23.06.2015 Outdoor & Bücher

Wenn die Wildnis ruft

Von Detlef Hartlap
Mein See, mein Boot, mein Campingwagen: Aller Aufbruch ist schön. Die Anstrengungen kommen erst ...
Mein See, mein Boot, mein Campingwagen: Aller Aufbruch ist schön. Die Anstrengungen kommen erst ... Fotoquelle: F1online; Peter Atkins

Was braucht man, um in der Natur zu überleben? Ein gutes Messer, Streichhölzer? Survival ist wieder angesagt.

Ernest Shackleton war der beste Mann, der den Südpol nicht erreichte. Er hatte drei Versuche. Beim dritten wurde sein Schiff, die Endurance, vom Packeis eingeschlossen. Die Mannschaft harrte 281 Tage in der Enge des Schiffes. Doch die Endurance kam nicht frei; sie zerbrach.

Was tun? Das nächstgelegene Land, Paulet Island, war 557 Kilometer entfernt. Shackleton ließ ein Camp auf einer Eisscholle errichten. Das Weihnachtsmahl 1915 bestand aus altbackenem dünnen Fladenbrot und einem Becher wässrigen Kakaos für jedermann. Niemand begehrte auf. Shackleton hielt seine Truppe mit gutem Zureden, mit Sport, Spiel und Selbstbeherrschung bei Laune. Er verbreitete Zuversicht. Man fror erbärmlich, aber meuterte nicht und überlebte. Für die "verlorene" Expedition gab es das schönste Happy End: Rettung.

Das Abenteuer Natur lockt hinaus in die Randzonen

Es muss nicht immer Südpol sein. Das Abenteuer Natur lockt wieder hinaus in die Randzonen, fast wie in den Siebzigerjahren, als Überlebenskurse für Manager groß im Schwange waren und Reinhold Messner und Peter Habeler den Mount Everest ohne Sauerstoffgerät meisterten.

Ab nach draußen also und weit weg von allem, was nach Wellness schmeckt! Das ist die Losung des Tages. In besten Geschäftslagen der Städte klumpen oft drei, vier OutdoorLäden nebeneinander. Je weniger Natur draußen übrig ist, desto besser sind wir für sie gerüstet. Man wandelt auf den Spuren von Wildnis-Legenden wie Henry David Thoreau und Chris McCandless.

Thoreau (1817–1862) baute sich – in sicherer Reichweite zum nächsten Dorf – eine Blockhütte an stillem See, genoss den Anblick von Wildgänsen, das Rumoren der Eichhörnchen auf seinem Dach – und die Einsamkeit.

"Ich bin unendlich gern allein. Noch nie fand ich den Gesellschafter, der so gesellig war wie die Einsamkeit", notierte er in "Walden", das vom Leben in den Wäldern erzählt und zur Bibel vieler Aussteiger wurde.

Neuerdings erscheint sogar eine Zeitschrift namens "Walden". Motto: Die Wildnis beginnt vor der Haustür.

Survival ist kein Zuckerschlecken

McCandless (1968–1992) forderte die Gnadenlosigkeit Alaskas heraus. Er starb an Überforderung oder dem Gift wilder Kartoffeln, was auch einer Überforderung gleichkäme ... Survival ist kein Zuckerschlecken. Es verlangt Kenntnis und Willenskraft.

In Norwegen, das Entdecker-Typen wie Roald Amundsen und Fridtjof Nansen ("Eine Schachtel Streichhölzer und eine Angel – die einzige Ausrüstung, die ein Mann benötigt, um einige Wochen im Wald zu verbringen") hervorbrachte, ist Leben und Überleben auf den Fjells (Hochebenen in den Bergen) zum Volkssport geworden.

Auch in anderen Wildnissen empfiehlt sich intimes Wissen über Nutzen und Gefahren der Pflanzen. Wolf-Dieter Storl, der Waldmensch aus dem Allgäu, weiß mit jedem Kräutchen was anzufangen. Nicht minder wertvoll sind Kenntnisse von Fallen und Ködern, von erster Hilfe bei gebrochenen Knochen und klugem Verhalten, sollte man einem Bären begegnen.

Die wichtigste Überlebensregel aber setzte schon Shackleton um: Ruhe bewahren und niemals den Mut verlieren!

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