14.10.2024 Kinderrockband aus Bielefeld

"Randale"-Frontman Jochen Vahle: „Das konnte ja keiner ahnen“

Von Felix Förster
Randale mit ihrem Sänger Jochen Vahle (vorne).
Randale mit ihrem Sänger Jochen Vahle (vorne). Fotoquelle: Steffi Behrmann

Nach 20 Jahren Bandgeschichte und mehr als 1300 Auftritten in ganz Deutschland ist nun das 13. Album der Bielefelder Band Randale erschienen. Die Truppe um Frontmann Jochen Vahle macht Rockmusik für Kinder und doch ist es viel mehr als das. Da gibt es Punk, Metal, Reggae, Pop, Disco und auch so etwas wie Indie-Wave-Rock und Country. Wir haben mit Jochen Vahle gesprochen.

Hallo Jochen, das letzte Mal haben wir uns während Corona unterhalten. Wie habt Ihr Euch durch diese für Musiker so schwierige Zeit durchhangeln können?

Jochen Vahle: Nachdem ich zwei Wochen lang den Kopf habe hängen lassen, schrieb mich eine Mutter an und sagte mir: „Du, mein Kind hat Geburtstag und wir dürfen gar nicht feiern. Es ist ganz traurig, magst du nicht mal anrufen und ihm am Telefon ein Geburtstagslied vorsingen?“

Und, hast Du es gemacht?

Jochen Vahle: Ja klar, ich dachte mir so, ach Gott, wenn es das Kind glücklich macht, warum nicht? Und es machte das Kind glücklich (lacht). Zwei Tage später meldete sich dann eine andere Mutter, die genau dasselbe fragte. Und dann habe ich unvorsichtigerweise bei Facebook und Insta gepostet, dass ich das so als eine Art Corona-Service von Randale anbieten würde. Wenn ich gewusst hätte, was ich damit lostrete, hätte ich es vielleicht nicht gemacht. Ich habe dann in den Jahren 2020 und 2021 rund 1300 Kinder angerufen. Ich habe teilweise wirklich jeden Morgen mit einer Liste dagesessen und 20 Kinder nacheinander angerufen. Immer so ein kurzes fünfminütiges Telefonat mit Liedvorsingen.

Umsonst? Also unentgeltlich?

Jochen Vahle: Ich wurde dann immer gefragt, was das denn koste. Dann habe ich immer gesagt, das kostet gar nichts, aber vielleicht könnt ihr ja eine Kleinigkeit bei uns bestellen. Und das haben die dann wirklich ordentlich gemacht. Das hat uns total durch die Zeit gebracht. Zusätzlich haben wir dann alle möglichen anderen Sachen gemacht: Online-Konzerte mit teilweise 4000 bis 5000 Zuschauern.

Und so etwas merken sich die Leute ja irgendwie auch, dass Ihr sie da durch diese Zeit begleitet habt.

Jochen Vahle: Genau, und irgendwann hatte ich dann eine Liste mit 150 Kitas in meinem Handy, denen ich einmal die Woche ein einminütiges, kleines, kurzes, lustiges Video geschickt habe, was die dann wieder an ihre Elterngruppen weitergeleitet haben. Und so waren wir eben die ganze Zeit präsent. Dann gab es Veranstalter, die haben sich dann Strandkorb-Konzerte und alles Mögliche einfallen lassen, Autokino-Konzerte. Das war alles nicht dasselbe wie normale Konzerte, die wir jetzt wieder spielen können, aber wir hatten was zu tun, wir hatten ein Einkommen, wir hatten Arbeit und als dann 2022 alles wieder normaler wurde, sind wir so gut aus der Krise rausgekommen.

Respekt, das ging nicht vielen so.

Jochen Vahle: Wir haben in den vergangenen beiden Jahren so viele Konzerte gespielt wie nie zuvor. Vor Corona waren wir bei vielleicht knapp 100 Konzerten, was ja nun auch schon viel ist, aber jetzt sind wir bei 150 Konzerten. Das hat etwas damit zu tun, dass wir die ganze Zeit immer irgendetwas während Corona gemacht haben.

Nun seid Ihr mit Eurem neuen Album „Feuerkäfer“ am Start und das wurde angekündigt mit dem Satz „20 Jahren Randale mit 1300 Auftritten“. Das ist ja schon wirklich eine Marke, 20 Jahre Dauerzustand „Kinderrock“. Ich habe zwei Söhne im Kindesalter und genieße das auch momentan, doch irgendwann ist das dann auch mal vorbei, und sie sind dem Alter entwachsen. Bei Euch ist das ja ein Dauerzustand. Ist das etwas, das Euch immer noch flasht?

Jochen Vahle: Mein Jüngster ist jetzt auch schon 17, das heißt also, bei den eigenen Kindern findest du keine Inspiration mehr. Aber bei uns im Haus wohnt eine sehr nette Familie und da sind die Kinder sechs und drei. Und die geben mir immer wieder Inspiration (lacht). Ich wollte den Bengel mal erschrecken zu Halloween und habe gesagt „Oh, ich bin eine Mumie“. Da sagt er doch ganz easy zu mir: „Mumien sind doch Menschen in Klopapier, davor muss man keine Angst haben“. Und zack, war die Idee für das Mumienlied da. „Eine Mumie ist ein Mensch in Klopapier“. Bei den Konzerten hast du natürlich auch immer Kinder am Start, die Sachen sagen, die wir aufschreiben. Also du musst einfach, wenn du in dem Metier bist, mit offenen Augen durchs Kinderleben gehen und dir dein eigenes Kind so ein bisschen bewahren. Dann gehen einem die Ideen eigentlich nicht aus. Zumindest geht es mir so, ich schreibe die Texte bei Randale und habe die Ideen für viele Songinhalte.

Du hast einmal erzählt, dass Du mit der Band angefangen hättest, um Deiner Tochter den Rock mal etwas näher zu bringen.

Jochen Vahle: Nicht ganz, denn meine Tochter fand Rock schon vorher super. Es gab damals so eine Scheibe von Farin Urlaub „Endlich Urlaub“, die musste ich immer für sie anmachen. Auch die Ärzte natürlich. Aber das ist ja textlich dann eben einfach manchmal ein bisschen schwierig für Kinder. Ich bin totaler Ärzte-Fan, aber einem Fünf- oder Sechsjährigen muss man die Ärzte nun nicht unbedingt vorspielen. Also da bekommen sie bei den bösen Worten Riesenohren (lacht). Das war dann eigentlich die Idee: zu sagen, ach komm, vielleicht kann man so eine Band wie die Ärzte oder die Toten Hosen machen, aber eben mit familiengerechten Texten. Und das hat eben von Beginn an funktioniert. Es gab immer eine Schnittmenge von Eltern, die auch total froh waren, dass es mal eine dankbare Alternative zu dem gibt, was ihnen sonst so an Kindermusik über den Weg läuft.

Hättet Ihr denn damals damit gerechnet, dass das jetzt 20 Jahre später quasi immer noch so gut läuft?

Jochen Vahle: Unser Schlagzeuger hat ja ein Buch darüber geschrieben, und da passt der Titel wie die Faust aufs Auge: „Damit konnte ja keiner rechnen!“ Also, nein, und wenn der Start damals nicht so gut gewesen wäre, sowieso nicht. Da gab es ja noch CD-Läden und der Chef von JPC in Bielefeld sagte uns damals: Ihr habt heute schon wieder mehr Alben verkauft als Robbie Williams (lacht). Das mit einer Kinderplatte. Es hat sich dann aber auch über die Jahre hin entwickelt. Am Anfang haben wir pro Jahr so 30 Auftritte gehabt und da war noch kein Summer Breeze, Open Flair oder Lollapalooza dabei. Aber wir sind am Ball geblieben und es hat uns einfach immer Spaß gemacht. Das haben die Leute auch immer gemerkt.

Was war der Grund für den Erfolg? Weil Ihr es immer ernst gemeint habt?

Jochen Vahle: Es hat sich so entwickelt, weil wir am Ball geblieben sind, und die Leute gemerkt haben, dass es uns Spaß macht und wir nicht Platten machen nach dem Motto: „Ach, für Kinder reicht es.“ Oder: „Wir machen mal drei Akkorde und nehmen das mal irgendwie auf“. Nein, wir haben schon den Anspruch, Platten und Songs zu machen, die wir selbst super finden. Wenn du so einen Song dann 250-mal spielen musst, dann musst du den schon selbst geil finden.

Wie ist das denn bei Euren Setlists? Variieren die oder steht das Programm fest?

Jochen Vahle: Unser Gitarrist sagt immer: Wir dürfen das nicht so machen wie Iron Maiden, die dann immer nur die neue Platte spielen plus drei Hits (lacht). Bei uns ist das so eine Mischung aus den Hits, die alle Kids einfach haben wollen, und ein paar neuen Songs. Das heißt ohne den „Punk Panda“ oder ohne „Hardrockhase Harald“ geht es nicht. Momentan geht ein Song von der letzten Platte sehr ab, „Bum Bum Banana“. Da gehen die Kids so steil und haben so viel Spaß, aber dann packst du auch immer sechs, sieben neue Songs dazu, damit du eben nicht immer nur die alten Sachen spielst. Eine gute Mischung aus alten und neuen Songs.

Auf der neuen Scheibe sticht für mich „HASI/DC“ heraus. Der fängt ja wirklich eins zu eins wie eine AC/DC-Kopie an. Wie Du es eben schon gesagt hast, das ist keine Kinder-Gaga-Musik, das ist wirklich richtig gut produziert.

Jochen Vahle: Wir verbringen viel Zeit im Studio und sind auch dank unseres Produzenten Erhard Kanicki, der uns von Anfang an begleitet hat, immer mutiger und rockiger geworden. Und so ist das auch wieder eine ordentliche Rock-Produktion geworden. Das ist auch unser Anspruch: Niemals Abstriche beim Sound zu machen, weil das ja „nur eine Kinderplatte“ ist.

Kinder sind einerseits sehr indifferent bei Musik, fahren dann aber auch wieder auf Sachen ab, die man nie so erwarten würde. Habt Ihr da ein Geheimrezept gefunden?

Jochen Vahle: Die Kinder sind alle unterschiedlich. Da gibt es wirklich Überraschungen. Bestes Beispiel ist das eben schon genannte „Bum Bum Banana“. Der hat es als letzter Song nur ganz knapp auf unser Album „Sandkastenrocker“ geschafft. Dann hast du wieder Songs, in die du sehr viel Arbeit steckst, denkst, das wird live richtig super, und die zünden dann gar nicht. Warum auch immer. Weil das Thema vielleicht nicht das richtige ist. Ein Gespür hat man aber schon dafür, welche Animation live funktioniert, was die Kids super finden, was die Eltern super finden, was sie zusammen gut finden. Aber wir liegen auch nicht immer richtig. Das ist auch immer ein wenig ein Ausprobieren.

Kinder sind immer ehrlich. Gab es da auch schon mal besondere Erfahrungen? Trotz-Attacken vor der Bühne oder ähnliches?

Jochen Vahle: Es sagen schon mal Kids, dass sie etwas langweilig finden, oder sie machen nicht mit. Was häufig die Eltern verblüfft: Die Kinder sind zuhause bei der CD totale Randale-Fans und haben live nach dem vierten Lied dann auf einmal genug, weil die Hüpfburg spannender ist (lacht). Dann sind die Eltern total enttäuscht. Manchmal ist bei Veranstaltungen aber auch das Angebot viel zu groß, weil es so viele Sachen zu entdecken gibt. Deshalb haben wir schon die Auftritte am liebsten, wo das sehr auf uns fokussiert ist. Wenn die Eltern und die Kinder gezielt wegen uns da sind. 

Gibt es da irgendwelche Hürden, Euch zu buchen, wenn jetzt irgendwie eine Kita oder eine Schule sagt, wir möchten gerne Randale bei uns haben?

Jochen Vahle: Eigentlich überhaupt nicht. Die Leute sollen einfach anfragen. Wir spielen da gerne neben den regulären Konzerten. Und diese Mischung macht Randale auch so reizvoll. Also ich glaube, nur Festivals würden keinen Spaß machen, nur Kitas würden auch keinen Spaß machen. Die Mischung macht es.

Woher nehmt Ihr nach 20 Jahren noch die Energie?

Jochen Vahle: Die Energie ist nach wie vor da. Es ist aber auch unser Beruf und wenn das dein Beruf ist, dann musst du damit auch deine Miete verdienen, deine Nahrung, dein Auto. Dass wir das können, dass das für mindestens die Hälfte der Band der Broterwerb ist und es trotzdem immer noch Spaß macht, ist für uns nicht selbstverständlich. Das ist ein ganz großes Glück, und das feiern wir immer wieder ab.

Beim neuen Album „Feuerkäfer“ zieht sich das Thema „Solidarität“ wie ein roter Faden durch die Songs. Woher kam die Idee dazu?

Jochen Vahle: Hier in Bielefeld gibt es eine Stiftung Solidarität, die auch einen Preis verleiht. Die sprachen uns an, ob wir nicht einen Song über Solidarität machen könnten, aber einen, der das direkt erklärt und es nicht umschreibt. Als wir den dann fertig hatten, merkten wir, dass so ein Song wie „Ja ja ja, ich bin immer für dich da“ oder das einzige richtige Kinderlied auf der Platte „Wir passen aufeinander auf“ sich auch um dieses Thema drehten. Das ist ein wenig unterbewusst passiert, und das finden wir total klasse. Die Zeiten sind hart und nach Corona geht es jetzt darum, diesen Graben in der Gesellschaft zu überwinden und das Miteinander zu fördern. Dass man zusammenhält und gut aufeinander aufpasst. Kindern diese Einstellung näherzubringen, ist nicht die schlechteste Idee. 

In Sachen Kinderrock seid Ihr ja schon irgendwo Vorreiter. Habt Ihr zu anderen Bands wie Heavysaurus zum Beispiel auch Kontakt, oder macht da jeder eher sein eigenes Ding?

Jochen Vahle: Ich bin Vorsitzender des Netzwerks Kindermusik e.V, einem Zusammenschluss von Kindermusikern aus ganz Deutschland und Österreich. Da sind sowohl die klassischen Musiker mit der akustischen Gitarre dabei, die durch die Kindergärten ziehen oder musikalische Früherziehung machen, als auch Leute, die vielleicht eher elektronisch arbeiten oder Rockbands wie wir. In der Szene trifft man sich aber natürlich auch, auf Konzerten, auf Festivals, bei Stadtfesten… Letztens haben wir noch Volker Rosin getroffen, der völlig andere Sachen macht als wir. Das hat total Spaß gemacht. Es kommt natürlich auch immer ein bisschen darauf an, welche Musik die Eltern gerne hören.