Interview mit 2-Sterne-Koch

Johannes King: "Im Topf landet, was vor der Haustür wächst"

Von Matthias M. Machan
Johannes King: "Meine Gerichte sind kräuterreich, jodig, salzig und nass. Wie die Insel eben."
Johannes King: "Meine Gerichte sind kräuterreich, jodig, salzig und nass. Wie die Insel eben." Fotoquelle: Boris Breuer Fotografie

Strand und Watt als Rohstoffquelle. prisma besuchte den 2-Sterne-Koch Johannes King auf Sylt, der es gern nach Insel schmecken lässt.

Herr King, auf Ihrer Speisekarte findet sich ein "Lauwarmer Strandsalat" mit Wattschnecken und Strandportulak, einem heimischen Kraut. Ist das die neue Spitzengastronomie?

Meiner Meinung nach schon. Hummer und Stopfleber haben in der Top-Gastronomie ausgedient. Gefragt sind unverfälschte Produkte aus der Region: authentisch, ehrlich, bodenständig. Als Gastgeber auf Sylt koche ich mit Zutaten aus dem Watt, von den saftigen Weiden und den salzigen Wiesen – eine Hommage an die Insel.

Eine Hommage an eine Insel, aber Sie kommen aus dem Schwarzwald und machten in Berlin kulinarische Karriere...

Meine Berliner Zeit war großartig. Sylt war keine Liebe auf den ersten Blick. "Muss ich dahin? Die tragen alle ihre Nase so hoch", war mein erster Gedanke. Heute weiß ich es besser: Es gibt hier, gerade wenn es um die Erzeugung von Lebensmitteln geht, viele tolle Typen und Freaks. Ich wollte raus aus der Stadt, der Söl'ring Hof liegt in traumhafter Lage. Vor allem: Ich bin hier nicht nur Koch, sondern auch Gastgeber im Restaurant und Hotel.

Ist Sylt für Sie Heimat geworden?

Heimaterde kann man nicht verpflanzen. Der Schwarzwald ist und bleibt meine Heimat, geprägt durch die Kindheit auf dem Bauernhof mit neun Geschwistern. Aber Sylt ist mein Lebensmittelpunkt – mit Leib und Seele.

Landen denn auch Gerichte aus dem Schwarzwald auf Ihrer Speisekarte?

Nein. Meine Heimatgerichte sind zwar Maultaschen oder ein guter Wurstsalat. Auf Sylt koche ich jedoch mit Produkten, die ich vor der Haustür zwischen Wasser, Watt und Weide finde. Die Speisekarte sollte zur geografischen Lage des Restaurants passen.

Ist dies auch ein Trend?

Ja. Einheitsbrei kann nicht der Maßstab für uns Köche sein. Das Leben auf dem Land hat meine Sinne geschärft, es gibt mir ein Gefühl für die Ursprünglichkeit und natürliche Qualität zurück. Meine Idee ist, Sylt nicht nur schmackhaft zu präsentieren, sondern auch authentisch schmeckbar zu machen. Und das geht am besten mit Produkten aus dem Kreislauf der Natur. Je näher wir an den Produkten dran sind, umso intensiver schmecken sie.

Sie haben auf Sylt einen alten Bauernhof gepachtet, sind nun bei vielen Produkten Selbstversorger...

Der Bauernhof ist ein Kindheitstraum, eine Quelle der Inspiration, ein Rückzugsort mit unglaublicher Lebensqualität und für mich ein Genuss für die Augen. Dort gibt es alte Spargelbeete und Obstbäume, Zucchinis, Radieschen, Brokkoli, Kohl, Fenchel, Mangold, Wiesen- und Wildkräuter. Im Topf landet, was vor der Haustür wächst.

Oder vor der Haustür schwimmt – auf Ihrer Karte gibt es keine Fische, die südlich von Hamburg schwimmen?

Es gibt doch viel mehr als Dorade, Rotbarbe und Seezunge. Ein geangelter Rotbarsch ist im Vergleich zu einer eher strohigen Dorade grandios. Man muss nur genauer hinschauen, denn auch Fische haben ihre Jahreszeit. Warum die Scholle im Wonnemonat Mai anbieten, wenn die Qualität im Oktober viel besser ist? Im Moment gibt es Meeräschen, Makrelen und Matjes, dann kommt die Zeit für Wittling und Krabben.

Warum gibt es in der Gastronomie diesen Trend zur Regionalität und Saisonalität?

Die Top-Gastronomie zeigt, dass sie Verantwortung hat und so finden Sie Gänseleber und Thunfisch immer seltener auf den Speisekarten. Gefragt sind dagegen ehrliche Produkte, die im Kreislauf der Natur gewachsen sind. Aber regional oder "hausgemacht" ist per se noch kein Qualitätskriterium. Das gilt auch für Bioprodukte. Entscheidend ist die ganz persönliche, kulinarische Identität.

Und wie sieht die ganz persönliche, kulinarische Identität von Johannes King aus?

Meine Gerichte sind kräuterreich, jodig, salzig und nass. Wie die Insel eben.

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