Mit Leidenschaft und Forscherdrang entdecken nordische Kosmetikfirmen die Natur wieder – als Lieferant wertvoller Inhaltsstoffe und als Marketinginstrument in einem umkämpften Segment. Ein Blick nach Finnland, Schweden, Lettland und Litauen.
Will man herausfinden, warum Naturkosmetik einer der wichtigsten Beauty-Trends ist, landet man irgendwann bei Julia Roberts. Als die Schauspielerin für ihre Rolle einer Umweltaktivistin im Jahr 2000 mit Produkten der Firma Dr. Hauschka geschminkt wurde, trat sie einen Trend los. In der Branche spricht man vom "Erin-Brokovich-Effekt", bis heute nutzen viele Hollywood-Stars Produkte aus dem schwäbischen Bad Boll. Doch auch außerhalb Deutschlands entdecken immer mehr Unternehmen die Kraft der Natur – insbesondere in den nordischen Ländern. Hier, wo Beeren, wilde Kräuter und widerstandsfähige Bäume wachsen, nutzen sie deren Nährstoffe, Vitamine und Antioxidanzien für Cremes, Seifen und Pflegeprodukte. Mit einem feinen Gespür für Trends haben sie ihr Marketing auf der Basis von Persönlichkeit und mit Blick auf ihre lokalen Wurzeln aufgebaut und Produkte geschaffen, die auch hierzulande immer mehr Abnehmer finden. Wir haben uns umgeschaut und nehmen sie mit zu sieben Produzenten aus Finnland, Schweden, Lettland und Litauen.
Mádara: die Kraft der Wissenschaft
Für Lotte Tisenkopfa-Iltnere und ihre drei Partnerinnen ist es eine Frage der nordischen Mentalität, sich auf das Innere zu konzentrieren. Diese Introvertiertheit, die sich manchmal auch in den Charakteren der Menschen zeige, hat sie, Liene Drazniece, Zane Tamane und Paula Tisenkopfa, zu ihrer Firma Mádara inspiriert. Dazu kam bei Lotte selbst eine Allergie, durch die sie sich schon früh mit Pflegeprodukten für sensible Haut auseinandersetzen musste. Entsprechend konsequent setzt Mádara auf natürliche Inhaltsstoffe, vor allem auf Birkenwasser. Doch genauso wie die vier Gründerinnen an die Kraft der Natur glauben, glauben sie auch an die Wissenschaft, weshalb ihre Produkte in hochmodernen Labors entwickelt und unter Hightech-Bedingungen produziert werden. Wer sich selbst davon ein Bild machen will: Mádara bietet rund anderthalbstündige Führungen durch sein Werk in Marupe, einem Vorort von Riga, an.
Dabba: Pflanzen-Essenz
Die Ursprünge der Firma von Laura und Jānis Ķesa liegen in den Wiesen und Wäldern Lettlands, wo Birken wachsen und wilde Heide sprießt. Hier begannen sie 2011 Blütenwasser zu destillieren. Inzwischen ist daraus ein breites Produktsortiment entstanden, hinter dem die Ursprünge jedoch noch zu erahnen sind. Von ölfreien Seren mit Sanddorn und Hyaluronsäure über samtige Pflegeöle aus Himbeersamen, Hagebutte und Weidenröschen bis hin zu Tonern aus Blüten- und Pflanzenwasser, die erfrischen und einen betörenden Duft verströmen. Dabei achten Laura und Jānis auf saisonale und regionale Zutaten und stellen all ihre Produkte vegan und ohne Tierversuche her. Klingt fast schon nach einer Selbstverständlichkeit – bei der Geschichte.
Verso: schwedisch minimalistisch
Während andere Firmen auf Natur setzen, hat sich Verso- Gründer Lars Fredriksson dem Minimalismus verschrieben – und Retinol 8. Diese Retinol- Variante verzichtet auf jede unnötige Zutat und ist die Basis aller Produkte des schwedischen Labels und das erste nicht verschreibungspflichtige hochdosierte Vitamin A, das gefahrlos bei Tageslicht verwendet werden kann. Wurde die Verpackung 2014 für ihre Schlichtheit mit dem "Red Dot Design Award" ausgezeichnet, überzeugt auch das Innenleben durch Reduktion. Die Zutatenlisten sind kurz, die Wirkung der hochpreisigen Kosmetika ist dagegen erstaunlich. Bei empfindlicher Haut jedoch bietet sich ein Test an – und besonders um die Augen herum sollten die Produkte vorsichtig angewendet werden.
Inari: der Luxus des Nordens
Das finnische Lappland nördlich des Polarkreises gehört zu den saubersten Regionen der Welt. Eine gute Grundlage für Naturkosmetik, dachten sich auch Sirkku Hahn und Nina Stenberg, die die unberührte Natur dort als ihre Seelenlandschaft bezeichnen. Und so karg die Natur so weit im Norden sein kann, so minimalistisch ist auch ihre Kosmetiklinie, bestehend aus gerade mal vier Produkten. Dafür haben Sirkku und Nina einen eigenen Wirkkomplex aus sechs arktischen Pflanzen entwickelt: dem Rosenwurz, der Weißkiefer, dem ChagaPilz, der Moltebeere, der Preiselbeere sowie der wilden Heidelbeere. Diese Zutaten sollen die Bildung von Kollagen und Hyaluron in der Haut anregen. Vegan und basierend auf finnischem Quellwasser: echte Luxusprodukte, die sich auch so anfühlen.
Frantsila: die Kraft der Kräuter
Schon 1981 haben Virpi RaipalaCormier und ihr Mann Jim 40 Kilometer nordwestlich von Tampere begonnen, Kräuter zu ziehen – auf einer Farm, die seit 300 Jahren in Familienbesitz ist. Inzwischen sind auch Virpis Sohn Jupiter und seine Frau Teil des Unternehmens, das aus rund 100 Pflanzen – darunter so ungewöhnliche wie Königskerze, WaldStorchschnabel, Fichtenknospen oder Vogelknöterich – Produkte wie Cremes, Öle und Masken herstellt. So verspielt das Design daherkommt, so klar ist der Anspruch: Auch ohne Zertifizierung wollen sie reinste Naturkosmetik herstellen, weshalb keine Kräuter gepflückt werden, die näher als 500 Meter an einer Straße wachsen. Das Ergebnis: satte, dezent parfümierte Produkte ohne verarbeitete pflanzliche Öle oder Glycerin.
Uoga Uoga: zurück zur Natur
Wer zum ersten Mal auf die Produkte von Lena Sokolovska und Jovita Vyšniauskienė trifft, erblickt Erdbeeren, Orangen, Limetten und Avocados. Klingt so gar nicht nach nordischer Kosmetik. Doch die Gründerinnen von Uoga Uoga ("Beere Beere") aus Litauen setzen nicht nur auf exotischere Inhaltsstoffe, sondern auch auf einheimische Produkte wie Honig oder Mineralien wie baltischen Bernstein und weißen Ton. Daraus produzieren sie Pflegeprodukte genauso wie dekorative Kosmetik. Die ursprüngliche Motivation der beiden: raus aus dem alten Job bei einem Hedgefonds und zurück zur Natur – auch aus Liebe zu nachfolgenden Generationen. Dafür wurden sie belohnt, unter anderem mit der Auszeichnung als bestes Startup Litauens 2012.
Flow: Verantwortung des Einzelnen
Aufgewachsen in Lappland, war Riitta Jänkälä es gewohnt, eine äußerst vielfältige Natur vor der Haustür zu haben: Preiselbeeren, Himbeeren, Heidekraut und andere wilde Pflanzen wuchsen dort. Umso mehr störte sie, dass Kosmetik oft auch unnötige Zusatzstoffe enthält. Also gründete sie 2004 ihr eigenes Unternehmen: Flow. Doch nicht nur bei den Inhaltsstoffen schaut Riitta auf die Natur, auch bei der Verpackung greift sie auf recyclebare, umweltfreundliche Alternativen zurück, so oft es geht – etwa Papier und Glas. Und so entsteht in Hyvinkää, knapp 60 Kilometer nördlich von Helsinki, inzwischen eine breite Palette an Naturkosmetik mit Inhaltsstoffen wie Sanddorn, Blaubeeren oder Wacholder – und viele davon stammen aus Finnland selbst.