Hauptstadt-Talk

Braucht das TV mehr Streit? ntv startet „Blome & Pfeffer“

13.10.2025, 22.44 Uhr
Nikolaus Blome und Clara Pfeffer wollen mit "Blome & Pfeffer – Der ntv Hauptstadt-Talk" eine neue Streitkultur ins Fernsehen bringen. Die Gäste bringen ihre eigenen Themen mit, die kurz und pointiert diskutiert werden – wie am Küchentisch.

RTL setzt bei seinem Nachrichtensender ntv verstärkt auf politischen Talk. Nachdem "Pinar Atalay" bereits mit einem neuen Vieraugen-Montagstalk und Gast Friedrich Merz gestartet ist, wechselt sich ihr Format nun im Wochenrhythmus mit "Blome & Pfeffer – Der ntv Hauptstadt-Talk" (Montag, 13. Oktober, 20.15 Uhr, ntv) ab.

Darin wollen RTL/ntv-Politikchef Nikolaus Blome und Hauptstadtkorrespondentin Clara Pfeffer mit zwei Gästen eine neue Streitkultur ins Talk-Fernsehen tragen. Wie kann das gelingen? Und warum hat das Fernsehen das gerade jetzt bitter nötig?

Clara Pfeffer und Nikolaus Blome im Gespräch: "Keine klassischen Interviewer"

prisma: Wer die KI nach der deutschen Talkshow fragt, in der am meisten gestritten wird, erhält zur Antwort: "Hart aber fair". Wollen Sie bei dieser Frage bald auf Platz eins landen?

Clara Pfeffer: Auf Platz eins wollen wir natürlich immer sein – in allen Aspekten (lacht). Der Unterschied zwischen uns und "Hart aber fair" ist, dass unsere Gäste selbst ihre Themen mitbringen. Außerdem wurde bei "Hart aber fair" zuletzt wenig gelacht. Wir wollen alles etwas persönlicher, lockerer, aber dennoch auch konfrontativ halten.



Nikolaus Blome: Man kann es auch so formulieren, dass wir in diesem Format keine klassischen Interviewer sein wollen. Die Idee ist, ein gemeinsames, anregendes Gespräch auf einer Augenhöhe zu führen und keine Befragung zu veranstalten. Es soll sich anfühlen wie am Küchentisch oder in der Kantine.

prisma: Jeder der vier Gesprächsteilnehmer bringt ein Thema mit, von dem die anderen erst kurz vorher erfahren. Welche Themen könnten das sein?

Blome: Sie werden vor allem aus dem politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bereich stammen. Die Gäste dürften vor allem aus diesem Umfeld kommen. Wir würden aber auch gern einen klugen Fußballer oder eine Fußballerin bei uns sehen, wenn er oder sie ein Thema mitbringt, über das alle reden. Unser einziger Fokus bei der Themenauswahl ist gesellschaftliche Relevanz.

prisma: Ihre Sendung dauert 40 Minuten, ohne Werbeunterbrechung. Sie haben also zehn Minuten pro Thema. Da müssen die Argumente ziemlich pointiert ausgetauscht werden ...

Clara Pfeffer: Jedes Thema wird mit einem etwa 30 Sekunden langen, vorher aufgezeichneten Statement der Person eingeleitet, die dieses Thema mitbringt. Wir nennen dieses Statement "Rant", da es als steile These formuliert werden darf. Dann wird drüber diskutiert. Kurz und gerne knackig.

"Blome & Pfeffer – Der ntv Hauptstadt-Talk": "Ein eigener Ansatz"

prisma: Wird in unserer Gesellschaft zu viel oder zu wenig gestritten?

Blome: Man muss unterscheiden zwischen streitbaren Gesprächen einerseits und einer klassischen Nachrichtensendung andererseits. Letzteres ist nicht der Ort für Streit, sondern für fundierte Information und Einordnung ohne persönliche Meinungsfärbung. Talkshows sind etwas anderes. Auch wenn man das Rad nicht ganz neu erfinden kann, glauben wir, dass wir einen eigenen Ansatz versuchen. Vier politisch denkende und gut informierte Menschen bringen jeweils ein Thema mit und haben eine starke Meinung dazu. Wir wollten ein Format machen, in dem die Leute so diskutieren wie in ihrem Alltag. Unser Alltag heute ist sehr politisch. Viel politischer als noch vor fünf oder zehn Jahren.

prisma: Sie unterscheiden zwischen Alltagssituationen und Fernsehen. Wird im Fernsehen denn irgendwie falsch gestritten?

Clara Pfeffer: Es wird nicht unbedingt falsch, aber anders gestritten als im Alltag. Im Fernsehen müssen Funktionsträger wie Politiker oft Positionen vertreten. Bei uns sollen sie aber Themen einbringen. Themen, zu denen sie persönlich eine Meinung und eine emotionale Verbindung haben.

Blome: Wir wollen keine Schmalspur-Kommunikation mit Menschen, die ihre Botschaft vorbringen wollen oder müssen. Bitte nicht in diesem Setting, das wir uns wünschen.

prisma: Kennen Sie die Themen Ihrer Gäste vorab?

Blome: Noch nicht (lacht). Unsere ersten beiden Gäste sind am Montag Ex-Grünen-Chefin Ricarda Lang und Kulturstaatsminister Wolfram Weimer. Wahrscheinlich werden wir unsere Themen wenige Tage vor der Live-on-Tape-Aufzeichnung kurz austauschen – auch, um Dopplungen zu vermeiden. Wenn uns aber jemand sagt: Ich bringe etwas mit, weiß aber noch nicht genau, was – dann ist das auch in Ordnung. Der "Rant", also das Statement zum Thema, das man einbringt, wird erst kurz vor der Sendung aufgezeichnet. Und jede Folge wird wenige Stunden nach der Diskussion auch genauso ausgestrahlt.

Eine ordentliche Streitkultur für eine funktionierende Demokratie?

prisma: Richard David Precht hat in seinem Podcast mit Markus Lanz vor Kurzem kritisiert, dass die Meinungslandschaft der klassischen Medien hierzulande zu gleichförmig sei. Er sagte, dass dies der Demokratie schade, weil sich extreme Meinungen so anderswo ihrem Raum verschaffen. Stimmen Sie zu?

Clara Pfeffer: Ich kann damit nur bedingt etwas anfangen. Seitdem ich journalistisch arbeite, wurde in allen Redaktionen, die ich kennengelernt habe, immer kontrovers diskutiert und gestritten. Wenn man im Nachrichtenbereich arbeitet, muss es aber objektiv bleiben. Der Unterschied zwischen Fakten und Meinungen muss weiterhin klar sein. Diese journalistische Regel stärkt definitiv die Demokratie.

Blome: Auch ich teile den Befund nicht. Ich nehme die FAZ, die Süddeutsche, den Spiegel oder Die Welt als durchaus unterschiedlich ausgerichtete Medien wahr. Alle liegen mit ihrer Meinung nicht genau in der Mitte – und das ist in der Tat wichtig für unsere Gesellschaft. Natürlich gibt es eine Gruppe am äußeren rechten Rand des politischen Spektrums, die findet, das sei alles nur ein einziger Brei und nicht unterscheidbar. Das ist aber eine Meinung von Rechtsaußen. Wenn Sie ihr zustimmen, haben Sie die Definition dieser Leute übernommen. Wer die Unterschiede im Meinungsbild der anderen nicht sehen will, negiert sie einfach. Das ist mir zu billig.

prisma: Das öffentlich-rechtliche Fernsehen, zu dem Sie in Konkurrenz stehen, wird in dieser Hinsicht ebenfalls kritisiert. In der Tat gab es früher klar konservative und klar linke TV-Magazine, über die sich der jeweilige Gegner mächtig aufregte. Wo sind diese Magazine heute?

Blome: Was das öffentlich-rechtliche Fernsehen betrifft, stimmt die Beobachtung schon eher. In diesem Zusammenhang wird gerne an das ZDF-Format "Frontal" mit Hauser und Kienzle erinnert. Das war in der Tat eine geniale Sendung. Da stritt ein überzeugter Konservativer mit einem bekennenden Linken. Das Besondere an der Sendung waren für mich noch nicht mal die kleinen Stilelemente, die – wenn auch wohl gescripted – klasse gemacht waren. Viel wichtiger war, dass Hauser und Kienzle eine Redaktion hinter sich hatten, die Fifty-Fifty mit Journalisten unterschiedlicher politischer Position besetzt war. Das ist für mich Meinungs- und Streitkultur, wie wir sie wieder brauchen.

prisma: Also muss man das böse Wort der Rechten von den Systemmedien als Kritik ernst nehmen?

Blome: Es wäre auf jeden Fall nicht gut, wenn die Medien ein monochromes oder einfarbiges Meinungsbild abgeben. Eine ordentliche Streitkultur ist wichtig und dafür wollen wir mit unserem neuen Format stehen.

Diese Sendung dient als Vorbild von "Blome & Pfeffer – Der ntv Hauptstadt-Talk"

prisma: Sie haben gesagt, bei Ihnen soll eher wie am Küchentisch diskutiert werden und nicht so sehr wie man es klassisch aus dem Fernsehen kennt. Wo genau liegt der Unterschied?

Clara Pfeffer: Ich glaube, er ist relativ leicht zu verstehen. Im Fernsehen stellt in der Regel ein Journalist Fragen und Politiker – oder allgemein: die Gäste – antworten. Das wollen wir anders machen, uns geht es ums Gespräch auf Augenhöhe. Bei "Blome & Pfeffer" muss man nicht liefern, es ist einfach pointierter Austausch. Nikolaus und ich sehen uns da weniger als Journalisten, sondern als politische Menschen, die an einem Gespräch teilnehmen.

prisma: Und das kriegt man als TV-Profi einfach so hin, wenn man es sich vornimmt?

Clara Pfeffer: Ja, wir wollen uns auf darauf einlassen. Und ein Stück weit die Journalistenrolle ablegen.

Blome: Es klappt, wenn man sich vornimmt, kein Interview zu führen (lacht). Das gibt es in dieser Form in Deutschland allerdings bisher nicht. In Großbritannien gab es bei Sky mal das Format "The Pledge". Die haben es in etwa so gemacht, wie wir uns das vorstellen. Wir werden sehen, ob es uns gelingt, die politische Diskussion im deutschen TV ein Stück weit zu verändern.


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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