Bei der Wahl zur "Miss Gemany" hat Gina Rühl zwar nicht gewonnen, dennoch zog sie einen Großteil der Aufmerksamkeit auf sich. Die junge Frau hat bei einem Unfall einen Arm verloren, nun ist sie als Model und Influencerin erfolgreich. Wir haben mit ihr gesprochen.
Hast du mit einer so großen Resonanz gerechnet, als du dich bei "Miss Germany" beworben hast?
Jein. Ich hatte ja durch den Unfall und meine Arbeit als Motivationsrednerin sowie meinen Instagram-Account schon mediale Aufmerksamkeit, aber nicht so krass. Ich hätte nicht gedacht, dass meine Geschichte so gut ankommen würde. Nach der Entscheidungsverkündigung im Finale kamen gleich zwei Kamerateams auf mich zu, dabei hatte ich nicht mal gewonnen. Das hat mir gezeigt: "Egal, ob du gewinnst oder nicht, du kannst deinen Weg gehen."
Was sind jetzt deine Pläne nach der Miss Germany Wahl?
Ich möchte vor Leuten reden und anderen durch meine Erfahrungen weiterhelfen. Ich darf zum Beispiel bei der Pressekonferenz des weltgrößten Prothesenherstellers sprechen. Wäre ich Miss Germany geworden, hätte ich das vielleicht zeitlich gar nicht geschafft. Außerdem trete ich weiter als Motivationsrednerin auf und kümmere mich um meinen Instagram-Account. Das ist doch das Schöne: Ich kann weiter Shootings machen und mit Leuten interagieren. Ich bin auf einem guten Weg und lasse mich jetzt nicht aufhalten.
Wer sind denn eigentlich deine Follower?
Das ist schwer zu sagen, ich habe mich nicht auf eine bestimmte Zielgruppe festgelegt. Manche sind im Alter meiner Großeltern und haben sich extra einen Instagram-Account gemacht. Andere, die mir schreiben, sind 14 oder 30 Jahre alt. Das ist total unterschiedlich und darum geht es ja. Mir folgen nicht nur Menschen, die auch einen Arm oder ein Bein verloren haben. Zum Teil sind es Leute mit Depressionen, die neuen Mut durch meine Beiträge finden. Andere sind eher wie mein Freund und bekommen einfach gute Laune, wenn ich sie mit durch meinen Alltag nehme.
Es wäre ja auch Quatsch, sich nur an Menschen mit Behinderungen zu richten.
Klar, aber ich glaube, es kam teilweise bei Miss Germany so rüber, als würde ich mich hauptsächlich an Menschen mit körperlichen Einschränkungen richten. Dabei ist das nicht so. Man sagt öfter zu mir "Ich weiß, mein Problem ist nicht so groß wie deins". Das ist Blödsinn, denn jeder hat das Recht, gehört zu werden. Und für manch einen ist ein gebrochener Arm genauso eine große Einschränkung wie ein fehlender Arm. Ich möchte gerne eine Stimme sein für alle, die sich vielleicht nicht trauen oder in ihrer Situation ihre Stimme nicht erheben können. Und ich möchte mit meiner Geschichte Mut machen, dass man trotz Rückschlägen im Leben alles schaffen kann.
Welche beruflichen Vorstellungen hattest du vor deinem Unfall?
Ich wollte Polizistin werden. Nicht nur im Büro sitzen, immer Abwechslung habe, mit Menschen zu tun haben und Konflikte lösen. Schon in meiner Schulzeit war ich immer diejenige, die "hier" gerufen hat, wenn es zum Beispiel um Klassensprecherwahlen ging. Ich habe dann aber eine Ausbildung beim Amtsgericht begonnen, da ich nicht wegziehen wollte. Sechs Monate nach meinem Unfall habe ich diese aber abgebrochen – wegen der Phantomschmerzen und weil mir das viele Sitzen nicht bekam. Ich bin zwar keine Polizistin geworden, aber mit dem, was ich jetzt mache, löse ich auch Konflikte – wenn auch auf eine andere Art (lacht).
Mehr von Gina Rühl gibt es auf ihrem Instagram-Account @gina.ruhl