02.08.2021 Schauspielerin

Lavinia Wilson: "Der Blick muss liebevoll bleiben"

Von Lara Hunt
Lavinia Wilson spielt in "Andere Eltern" die Rolle der Nina.
Lavinia Wilson spielt in "Andere Eltern" die Rolle der Nina. Fotoquelle: ZDF/Frank Dick

In der Comedy-Serie "Andere Eltern" spielt Lavinia Wilson eine Großstadt-Mutter, die gemeinsam mit anderen Eltern eine Kindertagesstätte eröffnen möchte. Zu Beginn der Dreharbeiten von "Andere Eltern" kannten die Schauspieler den Verlauf der Geschichte nicht. Die Rollen waren nur skizziert und wurden von den Darstellerinnen und Darstellern vor laufender Kamera improvisiert. Dabei wurden sie immer wieder mit Überraschungen konfrontiert. Wir haben mit Lavinia Wilson über diese besondere Herausforderung gesprochen.

Wie viel Lavinia Wilson steckt in Nina?

(lacht) Gute Frage. Das Projekt ist ja improvisiert, und da bringt man zwangsläufig viele eigene Ideen ein. Das heißt aber noch lange nicht, dass ich mich privat wie Nina benehme – zumindest hoffe ich das! Ich mag die Figur sehr, aber ich weiß auch wie anstrengend sie wahrscheinlich für viele ist. "Andere Eltern" ist Komödie, die muss mit Überspitzung arbeiten. Sagen wir so, für "Nina" habe ich mich vor allem mit meinem narzisstischen Anteil beschäftigt – und mich durch jede Menge Mama-Blogs gewühlt.

Es gibt bei "Andere Eltern" kein Script, Sie improvisieren vor der Kamera. War das anfangs schwierig?

Bisher gab es, zumindest soweit ich weiß, noch keine komplett improvisierte Serie in Deutschland; ich selber hatte mit Improvisation auch nicht viel Erfahrung, unser Showrunner Lutz Heineking hingegen schon – was auch gut so war. Ich habe gemerkt, dass es sehr viel mehr Vertrauen bei so einem Projekt braucht, es wird nur lustig, wenn sich alle gemeinsam aufs Glatteis begeben. Wir wussten alle nicht genau, wo die Reise hingeht. Beim Improvisieren darf man keine Angst davor haben, übers Ziel hinauszuschießen und sich völlig zum Deppen zu machen. Wir machen uns ja schon sehr über moderne Eltern lustig – und gleichzeitig mussten wir darauf vertrauen können, dass die Figuren am Ende im Schnitt nie so vorgeführt werden, dass sie ihre Würde verlieren. Der Blick muss liebevoll bleiben – und das können wir Schauspieler und Schauspielerinnen nicht beeinflussen.

Wie sehen Dreharbeiten ohne Script aus?

Das war schon anders als mit einem kompletten Drehbuch. Manchmal haben wir eine Stunde lang eine Szene gespielt, von der dann fünf Minuten in der Serie gelandet sind. Und ich habe mich gefragt: Was für einen Blödsinn hast du da eigentlich von dir gegeben? Aber als ich den ersten Schnitt gesehen habe, war ich begeistert. Die Serie hat eine tolle Energie.

Was muss man beim Improvisieren beachten?

Es gab immer wieder Überraschungen, teilweise hatten wir unterschiedliche Informationen und wurden in den Szenen live damit konfrontiert. Da muss man sich gut vorbereiten und seine Figur noch besser kennen als sonst, damit man spontan gut reagieren kann. Gleichzeitig ist es aber am schönsten wenn ich mich auch selber überrasche. Einmal habe ich mich fast ein bisschen erschrocken, als ich als Nina plötzlich den Satz gesagt habe „Ich will mich wirklich nicht in den Vordergrund drängen, aber ich kann es halt am besten“. In dem Moment hatte ich die Figur, in all ihrer Verzweiflung und Unsicherheit und ihrem Narzissmus. Das ist für die Figur entlarvend und stressig – aber mir als Schauspielerin macht das riesigen Spaß.

Ist Kindererziehung heute schwieriger als früher?

Weiß ich nicht. Früher war ich ja das Kind. Aber ich denke, heute in unserer individualisierten Welt, wo jede und jeder das persönliche Glück sucht und alles haben, können und wollen darf und soll, ist es fast eine Kränkung, wenn da ein Kind kommt. Es geht dann plötzlich nicht mehr um einen selbst – und das 24 Stunden am Tag. Da wundert es mich nicht, dass es leicht passiert, dass der Drang zur Selbstverwirklichung mit auf die Kinder ausgeweitet wird. Nur das Beste, Tollste, Besonderste für mich und mein einzigartiges Kind – auch als Eltern wird performt was das Zeug hält. Hinzu kommt ein eklektischer Chor an Ratschlägen dazu, was richtig und falsch ist. Ich weiß nicht, woher das alles kommt. Vielleicht geht es darum, etwas zum Festhalten zu haben in unserer komplexen Welt. Wenn ich nicht mehr an eine gottgegebene Ordnung glauben kann – dann wenigstens an gesunde Ernährung und pädagogisch wertvolles Spielzeug. Das sieht man ja auch an Nina. Sie versucht verzweifelt, zu sich selbst zu finden, macht fanatisch Yoga, will entspannen – aber es funktioniert einfach so gar nicht. Früher gab es bei der Erziehung bestimmt andere Hürden, heute ist es aber verdammt kompliziert. Wenn ich mir aber so anschaue was außerhalb unserer Blase auf der Welt passiert, verblassen die eigenen Probleme manchmal schnell. Dann bin ich sehr dankbar, dass es so großartige Organisationen wie "Save the children" gibt, für die ich mich engagieren kann. An dieser Stelle meine Bitte an alle: Schaut Euch deren Arbeit an und spendet!

Sie sind selber Mutter. Was war Ihr persönlich schrecklichstes Erlebnis mit anderen Eltern?

Ich weiß nicht, ob schrecklich das richtige Wort ist, aber im vergangenen Jahr lagen durch die Pandemie auch bei uns in der Elterninitiative die Nerven blank. Das hat nicht gerade unsere besten Eigenschaften zutage gefördert. Schlussendlich haben wir es geschafft, uns zusammenzuraufen, aber da sind schon Gräben aufgebrochen. Den anderen Eltern gebe ich da aber keine Schuld, Familien und Bildungseinrichtungen wurden in der Pandemiepolitik einfach über weite Strecken komplett im Stich gelassen.

Sie sind also wie Nina in einer Elterninitiative?

Ja, aber die gibt es schon sehr lange, ich glaube, seit den 80ern, und sie ist sehr professionell organisiert. Wir haben einen tollen Leiter, der im vergangenen Jahr über sich hinausgewachsen ist und den Laden zusammengehalten hat.

Wie heißt Ihr Lieblings-Kinderbuch?

Schwierig. Derzeit steht "Die unglaubliche Geschichte von der Riesenbirne" hoch im Kurs. Darin geht es um eine Katze und einen Elefanten, die eine geheimnisvolle Insel suchen – in einer Riesenbirne.

Und Ihr Lieblings-Kinderfilm?

Meine Kinder sind da noch zu klein, mein eigener Lieblingsfilm war "Die unendliche Geschichte".

Welches Brettspiel wird bei Ihnen zu Hause gespielt?

Im Moment spielen wir Karak. Da geht es um ein Labyrinth, dessen Räume geöffnet werden können. Ganz blicke ich da nicht durch. Ich verliere eigentlich immer.

Das erste Mal standen Sie mit elf Jahren vor der Kamera. Haben Sie jemals über einen anderen Beruf nachgedacht?

Immer wieder, jeden Tag. Ich habe ja auch neben dem Schauspiel zehn Jahre lang studiert und meinen Magister in Philosophie gemacht. Und klar: Als Schauspieler oder Schauspielerin bleiben Selbstzweifel nicht aus. Wenn man dann aber am Set steht und eine richtig gute Szene spielt, ist es der schönste Beruf der Welt.

Dürfen Ihre Kinder in Ihre Fußstapfen treten?

Puh! Ich möchte, dass sie das machen, was sie glücklich macht. Wenn es Schauspiel sein soll, dann ist das so. Aber ich werde sie nicht besonders dazu ermutigen.

TV-TIPP:

"Andere Eltern" ab Dienstag, 10. August, 23.15 Uhr, ZDFneo

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