09.06.2015 Gesund & Fit

Aspirin Sozialpreis: Ideen gegen das Unfassbare

Von Detlef Hartlap
Platz 1 beim Aspirin Sozialpreis 2015: Die Initiative "Jourvie" (hier Ekatarina Karabasheva) entwickelte eine App zur Hilfe bei Essstörungen. Fotoquelle: Bayer HealthCare AG, Bayer AG

Kann man dem Schicksal ein Schnippchen schlagen? Manchmal ja. Der Aspirin Sozialpreis hilft dabei.

"Beim Erwachen hatte ich schon so viele Einfälle, dass der Tag nicht ausreichte, sie niederzuschreiben." An dieses Bonmot von Gottfried Wilhelm Leibniz (1646–1716) erinnerte der Bayer-AG-Vorstand Michael König bei der Vergabe des Bayer Aspirin Sozialpreises 2015.

Zwar darf man Leibniz als philosophisch-mathematisches Genie betrachten, doch wird auch in seinem Fall die Grundregel nicht außer Kraft gesetzt worden sein, wonach ohne Fleiß kein Preis zu gewinnen ist. Starke Ideen fallen nicht vom Baum. Und so werden all diejenigen, die mit ihren Projekten am Sozialpreis-Wettbewerb teilnahmen, weniger unter einem Leibniz'schen Überfluss gelitten haben als unter den Mühen der Ebene: eine Idee in ein nützliches und praktikables Vorhaben zu verwandeln.

"Versorgungslücken schließen"

Denn darum geht es beim Aspirin Sozialpreis, der zum sechsten Mal vergeben wurde: "Wir prämieren Initiativen", erklärte Michael König, "die mit innovativen Methoden ergänzende Angebote in der Gesundheitsversorgung schaffen, Versorgungslücken schließen helfen und die sozialen Aspekte von Gesundheit einbeziehen."

Nun könnte man zu einer Art Sportberichterstattung überleiten, in der die besten drei Platzierungen vorgestellt werden. Doch würde das wenig wiedergeben von den Tränen der Ergriffenheit, die etwa den Drittplatzierten kamen, den Mitgliedern eines Selbsthilfe-Vereins aus Saarlouis. Man nennt sich "JuP" (Jung und Parkinson) und hat im Internet eine Anlaufstelle für jüngere Betroffene geschaffen.

In seiner Laudatio auf Rang 3 betonte Dieter Gutschick, Ex-Geschäftsführer der "Aktion Mensch", dass Parkinson-Erkrankungen allgemein im höheren Lebensalter verortet seien, dass aber berufliche und private Lebensfundamente umso unerbittlicher über den Haufen geworfen würden, je früher das Schicksal zuschlage.

"Es geht um Passion"

Tatsache ist: Jeder zehnte Parkinson-Patient erkrankt vor seinem 40. Lebensjahr. "JuP" betreibt unter www.jung-und-parkinson.de eine Online-Plattform mit Infos, Forum und Chat als Selbsthilfegruppen-Angebot. Per Videokonferenz werden Tai-Chi- und Qigong-Kurse angeboten. Diesseits des Internets werden Treffen regionaler Gruppen organisiert. Ein Projekt, das den Grundgedanken des Sozialpreises ideal erfüllt.

"Erfindung ist nicht alles", stellte Thimo Schmitt-Lord, Vorstand der Bayer-Stiftungen, klar. "Es geht um Passion im doppelten Wortsinn, um Lebensbegleitung, vor allem auch von Kindern." Den zweiten Preis gewann die NCL-Stiftung aus Hamburg, die sich der Schulaufklärung über Kinderdemenz verschrieben hat. NCL (Neuronale Ceroid- Lipofuszinose), eine unfassbare Krankheit, löscht ab dem 6. Lebensjahr das Augenlicht, danach allmählich alle anderen Sinne. Kaum ein Kind erreicht das 30. Lebensjahr, 700 sind in Deutschland betroffen. Die NCL-Stiftung hat ein Unterrichtspaket für Abiturklassen entwickelt, das Schülern humangenetische Grundlagen zum Verständnis von Kinderdemenz vermittelt.

Jurymitglied Prof. Dr. Karl-Max Einhäupl, Vorstandsvorsitzender der Charité Universitätsmedizin, referierte über Praxisorientiertheit und deren schleichende Entfremdung in betrieblichen Steuerungsteams, wie sie auch in der Charité um sich greife: "Hoffen wir, dass auf lange Sicht auch Ärzte das Sagen behalten und nicht nur Kaufleute!"

App zur Therapie-Unterstützung von Essstörungen

Ganz und gar auf der Höhe von Zeit und praktischem Nutzen liegt der Sieger des Aspirin Sozialpreises 2015. Es handelt sich um eine App zur Therapie-Unterstützung von Essstörungen, "Jourvie" genannt und entwickelt von den Berlinerinnen Verena Porsch und Ekatarina Karabasheva.

700.000 Menschen leiden in Deutschland unter schweren Essstörungen. Besonders junge Betroffene tun sich mit dem Führen von Essprotokollen schwer. Die Smartphone-App "Jourvie" hilft, diskret und auf unkomplizierte Weise Buch zu führen und so die Therapie zu unterstützen – und ist zugleich eine digitale Selbsthilfegruppe, in der sich Betroffene zu einer Community vernetzen.

Publikumspreis ging an die Deutsche Kinderkrebshilfe

Zu guter Letzt, der Publikumspreis. Er ging an die Deutsche Kinderkrebshilfe, bei der Ex-Patienten auf einer Fahrrad-Regenbogentour die Behandlungszentren für krebskranke Kinder und Jugendliche besuchen.

Prof. Einhäupl: "Man soll nicht glauben, dass die Kinder nicht genau wissen, dass sie es mit dem Tod zu tun haben. Deshalb sind ehemalige Krebspatienten, die zu Besuch kommen und zeigen: Wir haben es geschafft, wir sind wieder fit!, eine Ermutigung von unschätzbarem Wert."

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