Loyal, zuverlässig, diszipliniert: Die Generation der "Silver Worker" punktet in vielen Bereichen.
Nach seiner Pensionierung als Englischlehrer an der New Yorker Stuyvesant High School startet Frank McCourt die zweite Karriere – er schreibt sein erstes Buch und wird zum Liebling der Medien: "Die Asche meiner Mutter" wird zum literarischen Meisterwerk und Welterfolg.
Für seine autobiografischen Kindheits- und Jugenderinnerungen wird der agile Ruheständler mit vielen Preisen ausgezeichnet, darunter dem Pulitzer-Preis. Der 66-Jährige trifft Hollywood-Diven, besucht den Papst und plaudert mit Sarah, Herzogin von York. Bei seinem zweiten Bestseller "Ein rundherum tolles Land" ist McCourt bereits 69 Jahre jung. Eine Karriere im zweiten Anlauf. Und Vorbild für etwa 650.000 Deutsche, die jedes Jahr in den staatlich verordneten Ruhestand gehen sollen.
Denn auch sie sind noch fit und aktiv, haben noch viel Energie und Tatkraft. Und auch sie wollen selbst entscheiden, bis zu welchem Zeitpunkt sie arbeiten. Männer und Frauen, die sich zu jung für den Ruhestand fühlen – und dennoch die sogenannte Regelaltersgrenze überschritten haben. Bei Personen, die vor dem 1. Januar 1947 geboren wurden, liegt diese Grenze bei 65 Jahren. Für alle, die nach dem 31. Dezember 1946 das Licht der Welt erblickten, wurde die Regelaltersgrenze schrittweise auf 67 Jahre angehoben.
Im Alter noch einmal durchstarten
Wie Bestsellerautor Frank McCourt wollen sich viele potenzielle deutsche Rentner nicht zwangsweise mit dem Nichtstun oder irgendwelchen Hobbys beschäftigen. Kurzum: Sie wollen gerne weiter arbeiten und sich mit ihrem Können und ihrer Kompetenz in das Wirtschaftsleben einbringen. Neben einer Festanstellung bietet sich dabei auch eine Tätigkeit als Freiberufler an. Kein Zweifel – eine verbesserte Gesundheit und ein höherer Bildungsgrad tragen entscheidend dazu bei, dass sich Menschen nicht schlagartig aus dem Arbeitsleben verabschieden.
Die viele Jahre gültige Formel "Erst Vollzeit, dann Stillstand" löst sich zunehmend auf. So beobachtet das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung in der Altersgruppe der 55- bis 70-Jährigen einen Trend zur Arbeit im Ruhestand. Gründe? Neben Spaß an der Arbeit (95 Prozent) schätzen die rüstigen Senioren vor allem die sozialen Kontakte und die geistige Herausforderung (jeweils 90 Prozent) am Arbeitsplatz. Der Wunsch, Geld zu verdienen, liegt bei den Befragten mit 73 Prozent eher im Mittelfeld. Lediglich sechs Prozent der Befragten geben an, im Ruhestand noch einer Erwerbstätigkeit in Vollzeit nachzugehen. Über 70 Prozent arbeiten hingegen maximal 15 Stunden in der Woche.
Erfahrung, Zuverlässigkeit, Disziplin und Sozialkompetenz – die Generation der sogenannten "Silver Worker" kann mit vielen Eigenschaften punkten. "Gerade vor dem Hintergrund des drohenden und teilweise schon bestehenden Fachkräftemangels sind arbeitende Rentner die richtige Antwort auf den demografischen Wandel", sagt Holger Schäfer, Arbeitsmarktexperte am Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW).
Und warum ist es für Unternehmen oder Kunden von Vorteil, auf Ruheständler im Unruhezustand zurückzugreifen? "Fachliche Kompetenz, über viele Jahre aufgebautes Branchenwissen, ein intaktes Netzwerk sowie soziale und kommunikative Fähigkeiten machen aus den reaktivierten Ruheständlern wertvolle Kollegen, die ihr Wissen an Kunden oder jüngere Beschäftigte im Betrieb weitergeben", sagt Arbeitsmarktexperte Schäfer. Und fügt hinzu: "Die Frauen und Männer dieser Altersgruppe haben im Lauf ihres Berufslebens viele Herausforderungen gemeistert und verfügen über Erfahrungen, die für den wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens auch zukünftig entscheidend sein können."
Wer darf wie viel dazuverdienen?
Übrigens: Jeder, der die Regelaltersgrenze erreicht hat, kann als Selbstständiger oder als Festangestellter uneingeschränkt dazuverdienen. Ruheständler mit 100-prozentiger Erwerbsminderung, Bezieher einer Altersrente unterhalb der Regelarbeitszeitgrenze oder Bezieher von Ausgleichsleistungen können monatlich nur bis zu 450 Euro hinzuverdienen. Bei höheren Einnahmen werden die Rentenzahlungen gekürzt.
Diese ganzen Regelungen hätten Frank McCourt – wenn er in Deutschland gelebt hätte – wahrscheinlich nicht interessiert. Auf staatliche Zahlungen im Ruhestand war er nicht mehr angewiesen. Der berühmte Bestsellerautor starb 2009 als Millionär.