19.05.2020 Musiker und Produzent

Klaus Doldinger

Von Marcus Italiani
Klaus Doldinger schrieb vor 50 Jahren die "Tatort"-Titelmelodie und ist noch immer als Musiker erfolgreich.
Klaus Doldinger schrieb vor 50 Jahren die "Tatort"-Titelmelodie und ist noch immer als Musiker erfolgreich. Fotoquelle: Peter Hönnemann

Klaus Doldinger (84) ist nicht nur der vielleicht erfolgreichste deutsche Jazz-Musiker, sondern hat mit seinen Soundtracks zu "Tatort", "Das Boot" oder "Die unendliche Geschichte" auch Filmgeschichte geschrieben. 2020 feiert nicht nur der Tatort seinen 50. Geburtstag, sondern auch das Album "Doldingers Motherhood". Dass Doldinger sein just erschienenes neues Album ausgerechnet "Motherhood" genannt hat, wird daher kaum ein Zufall sein, oder? Wir hakten nach.

Herr Doldinger, Ihr neues Album "Motherhood" stellt nicht nur für die Hörer, sondern auch für Sie selbst eine Zeitreise dar. Was hat Sie bewegt, die Epoche Ihrer The Motherhood-Alben "I Feel So Free" und "Doldinger‘s Motherhood" wiederzubeleben?

Damals befanden wir uns in einer Übergangszeit. Es entstanden einige neue Stücke – auch mit Gesang. Die Band "The Motherhood" hatte sich neu formiert. Und manches, was in der Szene neu war, wurde damals ins Leben gerufen, aber eben auch abgeschlossen, als es dann 1971 einen neuen Plattenvertrag gab und ich die Gruppe "Passport" ins Leben rief. Die Musik auf "Motherhood" lässt den Hörer viel entdecken und verstehen.

Wie ordnen Sie diese sehr experimentelle Ära in Ihr künstlerisches Schaffen ein?

Für mich war diese Phase ein spezieller Übergang, der zu einer neuen Spielart und neuen Stücken führte. Ich hatte damals ja auch ein Pseudonym, unter dem ich viele Pop-Nummern aufnahm: Paul Nero. Es war eine unglaublich tatkräftige und ergiebige Zeit mit vielen Projekten, die gezeigt haben, was alles möglich sein kann, wenn man offen an Musik herangeht. Es hat großen Spaß gemacht, eine Nähe zur Popmusik zu entwickeln. Und das hat mich musikalisch auch weitergebracht.

Musik spiegelt im besten Fall Gefühle und Lebensphasen wider. Gibt es für Sie ein bestimmtes Aha-Erlebnis aus jener Zeit, das Sie geprägt hat?

Ich hatte in den 60ern das große Glück, damals mit meinen beiden Gruppen auf eine USA-Tour zu gehen. Das hat mir die Augen für das internationale Geschäft geöffnet und auch meine spätere Musik beeinflusst. In New Orleans sind wir von einer einheimischen Jazz-Vereinigung geehrt worden – eine wunderbare Erfahrung. Es gab in den USA gewisse Angebote, dort drüben mit anderen Musikern ein Standing aufzubauen. Aber die deutsche Szene und das Verhältnis zu den hiesigen Musikern war so stark, dass ich es in den folgenden Jahren einfach weiter in Deutschland versuchen wollte. Es kamen damals ja auch viele amerikanische Musiker zu uns. Der Austausch war sehr fruchtbar und wurde von den öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten unterstützt. Eine sehr spannende Zeit. Mein ganzes Leben wurde durch diese Vielschichtigkeit bestimmt.

In "Devil Don't Get Me" haben Sie Udo Lindenbergs Vocals aus der Originalaufnahme verwendet. Warum war es keine Option zu fragen, ob Ihr ehemaliger Drummer eine Neuaufnahme in Betracht ziehen würde?

Udo ist ja momentan sehr beschäftigt und hatte wenig Zeit. Als wir die alten Titel neu mischten und neue Playbacks aufnahmen, stellten wir fest, dass es auch mit der Originalaufnahme sehr gut funktionierte. Aber Udo bleibt ja ohnehin ein Teil der Stücke, da er diverse Texte geschrieben hat.

Wie verändern Künstler wie Max Mutzke oder China Moses die Lieder auf dem neuen Album?

Die grundsätzliche Stimmung ist zwar vorgegeben, aber durch neue Interpreten bekommt ein Stück eine gewisse Frische. Ich habe allen freie Hand gelassen. Das ist das Beste, was man als Produzent tun kann: die Musiker dazu anregen, etwas Eigenständiges zu kreieren, das den Stücken einen Kick gibt und sie zu neuem Leben erweckt.

Vor 50 Jahren haben Sie die "Tatort"-Titelmelodie geschrieben. Was hätten Sie damals gesagt, wenn Sie gewusst hätten, dass die Nummer auch 2020 noch mehrmals die Woche in Millionen Haushalten zu hören ist?

Ich hätte es nicht geglaubt (lacht). Ich enthielt damals einen Anruf vom WDR. Man bat mich, einen Vorschlag anhand eines Intros für eine neue Krimiserie zu machen. Das Verrückte war, dass den Machern mein Vorschlag auf Anhieb gefiel. Ich hatte ja schon einige Erfahrung mit Auftragsmusik für das Fernsehen. Da wurde immer viel gesprochen und analysiert. In diesem Fall hatte ich aber wohl eine glückliche Hand.

Hatten Sie mehrere Vorschläge eingereicht?

Nein, das war der einzige. Er war nach ein bis zwei Tagen fertig.

Beim Aktualisieren der Aufnahme 1978 saß Udo Lindenberg nicht mehr am Schlagzeug. Was war der Grund dafür?

Das waren auch wieder terminliche Gründe. Udo war immer ein richtig guter Schlagzeuger. Ab und an hat er sich auch hinters Mikrofon gestellt und schließlich seine eigene Karriere gestartet. Es war schon interessant, wie er sich entwickelt hat. Dabei habe ich ihn völlig in Ruhe gelassen. So bin ich mit allen Musikern verfahren, mit denen ich zusammengespielt habe. Wenn sie ihren eigenen Weg gehen wollten, habe ich sie dabei absolut unterstützt.

Schalten Sie selber ein, wenn ein "Tatort" läuft?

Gelegentlich schon. Es ist immer wieder interessant zu sehen, wie viele neue Ideen dieses Format verwendet und wie man immer wieder neues Blut reinbringt. Ich finde es ganz schön, dass die Drehbuchautoren und Gestalter nach eigenen Gefühlen operieren können, ohne sich in ein zu starres Korsett zwängen zu lassen. Beim "Tatort" gibt es keinen Stillstand.

Natürlich ist Ihre musikalische Heimat trotz aller Berührungspunkte mit anderen Musikrichtungen nach wie vor der Jazz. Welche Entwicklung hat das Genre in den letzten Jahren am nachhaltigsten verändert?

Das sind unglaublich viele. Es gibt seit Jahren eine gute Verbindung zwischen klassischem Repertoire und neuen Einflüssen. Viele Großstädte können sich in dieser Beziehung heutzutage wirklich sehen lassen. Ein Beispiel, wie so etwas entstanden ist: Ende der 60er Jahre habe ich ja in Düsseldorf gelebt. Der damalige Austausch zwischen der Musik- und der Kunstszene hat sich über die Jahre sehr positiv entwickelt und zu etwas aufregend Neuem geführt. Davon profitierte die dortige Jazzszene langfristig.

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