20.11.2018 Fermentierte Lebensmittel

Sauer macht glücklich

Von Matthias M. Machan

Vergorenes Gemüse? Das klingt wenig appetitlich. Doch dank Fermentierung werden leicht verderbliche Nahrungsmittel wie Obst, Gemüse und Milchprodukte nicht nur haltbar gemacht, sondern im Geschmack veredelt.

Das ist eine Frage für "Wer wird Millionär?": Was haben Kefir, Sauerkraut, Joghurt und Kombucha gemeinsam? Alle Lebensmittel sind fermentiert, was nichts anderes als gegärt bedeutet. Dabei wandeln probiotische Mikroorganismen wie Bakterien und Pilze den Zucker eines Produkts zu Säure (wie beim Sauerkraut oder Joghurt) beziehungsweise zu Kohlensäure (wie bei Kombucha) um. Früher war es üblich, mit Hilfe probiotischer Mikroorganismen Obst und Gemüse durch Fermentation haltbar zu machen. So standen auch in den Wintermonaten ausreichend Nähr- und Mineralstoffe zur Verfügung.

Heute scheinen fermentierte Lebensmittel ein wenig aus der Mode gekommen zu sein. Dabei ist die asiatische Küche ohne Miso und Sojasauce kaum denkbar. In Korea ist das milchsaure Kimchi eine Nationalspeise, in Japan schätzt man Miso oder die Tofu-Alternative Tempeh. Südostasien scheint weit. Dabei kommen auch wir tagtäglich mit fermentierten Lebensmitteln in Berührung: Käse und Joghurt sind ohne Fermentation kaum denkbar, Sauerteigbrot und Wein auch. Die Milchsäuregärung scheint überall. Bekanntestes Beispiel ist das Sauerkraut.

Ein Jungbrunnen

Zur Herstellung von Sauerkraut wird frischer Weißkohl in Streifen geschnitten. Auf dem Weißkohl befinden sich bereits natürliche Milchsäurebakterien. Er wird mit Salz vermengt und zerdrückt, damit der Zellsaft austritt. Das Salz bewirkt einerseits die Wasserabgabe des Kohls, andererseits eine Konservierung bis zum Einsetzen der Milchsäuregärung. Milchsäurebakterien wandeln den im Weißkohl enthaltenen Zucker in Milchsäure um. Top-Bedingungen für ein saures Milieu. Das rohe, fermentierte Sauerkraut enthält (wie viele andere fermentierte Gemüsesorten) nicht nur viele Vitamine und Mineralstoffe, sondern eben auch die wertvollen Milchsäurebakterien. Ein Jungbrunnen für die Darmflora. Indes: Wer darauf baut, dass das Sauerkraut aus dem Supermarkt genauso viele Vitamine und Probiotika enthält, der wird eher enttäuscht. Herkömmliches Sauerkraut aus der Dose wird nach der Fermentation meistens erhitzt (pasteurisiert). Damit ist das Gros der Vitamine und Probiotika futsch.

Also selbermachen! Denn Fermentation ist weder Hexenwerk noch ein Buch mit sieben Siegeln. Letztlich geht es einzig darum, das mit Salz vermischte Gemüse unter Sauerstoffausschluss mehrere Wochen vergären zu lassen. Dafür braucht es noch nicht mal einen Gärtopf. Einfache Bügelgläser reichen völlig aus. In diese kommt das salzige Gemüse und wird solange gestampft und geknetet, bis es im eigenen Saft steht. Jetzt noch Gewürze nach persönlichem Geschmack hinzufügen. Den Rest regelt die Natur von selbst. Denn die zur Fermentation notwendigen Mikroorganismen befinden sich ohnehin auf den Lebensmitteln. Statt eines Bügelglases eignet sich auch ein Keramiktopf, der mit einem (beschwerten) Teller zugedeckt wird, damit das Gemüse zusam-men- und der Sauerstoff herausgepresst wird. Tipp von Sterne-Köchin Julia Komp: "Noch einfacher geht der Sauerstoffausschluss mit einem Vakuumierer." So oder so ist das Ergebnis eine spannende Reise zu neuen Geschmackswelten auch jenseits des Sauerkrauts.

IDEAL FÜRS KOCHEN

Julia Komp, mit 29 Jahren Deutschlands jüngste Sterne-Köchin (Restaurant Schloss Loers-feld, Kerpen), über den Aufbruch zu fermentiertem Essen:

Welche Rolle spielt die Fermentation in Ihrem Küchenalltag?

Ich nutze die Fermentation gezielt vor allem für Obst und Gemüse. Der Geschmack der Lebensmittel verändert sich durch die Fermentation komplett, beispielsweise wenn aus Weißkohl Sauerkraut oder aus Chinakohl Kimchi wird. Aber es gibt auch fremde Geschmackswelten zu entdecken. Ich habe zuletzt Wassermelonen fermentiert. Entstanden ist ein Sud mit Kohlensäure – fruchtig, weniger süß und mit einer herben Note. Ideal für meine Gerichte.

Welche Lebensmittel sind für die Fermentation geeignet?

Erlaubt ist, was gefällt und schmeckt. Ich mag fermentierten Pak-Choi. Natürlich sind die gängigen Kohlsorten geeignet, aber auch Rettich, Sellerie oder Lauch. Es gibt in der Gastronomie hin und wieder auch fermentierte Getränke auf der Basis von Reis, Wassermelone und Zitronengras – zunächst megafremd, aber köstlich.

Was muss ich handwerklich beachten?

Vor allem muss ich sauber arbeiten und viel Geduld haben. Ich salze und wasche das Gemüse, mische eine Marinade darunter und verknete die Zutaten. Dann vakuumiere ich die Zutaten und lagere sie für drei bis fünf Tage bei Zimmertemperatur. An-schließend kommt das fermentierte Gemüse noch mal für fünf Tage in den Kühlschrank. Ich brauche also Zeit.

FERMENTIERTE LEBENSMITTEL, DIE (FAST) JEDER KENNT

• Sauerkraut ist nichts an­deres als fein gehackter Weißkohl, der von Milch­säure produzierenden Bakterien fermentiert wurde.

• Joghurt: Probiotischer Joghurt ist reich an Kal­zium, Zink, B­Vitaminen und Eiweiß.

• Kefir ist ein Milchsäure­produkt, das aus der kom­binierten Fermentierung von Milchsäure und alko­holischer Laktose aus der Milch entstanden ist.

• Kimchi ist ein würziges und besonders in Korea beliebtes fermentier­tes Lebensmittel. Da es wenig Kohlenhydrate und Fett enthält, aber einen hohen Gehalt an Mine­ral­, und Ballaststoffen aufweist, gilt es als ein ideales Nahrungsmittel zur Gewichtsreduktion

• Kombucha ist ein säu­erliches Stärkungsge­tränk, das mit Bakterien und Hefe kultiviert wird. Zu seinen positiven Ei­genschaften gehört die Verbesserung des Choles­terinspiegels.• Miso ist eine Paste mit süßem und salzigem Ge­schmack. In Japan ist Miso ein Grundnahrungs­mittel und wird dort für die Misosuppe oder als Gewürz verwendet.

• Sojasauce: Die asiatische Würzsauce wird durch Fermentation vor allem aus Wasser, Sojabohnen und Salz hergestellt und gilt als natürlicher Ge­schmacksverstärker.

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