Erste Hauptrolle in "Das freiwillige Jahr"

Maj-Britt Klenke: Über die Theater-AG zur Hauptrolle

von Elisa Eberle

In "Das freiwillige Jahr" (Mittwoch, 27. Mai, 20.15 Uhr, ARD) spielt Maj-Britt Klenke ihre erste Hauptrolle. Im Interview plaudert sie über den Film, Politik und die Frage, warum sie kein Smartphone besitzt.

Maj-Britt Klenke ist eine Herzblut-Künstlerin: Sie studierte an der Otto-Falckenberg-Schule München Schauspiel und war anschließend an Theatern in München, Frankfurt und Salzburg engagiert. Derzeit schreibt die 1992 geborene Berlinerin an ihrem ersten eigenen Bühnenstück. In "Das freiwillige Jahr" (Mittwoch, 27. Mai, 20.15 Uhr, ARD) feiert sie nun ihr Spielfilmdebüt in einer Hauptrolle. Was das für sie bedeutet und wie sie mit dem vielen Reisen klarkommt, verrät die Schauspielerin im Interview. Außerdem plaudert sie über ihre Kindheit, ihr Interesse an Politik und verrät, warum sie bis heute kein Smartphone besitzt.

prisma: Frau Klenke, Sie tragen einen höchst ungewöhnlichen Vornamen. Woher kommt der?

Maj-Britt Klenke: Das ist ein skandinavischer Vorname und wird, glaub' ich, sowohl in Schweden als auch in Norwegen benutzt. Er ist aber auch altmodisch, ähnlich wie Gertrud bei uns. Meine Mutter hat eine Bekannte aus Schweden. Sie fand den Namen schön und meinte: "Yo, das machen wir!"

prisma: Sie haben also keine familiären Beziehungen nach Skandinavien?

Klenke: Das zwar nicht, aber ich bin unheimlich gerne in Schweden und habe schon viele Urlaube dort verbracht.

prisma: Also das Lieblingsurlaubsziel von Ihnen ...?

Klenke: Ja, wenn ich es mir aussuchen kann, dann würde ich immer nach Schweden fahren. Da ist es so schön ruhig, und wenn man sich dann mit ein paar Leuten oder der Familie eine Hütte teilt, dann finde ich das immer am erholsamsten.

prisma: In einem Interview verrieten Sie, dass Sie kein Smartphone besitzen. Warum ist das so?

Klenke: Das war so eine komische Entwicklung: Mein erstes Handy hatte ich erst mit 18 Jahren, weil meine Freunde so genervt davon waren, mich nicht erreichen zu können. Aber ich kam dann einfach nicht mehr von diesen ganz normalen Nokia-Dingern weg. Ich mag die Haptik von Smartphones nicht. Ich bin überhaupt kein Fan von solchen Touch-Screen-Sachen. Und ich habe auch das Gefühl, ich brauche das einfach nicht. Das klappt bis jetzt alles wunderbar ohne: Wenn ich den Weg nicht weiß, dann frage ich jemanden ... Ich habe einen Computer, ich lebe also nicht hinterm Mond. Nur das Smartphone brauche ich einfach nicht. Aber ich merke, dass ich damit langsam aber sicher zum Fossil werde (lacht).

prisma: Geht es Ihnen denn auch um Entschleunigung?

Klenke: Ach, Entschleunigung nicht, weil ich genug Aspekte habe, die sich gar nicht entschleunigend anfühlen. Es ist auch keine Zeitgeistkritik. Aber ich sehe es schon kritisch, welche Rolle das Smartphone für manche Menschen spielt. Aber es ist für mich, wie gesagt, mehrere Aspekte. Mein Handy fällt mir auch dauernd runter und geht nie kaputt, weil es eben so ein altes Nokia-Ding ist. Das ist schon ganz praktisch.

prisma: Wie haben Sie als Kind gelebt, und wie kamen Sie zur Schauspielerei?

Klenke: Ich wuchs in Berlin auf. Zum Schauspiel kam ich klassisch über die Theater-AG: Da war ich von der achten Klasse bis zum Abi dabei. Und dann fragte ich mich: Was kann ich gut? Und was möchte ich auf lange Sicht machen? Ich habe dann noch eine Weile überlegt, in Richtung Journalismus zu gehen, aber da war schon klar, dass das der Plan B ist. Nach dem Abi arbeitete ich erst mal zwei Jahre in einer Bildungseinrichtung. Parallel dazu bewarb ich mich an Schauspielschulen. Dann suchte ich mir ein paar Schulen aus, die ich interessant fand und fuhr hin. Bei den meisten hat es nicht geklappt, in München an der Otto-Falckenberg-Schule schon. Das war, glaub ich, das sechste oder siebte Vorsprechen.

prisma: Und wie ging es dann an der Schule weiter?

Klenke: Das Studium selbst war sehr Theater-lastig. Ich habe während des Studiums schon ein paar Kurzfilme gemacht, aber der Fokus in unserer Ausbildung war definitiv die Bühne. Ich hatte auch parallel dazu Gastverträge am Theater. Später wollte unbedingt freiberuflich arbeiten, weil ich das sehr schätze, die Freiheit zu haben, zu entscheiden, was ich mache. Ich merkte einfach, dass mir das wahrscheinlich nicht liegt, dass ich in einer Spielzeit fünf Stücke machen muss. Gerade als junge Schauspielerin wird man da teilweise sehr eindimensional gesehen und besetzt.

prisma: Warum sind Sie Schauspielerin geworden?

Klenke: Weil ich mich da sehr lebendig fühle. Ich habe das Gefühl, dass meine Stärken in geistiger Arbeit und körperlicher Arbeit da in einem Maße zusammenkommen, wie es mir sehr entgegenkommt.

prisma: Sie haben in München studiert, waren danach aber auch in Frankfurt und Salzburg engagiert. Nun sind Sie zurück in Berlin. Was bedeutet es für Sie, so viel unterwegs zu sein und ständig in einer neuen Stadt zu wohnen?

Klenke: Ich finde es super! Es ist toll, weil ich in Deutschland und Österreich inzwischen viel kennengelernt habe und immer wieder neue Menschen treffe. Klar kann das Reisen bedeuten, vier Wochen lang unterwegs und dabei an sechs unterschiedlichen Orten gewesen zu sein. Aber es ist ein Privileg, so viel herumzukommen. Für mich war auch München eine schöne Zeit! Ich mag die Stadt sehr gerne, ich mag die Menschen. Was ich übrigens gar nicht vermutet hätte. Wer aus Berlin kommt, bekommt oft zu hören: "Nein, du kannst doch nicht nach Bayern gehen!" Aber ich fühle mich da sehr wohl und heimisch mittlerweile. Ich bin da immer wieder gerne.

prisma: Jetzt, da Sie beide Städte kennen: Können Sie sich denn erklären, woher diese Aussage "Berlin, München – das passt nicht zusammen" kommt?

Klenke: Die Städte sind wahnsinnig unterschiedlich, und es gibt auch Sachen in München, die mich stören. Aber mich stört hier in Berlin genauso einiges. Ich empfinde Berlin oft als sehr laut und anstrengend, während man in München viele Orte finden kann an denen man Ruhe finden kann.

prisma: Der Film "Das freiwillige Jahr" basiert auf Dialogen, die während der Proben entstanden sind. Wie lief dieser Prozess ab?

Klenke: Wir hatten mit den beiden Regisseuren Ulrich Köhler und Henner Winckler Probentage, an denen sie uns ein sogenanntes Treatment gaben. Darin wird eine Szene grob beschrieben. Wir erhielten also nicht den genauen Dialog. Auf Basis dieser Kurzbeschreibung konnten wir dann improvisieren, und sie filmten das parallel mit. Diese Dialoge sind dann zum Teil ins Drehbuch miteingeflossen.

prisma: War es einfacher, ohne feste Vorgaben zu spielen?

Klenke: Es ist im Ergebnis spürbar, und ich finde das Ergebnis auch besser. Es gibt ja manchmal auch sehr hölzerne Drehbuchdialoge. Dagegen dockt es hier an uns als Schauspieler an. Mir macht es Spaß zu improvisieren. Ich habe das Gefühl, da kommen meine Fähigkeiten zum Tragen. Es gibt bestimmt auch Kolleginnen und Kollegen, die lieber mit einer klaren Textvorgabe arbeiten. Aber ich fand das hat dem Film einfach gutgetan. Das fördert auch die Authentizität des Films.

prisma: In einem Interview mit dem WDR gestanden Sie, dass Sie an manchen Stellen mit Ihrer eigenen schauspielerischen Leistung unzufrieden waren ...

Klenke: Ich glaube, es fällt den meisten schwer, sich selbst zu sehen. Dazu muss man ja gar nicht mal Schauspieler sein. Ich bin sehr kritisch und habe einen hohen Anspruch. Und wenn ich dann davorsitze, denke ich: "Ah, Mist", kann aber nichts mehr daran ändern. Das ist dann schon ein bisschen schmerzhaft. Außerdem war "Das freiwillige Jahr" auch einfach so eine Größenordnung, mit der ich klarkommen musste: Der Film ist auf einem sehr großen Festival gelaufen, wurde medial in einem Maße besprochen, wie ich es vorher auch noch nicht kannte.

prisma: Derzeit schreiben Sie an Ihrem ersten eigenen Theaterstück!

Klenke: Ich fing damit vor anderthalb Jahren an. Der Grundgedanke war, dass "Romeo und Julia" eine ganz klassische Liebesgeschichte ist. Es gibt viele Liebesgeschichten auf der Bühne zwischen Mann und Frau – ich wollte gerne auch eine Liebesgeschichte zwischen zwei Frauen auf der Bühne sehen. Und weil es dazu leider nicht so viel gängige Literatur gibt, wollte ich es selbst einmal versuchen.

prisma: Worum geht es?

Klenke: Grob um eine Frau, die im Bundesamt für Migration arbeitet und dort als Übersetzerin tätig ist. Sie lernt eine andere Frau kennen, deren Asylverfahren läuft und für die sie übersetzt. Sie ist Regisseurin und kommt aus Syrien, und die beiden verlieben sich. Das Ganze ist ein bisschen dystopisch angelegt. Es spielt vier, fünf Jahre in der Zukunft. Das Stück zeigt ihre Beziehung, aber auch ihre politisch erzwungene Trennung, insofern dass sich in dem Deutschland der Dystopie Gesetze ändern und sie wieder nach Syrien muss. Die Beziehung geht trotzdem weiter. Ich habe versucht, dieses tragische Romeo-und-Julia-Element ein bisschen einzubinden.

prisma: Haben Sie in der Flüchtlingshilfe selbst Erfahrungen gemacht, woher holen Sie sich Ihre Inspiration?

Klenke: Ich versuche mich, so gut es geht, politisch weiterzubilden und beschäftige mich viel mit Rassismus kritischem Denken. Da gibt es super Literatur von Tupoka Ogette zum Beispiel. Sie hat das Buch "Exit Racism" geschrieben. Das ist so ein Aspekt, den ich sehr wichtig finde. Grundsätzlich finde ich es krass, dass auf der Bühne und im Film so viele weiße Menschen arbeiten und sehr wenige migrantisch gelesene. Das spiegelt für mich nicht das Bild unserer Gesellschaft wider, und ich würde mir wünschen, dass sich das stückweise ändert. Ich habe manchmal den Eindruck, dass einige Menschen denken, dass die Themen Rassismus und Homophobie gar kein Problem sind. Ich sehe das anders.

prisma: Sind Sie dann auch politisch aktiv?

Klenke: Ich bin in keiner Partei. Ich lese einfach viel dazu und versuche, das in meinem Alltag oder in bestimmten Bereichen einfließen zu lassen. Es ist eher eine Frage des Bewusstseins. Wir alle unterliegen bestimmten Rassismen. Es ist wichtig, dass man sich das klarmacht und sich fragt, woran das liegt. Zum Teil sind das ja auch tiefliegende gesellschaftliche Ursachen.

prisma: Welche meinen Sie?

Klenke: Ich will meinen Kompetenzbereich nicht überschreiten. Ich bin ja auch keine Politikwissenschaftlerin. Aber das Thema Kolonialismus spielt da eine richtig große Rolle. Es ist ein bisschen absurd, dass 2020 und die ganzen letzten Jahre eine Geflüchteten-Bewegung aus Nordafrika als Belastung unseres westlich-europäischen Systems angesehen wird. Schließlich hat sich unsere Gesellschaft darauf aufgebaut, dass sie in Afrika eingefallen ist, Leute umgebracht hat und das ganze System dort mit einer wahnsinnigen Arroganz auf den Kopf gestellt hat.

prisma: Wie gehen Sie mit der aktuellen Corona-Situation um?

Klenke: Ich will da eigentlich gar nicht so viel dazu sagen. Das sollten lieber diejenigen Menschen machen, die sich damit auskennen. Es ist auch eine Frage der Perspektive: Aus kultureller Sicht ist das gerade total problematisch. Das merke ich auch bei Freundinnen und Kolleginnen und Kollegen, die in diesem Bereich arbeiten. Aber es gibt so viele Gruppen, die davon betroffen sind. Behinderteneinrichtungen zum Beispiel. Ich beneide die Personen, die da Entscheidungen treffen müssen, überhaupt nicht.

prisma: Wie hart trifft Sie als junge Künstlerin das derzeitige Spiel- und Drehverbot – im Vergleich zu Kollegen, die schon länger in dem Bereich tätig sind?

Klenke: Ich würde behaupten, dass Kolleginnen und Kollegen, die länger in dem Beruf arbeiten und sehr erfolgreich sind, eventuell mehr Rücklagen haben. Ich lebe sowieso nicht auf großem Fuß, deswegen ist es für mich okay. Aber klar merke ich die Auswirkungen: Es gibt keine Castings, gar nichts. Aber ich versuche dann stattdessen zu schreiben oder andere Sachen zu machen.

prisma: Sie sind Gründungsmitglied des Kollektivs "BerlinerOffenbacherFreundschaft". Was hat es damit auf sich?

Klenke: Im Nachhinein betrachtet war das eher eine projektbezogene Gründung: Wir haben für den Frankfurter Kunstverein gespielt. Es war ein performatives Projekt. Dabei ging es um Digitalität und Körper. Das verläuft sich dann aber schneller als man denkt in so einer großen Gruppe. Seit zwei Jahren gehöre ich jetzt zu einer Gruppe, die sich "Traumschüff" nennt. Wir spielen Theater auf einem Boot und fahren damit durch Brandenburg. Da gibt es im Internet auch mehr Infos dazu.


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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