Interview mit dem Star-Koch

Tim Mälzer: "Gerichte müssen das Herz berühren"

Liebeserklärung an die heimische Küche: Tim Mälzer gehört zu den populärsten Köchen Deutschlands, seine TV-Sendungen haben Kultcharakter.
Liebeserklärung an die heimische Küche: Tim Mälzer gehört zu den populärsten Köchen Deutschlands, seine TV-Sendungen haben Kultcharakter.  Fotoquelle: Philipp Rathmer

Für sein neues Kochbuch "Heimat" hat sich Tim Mälzer auf eine kulinarische Reise vom Bodensee bis zur Insel Sylt begeben. Warum Heimatliebe durch den Magen geht, erzählt er im Interview.

Mälzers Heimatkunde

Kochbücher gibt es wie Sand am Meer, dieses ragt heraus: Tim Mälzers kulinarischer Blick auf seine Heimat ist frei von Klischees. Für ihn ist Heimat da, wo man sich zu Hause fühlt: im Fußballstadion, bei der Familie, am Meer, in den Bergen. Wie frisch und kreativ deutsche Küche sein kann, zeigt der Kult-Koch in seinem neuen Kochbuch "Heimat".

 

Er kostete seltene Käsesorten, entdeckte eine neue Brotkultur, fuhr mit Fischern aufs Meer. In "Heimat" berichtet er von seinen Gesprächen mit Produzenten und Landwirten.

 

Vor allem aber liefert er in seinem Kochbuch über 120 Rezepte: entstaubte Klassiker und neue Kreationen "made in Germany".

 

(Tim Mälzer: "Heimat", 19,99 Euro, Mosaik, München 2014, ISBN 978344239274)

Sie sind in der Metropolregion Hamburg verwurzelt. Welche typischen Gerichte aus dieser Region schmecken für Sie nach Heimat?

Grünkohl, Steckrübeneintopf, Labskaus und Bratkartoffeln.

Warum geht die Liebe zur Heimat bei fast allen Menschen durch den Magen?

Die Familie ist der erste Freundeskreis, den man hat. Man wird in etwas hineingeboren, man wird versorgt. Prägung ist eine ganz entscheidende Phase in der menschlichen Entwicklung. In dieser Phase wird man auch kulinarisch geprägt. Die Familie lebt ja meistens an einem festen Ort, und ich glaube, dass daher diese Verbindung kommt.

In Ihrem neuen Kochbuch stellen Sie Gerichte vor, die traditionell zu Hause gekocht werden. Welche Merkmale kennzeichnen diese Küche?

Klassische Hausmannskost ist eine relativ simple Sache – sei es Blumenkohl mit Käsesoße, Frikadelle mit Kartoelsalat, Roulade mit Salzkartoffeln. Es sind immer nur ein, zwei Komponenten, die zusammengeführt werden, maximal ein kleiner Salat dazu. Aber so, dass man sich nicht wie in einem Gourmetrestaurant mit einer unterschiedlichen Differenziertheit von Konsistenzen, Geschmäckern, Gewürzen, Süße-Säure-Spielen den Kopf macht. Die Gerichte müssen einfach das Herz berühren und das war's.

Viele lieben die mediterrane Küche, bewundern die französische Kochkunst, sind fasziniert von der Exotik der asiatischen Küche. Die deutsche Küche indes gilt als fett und fleischlastig. Wird sie unterschätzt?

Ja, komplett. Der Held im eigenen Land zählt wenig. Wenn man das Heimatkochbuch durchblättert, wird man feststellen: Es hat einen sehr mediterranen Touch. Die gesamte Art und Weise, wie angerichtet wird, wie gekocht wird. Es wirkt gar nicht so derb und deftig. Fleischlastig ja, aber wir sind ein landwirtschaftlich geprägtes Land. Wir haben Milchwirtschaft, wir haben Schweine, Ziegen und Geflügel in allen Qualitätsstufen und Varianten.

Gab es auf Ihrer kulinarischen Reise durch Deutschland noch Überraschungen für Sie?

Ich war ständig überrascht. Wie gut die Produktqualität in Deutschland ist und wie nah alles ist. Und dass das Handwerk in Deutschland gerade wieder eine Renaissance erlebt, die mehr als unterstützenswert ist.

War es auch das, was Sie bei Ihren Begegnungen mit Produzenten am meisten fasziniert und begeistert hat? Sie haben sich ja vom Bodensee bis nach Sylt mit Landwirten, Viehzüchtern, Fischern, Gärtnern, Weinbauern, Bierbrauern, Köchen und Bäckern ausgetauscht.

Ja, und dass alle sich auf eines berufen: auf gutes Handwerk. Da ist kein Spinner dabei gewesen, kein Ferrarifahrer, der gesagt hat: "Ich mach das einzig tolle Bier!", sondern er hat gesagt: "Ich mache ein hervorragendes Bier, so wie viele andere auch, und das und das ist sein Charakter." Die Leute, die wir besucht haben, haben jeweils in ihren Produkten eine Ecke, eine Kante, einen Charakter gezeigt, eben etwas ganz Besonderes.

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