18.09.2023 Interview mit Mark Waschke

Zwischen Marvel-Mainstream und Hochkultur

Von Danina Esau
Mark Waschke verrät im Interview, warum er sich für die Rolle in "Marvel's Wastelanders" entschieden hat.
Mark Waschke verrät im Interview, warum er sich für die Rolle in "Marvel's Wastelanders" entschieden hat. Fotoquelle: Marvel / Audible

Theaterschauspieler Mark Waschke fand Superhelden immer etwas albern, doch nun hat er eine Ausnahme gemacht: In der zweiten Staffel der Podcast-Serie „Marvel’s Wastelanders“ spricht er den Hawkeye. Im prisma-Gespräch verrät er, warum er sich doch dafür entschieden hat.

Als Theaterschauspieler sind Sie in Klassikern wie Buddenbrooks, Die Möwe oder Die Zeitmaschine zu sehen – alles weit weg von den Superheldengeschichten aus Amerika. Sind Sie überhaupt Marvel-Fan?

Mark Waschke: Ich bin erst durch meine Sprecherrolle im Hörspiel damit in Berührung gekommen, das ganze Superhelden-Universum war mir fremd. Meine Freunde und Schulkameraden haben damals mit Batman und Superman gespielt, ich fand das immer ein bisschen albern, diese Helden in Umhängen.

Warum haben Sie sich doch entschieden, die Rolle zu übernehmen?

Mark Waschke: Weil Hawkeye keinen Umhang braucht. Er ist anders als der typische Marvel-Held und hat keine Superkräfte, mit denen er Blitze schleudern oder fliegen kann. Stattdessen ist er eine sehr menschliche Figur, ein alkoholabhängiger Pfeilschütze, der sich mit seiner Geschichte auseinandersetzen muss und mit Fragen konfrontiert wird, denen wir uns alle stellen müssen: Wie will ich leben? Wie soll ich leben? Wie gehe ich mit dem Scheitern um? Hawkeyes Charakter basiert auf einer Wirklichkeit, an die jeder andocken kann. Er ist zerbrechlich, traumatisiert, dabei ein bisschen mürrisch – das hat großen Spaß gemacht. Die anderen Superhelden haben mich bisher noch nicht so überzeugt.

Hochkultur am Theater versus Mainstream-Unterhaltung als Superheld – machen Sie da einen Unterschied?

Mark Waschke: Ich würde das nicht als bloße Unterhaltung bezeichnen. Auch bei Bertolt Brecht liegen Unterhaltung und Ernsthaftigkeit immer ganz nah beieinander. Bei Tschechow trifft Realität auf das Märchenhafte. Und die großen, archaischen Geschichten der Antike greifen letztendlich auch nur profane Themen auf. Gute Kunst kann beides zusammenbringen. Ich habe gelernt: Wenn man in etwas hineingeht, das einem ganz fremd ist, kommt man manchmal näher bei sich an, als wenn man das abbildet, was einem nah ist. Das merke ich auch bei klassischen Theaterstücken.

Welche Parallelen konnten Sie denn zwischen Marvel’s Wastelanders und klassischen Geschichten aus dem Bildungskanon erkennen?

Mark Waschke: Zum Beispiel die klassische Vater-Tochter-Beziehung, die bei Hawkeye eine große Rolle spielt und sich durch alle Epochen zieht. Ich habe das Gefühl, dass 90 Prozent der Töchter auf dieser Welt von ihren Vätern nicht die Liebe bekommen haben, die sie brauchten, und 90 Prozent der Söhne nicht das Aufgehobensein bei ihren Müttern. Man möchte sein Kind bedingungslos lieben und hat nur gute Absichten, scheitert aber dabei die ganze Zeit – das finde ich spannend.

Sie haben selbst eine Tochter. Hat Ihnen das bei ihrer Rolle als Hawkeye geholfen?

Mark Waschke: Es ist auf jeden Fall hilfreich, eigene Erfahrungen zu haben. Ich sehe das häufig bei jungen Schauspielerinnen, die Mütter spielen, aber selbst noch keine Kinder haben. Da fehlt irgendetwas. Ich glaube, man kann viel besser einen Mörder spielen, wenn man noch nie gemordet hat, als einen Vater, wenn man keine Kinder hat. Alle Erfahrungen fließen mit ein, das ist das Besondere an diesem Beruf.

Hawkeye war Ihr erster Podcast. Was gefällt ihnen an der Arbeit?

Mark Waschke: Wenn man nur die Stimme hat, kann nichts durch Gestik oder Mimik kompensiert werden. Es entsteht eine ganze Welt durch den Klang der Stimme, durch die Atmung, die Art und Weise wie ich spreche und in diesem Moment performe. Ein Kollege hat mal zu mir gesagt: Als Schauspieler wird man zum Tanz gebeten und hat keinen Einfluss auf die Musik oder auf die Partnerin. Man interpretiert den Tanz dann neu, auf seine eigene Weise. So ging es mir auch hier: Alle anderen kannten die Tänze schon, ich nicht. Dann sieht man, spürt man, hört man, wie etwas Neues daraus wird. Das kann etwas sehr Berührendes haben. Ich suche mit bewusst Projekte aus, die auf angenehme Art und Weise irritierend und verstörend sind, wo ich einen Schritt weitergehen muss. Das ist mir sehr wichtig, sonst langweile ich mich bei der Arbeit.

Mussten Sie sich als Hörspielsprecher anders auf Ihre Rolle vorbereiten als im Theater oder im Fernsehen?

Mark Waschke: TV-Produktionen sind meist zeitlich streng getaktet, man ist immer umgeben von einem riesigen Team und alles kostet Schweinegeld. Da bleibt wenig Raum zum Ausprobieren. Im Theater ist das anders, da darf es auch mal verrückt werden, und auch beim Podcast ist es ähnlich. Wenn wir eine Szene aufgenommen haben, mit der wir nicht zufrieden waren, haben wir es noch einmal versucht und verschiedene Varianten ausprobiert. Und manchmal entstand da, wo man zu weit gegangen ist oder Fehler gemacht hat, etwas Authentisches und Lebendiges. Da sind wir der Künstlichen Intelligenz voraus: Wir können Fehler machen und daraus etwas Besseres erschaffen.

Gehören Sie zu den wenigen Menschen auf dieser Welt, die ihre Stimme gerne hören?

Mark Waschke: Wenn man das öfter gemacht hat, gewöhnt man sich dran. Irgendwann ist es nicht mehr so irritierend wie am Anfang.

Viele kennen Sie als Tatort-Kommissar Robert Karow. Drehen Sie gerade? Wann kommt die nächste Folge aus Berlin?

Mark Waschke: Wir bereiten zurzeit mehrere Folgen vor, Anfang September fangen wir an zu drehen. Die nächsten Tatorte sind also in der Mache.

Am 29. September 2023 erscheint die zweite Staffel der deutschen Audible Original Podcast-Serie "Marvel's Wastelanders: Hawkeye“ mit Mark Waschke als Clint Barton/ Hawkeye. 

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