Thrillerserie im Ersten

"Schnee"-Star Brigitte Hobmeier im Interview über die düstere Serie, gruselige Drehs und die Kraft der Natur

03.12.2023, 10.34 Uhr
von Eric Leimann

Seltsame Dinge passieren in der neuen Serie "Schnee": Brigitte Hobmeier spielt darin eine Frau, die mit ihrer Familie in ein österreichisches Bergdorf zieht. Dort geschehen mysteriöse Dinge. Im letzten "Tatort" mit Ulrich Tukur war die Schauspielerin als dessen Gegenspielerin im Einsatz. Im Interview gibt Brigitte Hobmeier unter anderem Einblicke in die Dreharbeiten.

Es ist schon ein Kreuz, wenn man Gruselszenen einerseits schätzt, sogar mal gerne in einem richtigen Horrorfilm mitspielen würde – aber sich das Ergebnis aufgrund eigener Sensibilität nicht anschauen kann. Schauspielerin Brigitte Hobmeier, 47, war Ende Oktober als mysteriöse Gegenspielerin Ulrich Tukurs im "Tatort: Murot und das Paradies" zu sehen. Nun ist sie in der düsteren Miniserie "Schnee" (Mittwoch, 29. November, 20.15 Uhr, Das Erste) zu sehen.

Sie spielt eine Ärztin und Mutter zweier Kinder, die mit ihrem Mann in dessen Heimatdorf in den österreichischen Alpen zieht. Dort herrscht allgemeiner Niedergang. Der Berg thront düster über den vom Klimawandel ergrauten Hängen, und die zehnjährige Tochter sieht übersinnliche Dinge. Im Interview erzählt Brigitte Hobmeier von gleich zwei extrem gruseligen Ereignissen während des Drehs und von ihren Freiheitsmomenten auf hohen Bergen und am Wasser.

prisma: Frau Hobmeier, wo findet man denn diesen bedrohlichen Berg und das Alpendorf aus dem Film in echt?

Brigitte Hobmeier: Gedreht haben wir vor allem in den Dolomiten. In Val di Zoldo, aber auch im Schnalstal in Südtirol. Drehorte haben oft mit Fördergeldern aus der Region zu tun, aber wir hatten uns dort auch eine gewisse Schneesicherheit erhofft – die jedoch enttäuscht wurde. Den Schnee musste man im Winter 2022/23 oft verzweifelt suchen.

prisma: "Schnee" ist eine Mystery- und Gruselserie. Welche "Settings" lösen bei Ihnen Urängste aus?

Brigitte Hobmeier: Urängste ist ein großes Wort. Meine Figur Lucia erfährt eine unbändige Urangst. Ihre Tochter läuft weg, und die Angst sie nicht rechtzeitig zu finden, ihr nie wieder in die Augen blicken zu dürfen, diese Urangst können ich und bestimmt viele Eltern teilen. Zum Gruseln reicht es bei mir schon, wenn ich alleine bin und ein Geräusch nicht einordnen kann. Da treibt meine Fantasie sofort ihren Schabernack mit mir.

"Ich bin raus und stand im Schlafanzug im Schnee"

prisma: Können Sie sich an Ihr letztes, wirklich gruseliges Erlebnis erinnern?

Brigitte Hobmeier: Ich hatte tatsächlich meine ganz persönliche Gruselgeschichte oder besser Angstsituation während des Drehs von "Schnee". Während der Dreharbeiten hatte ich nicht im Hotel gewohnt, sondern war alleine, privat, in einem Bauernhaus untergebracht. Eine wunderschöne Wohnung mit Kamin, und da ich nahezu jeden Tag verfroren zurück von den Drehorten kam, habe ich mir auch abends immer ein Feuerchen gemacht. Eines Nachts bin ich von Rauchgeruch aufgewacht. Da hat mich wohl ein Engel geweckt. Es gab einen Kaminbrand. Ich bin raus und stand im Schlafanzug im Schnee.

prisma: Was haben Sie dann getan?

Brigitte Hobmeier: Die einzige Person die ich erreicht hatte, war meine Produzentin. Ich wusste nicht mal die Nummer der Feuerwehr in Italien.

prisma: Wie viel können Sie in der Filmkunst mit Grusel und Horror anfangen?

Brigitte Hobmeier: Also da wohnen zwei Seiten in meiner Brust. Zum einen giere ich danach, auf der anderen Seite bin ich eher zart besaitet. Meine Freundinnen wollten neulich mit mir in "Der Exorzist 2" gehen, dafür habe ich mir dann vorher während einer Drehpause den Trailer angeschaut. Und natürlich habe ich so aufgeschrien – an so einer Stelle, wo man eben schreien muss. Das Problem war nur, im Nebenraum wurde gedreht, und da sie meinen Schrei nicht in der Szene verewigt haben wollten, mussten sie gesamte Szene noch mal drehen. Ein bisschen peinlich, ein bisschen lustig.

"Der Hund hätte bei diesem Geräusch im nächsten Moment zugebissen"

prisma: Klingt danach, dass Sie auch Ihren Freundinnen den "Exorzisten" abgesagt haben ...

Brigitte Hobmeier: Ich habe höflich darum gebeten (lacht). Aber nicht, dass wir hier auf die falsche Fährte kommen. "Schnee" ist kein Horror-Movie. "Schnee" funktioniert sowohl als Familiendrama als auch als spannender Mystery-Thriller. Eine gruselige Szene zu drehen, ist im Grunde alles andere als gruselig. Ich würde gerne auch mal in einem richtigen Horrorfilm mitspielen, würde ihn dann aber vielleicht nicht ansehen. Ein bisschen paradox, aber so ist es!

prisma: Das heißt, während der Dreharbeiten zu "Schnee" hatte Sie keine Angst?

Brigitte Hobmeier: Keine Angst im Sinne von Grusel. Dafür gab es andere Situationen, zum Beispiel mit Wolfshunden, die in der Serie die Wölfe spielen. Da gab es schon Momente, in denen ich dachte: Hoffentlich ist dieses Tier gut trainiert. Zum Beispiel jene Szene, in der sich ein Wolf auf einmal mit mir im Zimmer befindet und aggressiv knurrt. Erst dachte ich: Oh, der spielt aber toll! Nur dann kam die Hundetrainerin angerannt und stellte sich zwischen uns, Szenen-Abbruch. Und sie meinte tatsächlich, dass der Hund bei diesem Geräusch, das er machte, im nächsten Moment zugebissen hätte.

prisma: Sie sind Münchnerin. Welche Beziehung haben Sie zu den Bergen?

Brigitte Hobmeier: Ich bin gerne in den Bergen und laufe Ski seit ich ein Kind bin. Aber die Drehs in den Dolomiten, zum Teil auf 3.000 Metern, das ist schon etwas anderes. Der 360-Grad-Blick von weit oben löst immer starke Gefühle aus. So wie der Blick aufs Meer.

prisma: Warum ist das eigentlich so?

Brigitte Hobmeier: Ich glaube, uns gefällt der Blick von oben auf die Landschaft oder aufs endlose Wasser deshalb so gut, weil er uns Ruhe verschafft. Man versteht in diesen Situationen, dass man Teil von etwas Größerem ist.

"Fast hatte ich das Gefühl, einer Herde anzugehören"

prisma: Suchen Sie die Einsamkeit der Berge?

Brigitte Hobmeier: Für meine Alleinsein-Erfahrungen treibt es mich eher ans Wasser. Ich habe das Gefühl, dass die Gedanken in der Natur weitere Kreise ziehen. Man kommt raus aus seinem Grübeln und den eng gefassten Bahnen, die von der Funktionalität, dem Stress und der Lautstärke der Stadt ziemlich eingegrenzt werden.

prisma: Aber Sie sind kein Outdoor-Typ?

Brigitte Hobmeier: In dem Sinne, dass ich dort Herausforderungen suche, eher nur in der Arbeit. Selbst wenn man dort im Team dreht, wird einem schnell bewusst, dass man Teil von etwas Größerem ist. Dass man sich nicht alles gefügig machen kann, wie sonst im Leben, sofern man genug im Geldbeutel hat. Gut situierte Menschen sind es gewohnt, sich jene Teile des Lebens, die unkontrollierbar lästig erscheinen und oder die einen ängstigen könnten, mit Geld wegzuorganisieren. Wenn man oben auf dem Berg ist, geht das nicht.

prisma: Aber als Filmteam auf dem Berg hat man viele Menschen an seiner Seite ...

Brigitte Hobmeier: Trotzdem muss man selbst auf jeden Schritt achten. Und man spürt die Kraft der Natur am eigenen Leib. Allein die Temperatur – wir hatten da oben oft minus zehn Grad. Als Crew waren wir 30 Menschen, die dort oben gemeinsam funktionieren mussten. Fast hatte ich das Gefühl, einer Herde anzugehören. Es ist tatsächlich etwas sehr Archaisches, was die Natur dort oben aus dir macht. Wenn jeder von uns 30 nur für sich gewesen wäre, hätten wir keine Chance gehabt. Zum Beispiel, wenn einer ins Rutschen kommt – dann wird er gehalten von den anderen. Egal, ob man eine Schauspielerin ist oder ein Set-Runner. Man ist eine Gruppe Mensch, die das Individuelle hinter sich lässt und zu einer Art amorphen Gebilde wird.

"Es war keine Schmuse- und auch keine Zicken-Produktion"

prisma: "Schnee" ist eine sehr weibliche Serie: Drehbuch, Regie, Kamera, Produktion – überall befanden sich Frauen in kreativen Entscheidungs-Positionen. Merkt man das der Serie an?

Brigitte Hobmeier: Es ist interessant, mir ist das erst am Ende des Drehs aufgefallen. Dass aber Frauen tatsächlich in so vielen entscheidenden Positionen zu finden sind, ist in der Tat ungewöhnlich. Es war deshalb aber keine Schmuse- und auch keine Zicken-Produktion. Alle haben ganz normal ihren Job gemacht. Es war ein unheimlich starker und durchaus streitbarer Haufen. Streitbar im Sinne von Frauen, die für ihre Arbeit einstanden und kämpften.

prisma: Aber ist es nicht das, was man erreichen will?

Brigitte Hobmeier: Ja, genau. Aber derzeit wird so etwas immer noch kritisch beäugt. Auch weil man mitunter Sonderförderungen bekommt, wenn das Personal so aufgestellt ist. Ich finde aber, es ist wichtig für den Prozess. Je mehr Frauen in Entscheider-Positionen zu finden sind, desto mehr wird darauf geachtet, dass auch andere Frauen für Jobs infrage kommen. Ich kann mich – auch als Schauspielerin – noch gut an Zeiten erinnern, da waren die weiblichen Charaktere meistens "Beifarbe" für den männlichen Hauptprotagonisten. Dies ändert sich mittlerweile. Man stellt sich zumindest heute öfter die Frage, ob einem Stoff nicht weibliche Figuren fehlen, die wirklich etwas zur Handlung beitragen – und das ist gut so!


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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