"Das kleine Buch von der Seele" mag seinem Titel durchaus gerecht werden, doch es bietet großartige Einblicke in ein unsichtbares Organ.
In der Regel nehmen uns Reiseführer mit an wunderbare, teils entlegene Orte, deren Anblick uns nicht selten den Atem raubt. Auch Achim Haug hat einen Reiseführer geschrieben, doch sehen kann man den Ort nicht, von dem er handelt. Als "unsichtbares Organ" beschreibt Haug das Ziel seines Buches, das den Untertitel "Ein Reiseführer durch unsere Psyche und ihre Erkrankungen“ trägt.
"Das kleine Buch von der Seele" steht darüber – und zumindest, was den Umfang angeht, stimmt dieser Titel. 207 Seiten hat sein Werk, mit dem der Professor für Psychiatrie auf unterhaltsame Art einen Einblick in sein Fach und unser Seelenleben bieten will. Ein Unternehmen, das – soviel sei verraten – mit Bravour gelingt.
Die kleine Blaskapelle
Dabei geht Haug strategisch vor und bietet dem Leser zunächst einiges Grundlagenwissen – über die Seele an sich, über Hirnforschung, gesellschaftliche Debatten oder die Frage, wer eigentlich schuld ist an psychischen Krankheiten. Recht schnell jedoch geht der Autor in media res und liefert uns Fallbeispiele und Analysen – und das zwar durchaus unterhaltsam, aber nie respektlos. So erzählt Haug etwa von einer Patientin, die Abend für Abend eine Blaskapelle aus winzig kleinen Menschen durch ihr Zimmer laufen sah. Auf der einen Seite habe sie das zwar unterhaltsam gefunden, auf der anderen Seite aber habe sie sich auch geärgert, dass die Mitglieder mit Schuhen über ihr Bett gelaufen seien.
Oder er beschreibt die Reaktionen auf seinen eigenen Berufsstand, die sich unter dem Zitat "Sie sind Psychiater? Das ist aber schwer!“ zusammenfassen lassen. Davor, danach und darüber hinaus aber füllt er seine Ausführungen nicht nur mit Anekdoten oder einer angemessenen Portion eigener Meinung, sondern mit Ausflügen in die Geschichte, die Literatur oder unseren eigenen Alltag.
Mit leichter Hand
So wird aus dem kleinen Buch von der Seele ein wunderbar unterhaltsames, vor allem aber unglaublich fundiertes Sachbuch, das zum Glück kein Ratgeber sein will, sondern eine Einführung in ein von Missverständnissen geprägtes- Thema. Nicht umsonst attestiert dem Autor sein Kollege Harald J. Freyberger von der Universität Greifswald: "Achim Haug hat ein feines Gespür dafür, psychiatrisches Wissen mit leichter Hand darzustellen."
Doch auch wenn dieses Buch kein Ratgeber ist, so ist man nach der Lektüre um einiges schlauer – auch und vor allem in Bezug auf sich selbst und sein Seelenleben. Denn selbst wer zu den glücklichen Menschen zählt, deren Seele gesund ist und die von Depression oder anderen Erkrankungen verschont geblieben sind, lernt, wie dieses unsichtbare Organ in uns funktioniert – und vor allem, was passiert, wenn es das einmal nicht mehr tut, wie es soll.