Torsten Goods zählt zu den profiliertesten Jazz-Gitarristen Deutschlands. Der gebürtige Düsseldorfer hat sich auch als Bandleader von Sarah Connor einen Namen gemacht und nun mit „Soul Searching“ ein Album veröffentlicht, auf dem er auch seine Autoimmun-Störung Alopecia thematisiert, durch die er alle Haare verloren hat.
Sie sind gebürtiger Düsseldorfer, haben Sie auch dort gelebt?
Torsten Goods: Ja, ich bin in Düsseldorf geboren. Mein Opa war hier bei der Bundeswehr stationiert, mein Vater hat lange im Rheinland gelebt und ich bin dort geboren. Aber dann sind meine Eltern, als ich drei Jahre alt war, nach Erlangen gezogen. Also fühle ich mich im Prinzip eher als Franke, muss ich ehrlich sagen. Dort habe ich bis zu meinem 20. Lebensjahr gelebt.
Franken, nun Berlin. Ist dieser Wohnortwechsel auch der Berliner Jazz-Szene geschuldet. Wie lebt es sich in der Hauptstadt als Jazz-Musiker?
Torsten Goods: Ja, natürlich bin ich deshalb nach Berlin gezogen. Wegen des Studiums war ich zunächst in New York und als ich dann wieder zurück in der Heimat war, habe ich gedacht, was ist eine gute Mischung aus New York und Erlangen sowie Nürnberg? Das ist in Deutschland einfach Berlin: Es liegt in der Mitte als größte deutsche Stadt und die größte Jazz-Szene in Deutschland. Ich bin dann 2006 mit 25 Jahren nach Berlin gezogen und es lässt sich super hier leben, vor allem wegen der ganzen Künstler, Schauspieler und Musiker. Für mich als Künstler, der es geschafft hat, von Konzerten zu leben und vielleicht auch mit ein paar anderen Acts zu spielen, die groß auf Tour sind, ist es natürlich perfekt hier. Es gibt einfach so viele Kultur-Events. Wir wohnen mittlerweile ein bisschen außerhalb, sehr im Grünen mit Garten und es ist eine tolle Mischung für uns. Ich muss sagen, ich finde Berlin perfekt. Das einzige, was so ein bisschen negativ ist, dass es so weit östlich in Deutschland liegt und man deshalb so lange fahren muss, wenn man in den Südosten, den Süden und auch in den Westen zu den Terminen muss. Also liegt nicht ganz so perfekt, aber es ist eine tolle Stadt.
Ihr neues Album hat natürlich viele jazzige Einflüsse, es hält aber auch ganz andere Stilrichtungen parat. Wie würden Sie den Stil beschreiben?
Torsten Goods: Ich bin immer schon zwischen den Welten gewandert und so wird es auch immer bleiben, weil ich Jazz liebe, genauso wie ich Soul, Rhythm ‘n‘ Blues, Blues und auch Popmusik mag. Vorbilder wie George Benson und Al Jarreau haben in den 70ern und 80ern perfekt vorgemacht, wie man solch eine Mischung dieser Musikrichtungen zelebrieren kann. Ich sehe mich da als derjenige, der das vielleicht weiterträgt und weitermacht. Wie würde ich meinen Stil beschreiben? Eine Mischung aus den verschiedenen Welten.
Worin unterscheidet sich für Sie als Jazz-Gitarrist die Herangehensweise im Studio von der eines Pop- beziehungsweise Rockmusikers?
Torsten Goods: Rein musikalisch gesehen, spiele ich am liebsten mit einem Clean Sound, das heißt ohne Verzerrer. Was viele Rockmusiker oder Popmusiker machen: Sie haben viele Effekte und Verzerrer auf den Pedalen. Und ich spiele am allerliebsten einfach nur mit der Gitarre direkt in den Verstärker hinein. Dabei habe ich einen sehr klaren, sauberen Sound durch meine Jazz-Gitarre, die durch den sehr großen Klangkörper einen gewissen Sound hat. Bei meinen Soli versuche ich, trotz der poppigen Musik, die ich mache, von meinem Solo-Vokabular, von der Sprache, der Musik, der Gitarre, von dem, was aus meinen Fingern kommt, sehr jazzig zu sein.
Sie bezeichnen Jazz-Größen wie George Benson, Al Di Meola, John McLaughlin und Paco de Lucia als Vorbilder. Was bedeutet Ihnen das Genre heute?
Torsten Goods: Die Vorbilder, die ich genannt habe, sind natürlich alles Leute aus dem letzten Jahrhundert. Mit dieser Musik bin ich als Teenager in den 90ern aufgewachsen. Es gibt aber auch sehr viele tolle neue Künstler wie Isaiah Sharkey und neue, tolle Bands und Gitarristen. Dan Wilson ist ein junger Kollege von mir, den ich ganz toll finde. Die Dirty Loops finde ich geil, Snarky Puppy, Young Gun Silver Fox. Es gibt so viele tolle neue Bands.
Welche Jazz-Alben hört Torsten Goods gerne?
Torsten Goods: „Friday Night in San Francisco“ ist ein geniales Album, das ich sehr gerne höre. Es hat mich auch sehr beeinflusst als Teenager. Ich kam damals ja eigentlich vom Rock und das war quasi der Übergang zum Jazz. Das Album ist nicht unbedingt ein Jazz-Album, sondern sehr Flamenco-lastig, sehr folkloristisch. Al Di Meola als Fusion-Gitarrist bringt natürlich die Jazz-Einflüsse mit rein. Ja, ich höre immer noch die ganzen alten Alben, die ich liebe und entdecke auch alte Musik wieder neu. Aber ich höre auch gerne, das habe ich vorhin schon gesagt, viele neue Künstler und viele junge gleichaltrige oder jüngere Künstler. Da gibt es viele.
Kommen wir zu Ihrem neuen Album, das „Soul Searching“ heißt. Wie war die Arbeit daran, auf den Fotos im Booklet wirken Sie und Ihre Musiker sehr entspannt. Ist dieser Eindruck richtig?
Torsten Goods: Die Arbeit war lang (lacht). Wir haben uns sehr viel Zeit gelassen. Es waren vielleicht insgesamt fünf Jahre, in denen ich Songs gesammelt, sie verworfen und Demos produziert habe. So richtig in die Vollen sind wir in den letzten zwei Jahren gegangen, vielleicht seit 2021. Die Arbeit war toll, was auch an meinem Produzenten Thomas Stieger liegt, der quasi meine rechte Hand war und fast alles für mich gemacht hat. Auch die Arbeit mit den vielen Gastmusikern war klasse. Alle hatten sehr viel Lust und die Arbeit im Studio war sehr schön. Auch die Arbeit mit der Core-Band, also mit der Grund-Band, die alle Titel eingespielt haben. Die ganze Produktion war eine runde Sache.
Sie haben gleich mehrere Songs mit Sarah Connor zusammengeschrieben. Wie kam es zu dieser Verbindung?
Torsten Goods: Wir kennen uns seit zwölf Jahren und seit ungefähr zehn Jahren machen wir zusammen Musik. Intensiver wurde es dann vor acht Jahren bei ihrem Album „Muttersprache“, was für sie ja so eine Art Comeback war. Ich war oder bin auch noch musikalischer Leiter ihrer Band und habe damals die Band mit zusammengestellt, neue Musiker reingeholt, Kollegen von mir, sie hat mir da sehr vertraut und es hat unglaublich gut funktioniert. Wir sind jetzt echt eine tolle Truppe und so haben wir damals auch für sie immer Songs eingespielt und auch für sie immer geschrieben. Und so hat sie den Gefallen erwidert und jetzt auch Songs für mich geschrieben. Gerade der Song „I Had To Learn Not To Care“ ist mir sehr ans Herz gewachsen, den ich zusammen mit ihr im Wohnzimmer geschrieben habe.
„Soul Searching“ ist der Titel des Albums. Wonach ist Torsten Goods auf der Suche?
Torsten Goods: Vielleicht ist man im Leben immer auf der Suche nach etwas. In der Zeit, als ich das Album geschrieben habe und vor allem meine Autoimmun-Störung verarbeiten musste, also die psychische Verarbeitung durchgemacht habe, war ich natürlich auf der Suche nach meinem neuen Ich. Ich hatte vorher Haare, den Bart, Augenbrauen und diesen gewissen Look. Als es passiert ist – es hat ja ungefähr ein halbes Jahr gedauert – wusste ich erst einmal nicht, wer ich bin. Und das war die Suche nach meiner Seele, nach mir. Das hat eine Weile gedauert und auf dem Weg sind Songs entstanden und die besten habe ich auf diesem Album verarbeitet.
Im Song „Soul Searching“ singen Sie von diesem Moment, den jeder hat, an dem er reflektiert, er umdenkt. Dieser Moment war in Ihrem Leben die Diagnose Alopecia. Wie erinnern Sie sich an diese Zeit?
Torsten Goods: Im November 2015 ging es unten an meinem Bart los, dass ich dort eine kahle Stelle hatte. Das fand ich damals noch praktisch, weil das war eine Stelle, die ich immer wegradieren wollte, unten am Hals. Dann ging es mit der nächsten Stelle am Kopf im März 2016 los. Es wurde dann immer schlimmer und hat sich fortgesetzt bis September 2016. Ich war zu der Zeit dauernd auf Tour, gerade mit meiner Band, im April gab es eine Riesen-Tournee und im Sommer eine Riesen-Tournee mit Sarah Connor. Ich war quasi jeden Abend auf der Bühne und jeden Abend hatte ich weniger Haare und plötzlich ein Käppi auf. Dann musste ich mir die Glatze rasieren, weil es sonst so furchtbar fleckig aussah. Ja, es war eine schwierige Zeit, wirklich keine leichte Zeit. Auf der anderen Seite war es aber irgendwie komischerweise eine sehr erfolgreiche und musikalisch spannende Zeit. Also es ist bei mir, wie bei vielen der Diagnosen, nicht wirklich auszumachen, woher das kommt. Mein Bauchgefühl ist, das ist einfach eine Sache, die in der Familie liegt und die sozusagen angeboren ist und irgendwann ausbricht.
Gibt es denn eine Heilung?
Torsten Goods: Ich denke, nein. Es ist aber auch wirklich keine Krankheit. Da muss ich nochmal korrigieren. Das ist eine Autoimmunstörung. Rheuma hingegen ist eine Autoimmunkrankheit, die ja viel schlimmer ist. Mir fehlen ja nur die Haare, ansonsten bin ich kerngesund. Bei verschiedenen Leuten kommt es immer wieder, bei anderen nicht. Ich mach mir da keine Gedanken, aber es stört mich auch nicht mehr. Ich bin ja mit meiner Seele da, was das zumindest angeht, sehr angekommen. Die Haare sind für immer verloren, aber ich bin in meinem neuen Aussehen sehr zufrieden.
Wie haben Sie gelernt, mit Ihrem neuen Äußeren klar zu kommen?
Torsten Goods: Man muss damit klarkommen, denn man kann ja nicht den ganzen Tag traurig in der Ecke sitzen. Das ist einfach nur eine Umgewöhnung. Und dann geht das Leben weiter. Man ist ja gesund.
In solchen Momenten suchen die Menschen Trost und Stärke auf unterschiedliche Weise: Menschen wie Familie und Freunde, den Glauben, die berufliche Erfüllung. Woraus haben Sie Kraft gezogen?
Torsten Goods: Auf jeden Fall durch Freunde und die Familie, die Menschen, die mir wichtig sind. Natürlich habe ich auch aus der Musik Kraft gezogen, Musikmachen hat mir immer weitergeholfen. Dann habe ich aber parallel auch noch ein Haus gekauft und saniert. Das hat mir auch sehr viel Spaß gemacht. Das war nach 20 Jahren Musikkarriere damals mit Ende 30 noch mal etwas Anderes. Und ja, das war so eine Art Hobby, das Haus und den Garten zu sanieren und aufzubauen und neu zu machen. Das hat mich auch sehr viel Spaß gemacht. Und als es dann fertig war, dachte ich, jetzt muss ich wieder zurück und mein eigenes Album machen.
Ein anderer Song, der sich mit Alopecia befasst, ist „I Had To Learn Not To Care“. Ist das Ihre Pespektive?
Torsten Goods: Genau der Song zeigt meine Perspektive. Definitiv, Mann, Mann, es gibt Schlimmeres im Leben. Es gibt Wichtigeres im Leben. Man muss da einfach nicht so viel dran denken. Und das ist die Message des Songs. Der Song ist auf jeden Fall der mit der wichtigsten Message auf dem Album. Das ist das, was ich sagen will. Also es ist alles nur Aussehen, die inneren Werte zählen. Musik zählt und nicht nur das Aussehen.
Sie singen darin, dass Sie lange Zeit niemanden an sich herangelassen haben, das läutende Telefon ignoriert hätten. Wie blicken Sie heute auf diese Zeit zurück?
Torsten Goods: Genau, das waren wirklich die ersten zwei Jahre danach, von 2016 bis circa 2018. Gerade Ende 2016 und 2017 hatte ich sehr wenige Auftritte mit meiner Band. Ich habe zwar mit Sarah Connor gespielt, aber ansonsten habe ich mich zurückgezogen. Ich habe das gebraucht, um alles zu verarbeiten. 2018 ging es dann aber eigentlich wieder los, dass ich mich wieder relativ gut fühlte. Da hatte ich dann ziemlich viele Auftritte mit meiner Band.
Insgesamt ist das Album sehr funkig und jazzig, in Teilen geradezu beschwingt. Ist das Ihre Gefühlslage momentan?
Torsten Goods: Ja, das ist meine Gefühlslage zurzeit. Ich würde aber auch sagen, dass das immer schon meine Gefühlslage war. Das ist mein Geschmack, das ist die Art, wie ich Musik machen will. Das war schon immer so, das ist die Musik, die ich eigentlich auch schon als Teenager machen wollte, wo ich immer hinwollte. Ich habe das Gefühl, man muss teilweise 20 Jahre Musik machen, um dann dahin zu kommen, wie man wirklich klingen will. Es braucht Zeit, man muss sich entwickeln und irgendwann schafft man es vielleicht, in ein paar Songs seinen Traum-Sound zu kreieren.
Sie haben auf dem neuen Album zwei Klassiker gecovert: „Who’s Right, Who’s Wrong“ von Kenny Loggins und „Keep On Running“ von Kackie Edwards, das vor allem durch die Version der Spencer Davis Group mit Steve Winwood am Mikro bekannt geworden ist. Wie wählen Sie Coversongs aus?
Torsten Goods: „Who’s Right, Who’s Wrong“ ist tatsächlich ein Song, den ich als Teenager schon geliebt habe. Ich war ein Riesenfan von Kenny Loggins Version. Ich war ein Riesenfan von Kenny Loggins und Al Jarreau und von den Pages, also der Band von Richard Page, der den Song geschrieben hat. Ich habe alle drei Versionen geliebt. Dann gibt es sicher auch noch viele andere, aber diese drei Originale sind mir die Liebsten. Ich habe den Song immer gerne gesungen, aber nur für mich. Doch dann haben die Jungs ihn live gespielt und es hat einfach so gut funktioniert, dass wir gesagt haben, okay, wir nehmen ihn einfach mal auf das neue Album. „Keep On Running“ kenne ich natürlich noch von meinen Eltern. Es ist die Kindheitsmusik meiner Eltern: 1965, als meine Eltern 14 waren.
Auf „Keep On Running“ singt Drummer-Legende Pete York mit. Wie kam das zustande?
Torsten Goods: Mit Pete bin ich sehr eng befreundet und wegen dieser Freundschaft dachte ich mir, dass ich gerne mit ihm eine Nummer machen möchte. Deswegen haben wir diesen Song gewählt, weil es natürlich einer der größten Hits ist. Wir wollten ihn aber anders aufnehmen, ganz langsam wie einen Rhythm n‘ Blues, ganz ruhig und nicht so Beatmusik-mäßig, so mit Up-Tempo wie im Original. Pete hat ihn damals natürlich mit aufgenommen und war Teil dieser Superstar Combo, die ja wirklich in den USA und überall Nummer eins war. Deshalb ist es auf jeden Fall auch seine Nummer, finde ich. Ich kenne Pete schon seit 15 Jahren und er ist ein sehr enger Freund und ein ganz, ganz lieber Kerl. Einfach eine Legende der Musikgeschichte. Er hat mit Eric Clapton gespielt, mit Jimmy Hendrix. Er hat die wichtigen Zeiten in London in den Sechzigern erlebt.
Sie gehen auf Tour, worauf können sich die Zuschauer bei Ihren Livekonzerten freuen?
Torsten Goods: Wir werden auf jeden Fall das neue Album spielen, aber natürlich auch noch ein paar meiner größten Erfolgen, wenn ich das mal so nennen darf.