viel auf Tour wie sonst. Aber die Reaktionen waren bisher positiv.​ Die Reaktionen auf meinen Namenswechsel waren auch meist positiv. Die Sache war natürlich ein bisschen schwierig, weil das ja eine große Änderung war. ​

prisma: Dann kam auch noch Corona.

Jack McBannon: Genau, das heißt mein erstes Album unter dem neuen Namen konnte ich nicht vorstellen, da die ganze Tour abgesagt wurde. Dieser ganze Scheiß.

prisma: Das war auch für Musiker eine ganz, ganz üble Zeit.​

Jack McBannon: Absolut, auch wenn ich dankbar bin, dass es so etwas wie Hilfen gab. In den USA gab es das zum Beispiel nicht. Aber trotzdem wurde die Tour komplett abgesagt. Ich wäre auch mit Scott Stapp, dem Sänger von Creed, auf Tour gegangen. Das war eigentlich eine ganze Europa-Tour. Da hätte ich den Support gegeben. Wahnsinn. Aber das waren alles so Sachen, die dann nicht gingen.​

prisma: Eine Zeit zum Vergessen.

Jack McBannon: Das heißt, dieses Album „True Stories“, an dem ich gefühlte 100 Jahre gearbeitet habe, konnte ich nicht wirklich präsentieren. Als ich das dann präsentiert habe, war die Presse eher so lala. Daran hatte ich zu knacken. ​Und die Reaktionen im Internet kann man häufig nicht so genau fassen. Ich meine, ich habe ja keine zweieinhalb Millionen Follower. ​

prisma: Das ist auch etwas Abstraktes. Man weiß ja auch nicht wirklich, was da abgeht, wenn man nur ein paar Kommentare liest.​

Jack McBannon: Das ist eben so. Aber ich kriege schon mit, dass mir Fans erhalten bleiben und nach vielen Jahren immer noch weit für mich reisen. Es gibt Fans, die reisen 500 Kilometer für eine Show. Dafür bin ich sehr dankbar, das ist auch nicht selbstverständlich. Und deswegen freue ich mich auch auf die Shows, die jetzt anstehen. Und danach werde ich eine längere Zeit in die USA gehen.​

prisma: Hast Du auch da Auftritte geplant, damit es dort für Dich nach vorne geht?​

Jack McBannon: Noch nichts Definitives, aber es wird etwas kommen.

prisma: Noch einmal zu Deinem Wechsel von Willer zu Jack McBannon: Du hast das Geschäft auch als deutschsprachiger Musiker kennengelernt. Hast Du das bewusst ablegen wollen, oder woher kam die Motivation zum Namenswechsel?

Jack McBannon: Ich habe mit englischen Songs begonnen, habe auch in Bands gesungen. Englische und amerikanische Musik. Das lag daran, dass ich mit der Mucke aufgewachsen bin, ich war ein Grunge-Kid, hab Metal gehört. Deswegen habe ich dann auch diese Musik gemacht. Ich war viel auf Tour, und irgendwann wollte ich mal etwas anderes ausprobieren. Ich habe dann damals einen deutschen Song namens „Die Schwebe“ geschrieben, den gespielt und in mein Set eingebaut. Das fanden die Leute irgendwie geil, und dann habe ich gemerkt, so scheiße kann das nicht sein und habe dann probiert, mehr auf Deutsch zu schreiben, nach den vielen Jahren Englisch. Das hat mir dann von der Kreativität her sehr gutgetan, mal etwas Neues zu machen. Daraus sind die beiden deutschen Alben entstanden. Doch irgendwann merkte ich, dass das nicht mehr mein Zuhause ist.

prisma: Und dann kam die Idee mit „Jack McBannon“?

Jack McBannon: Ich hatte schon früher mit dem Gedanken gespielt, unter einem Künstlernamen aufzutreten und nicht mehr unter meinem, sagen wir mal, bürgerlichen Nachnamen. Das war schon sehr lange in meinem Kopf. Und dann habe ich mir gedacht: So jetzt schreibe ich wieder englische Texte, das passt, dann bringe ich das nächste Album unter dem neuen Namen raus. Und das habe ich auch nicht bereut, auch wenn das am Anfang natürlich ein großer Schritt war, wenn du auf einmal alles ändern musst. Aber ich habe den Namen dann auch eintragen lassen. Der steht jetzt auch in meinem Perso als Künstlername, ich fühlte mich mit dem Deutschen einfach nicht mehr so wohl.

prisma: Beim Deutschrock und -pop gibt es natürlich auch eine Riesenkonkurrenz.

Jack McBannon: Ich habe mit vielen deutschsprachigen Künstlern zusammengespielt und war auf Tour. Das war auch wirklich cool.

prisma: Stimmt, ganz unterschiedliche Künstler wie Konstantin Wecker, Laith Al-Deen, Alex Diehl. ​

Jack McBannon: Auch Daniel Wirtz und Revolverheld. Irgendwie ganz viele, ja. Aber irgendwie habe ich mich auch in dem ganzen Deutschen nicht mehr so zu Hause gefühlt, jetzt noch nicht mal wegen Erfolg oder Nicht-Erfolg oder was auch immer, sondern eher wirklich, weil ich diese Musik nicht mehr gehört habe, mir selber das Deutsche irgendwie nicht mehr so lag.

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