ZDF-Dokudrama

"Ich bin! Margot Friedländer": Eine beindruckende Frau, die sich nicht unterkriegen lässt

27.11.2024, 07.48 Uhr
von Eric Leimann

Das ZDF-Dokudrama 'Ich bin! Margot Friedländer' beleuchtet das Leben der 103-jährigen Holocaust-Überlebenden Margot Friedländer. Der Film kombiniert eindrucksvolle Spielszenen mit Friedländers eigenen Erinnerungen. Margot erzählt von ihrem Überlebenskampf, ihrer Emigration in die USA und ihrer Rückkehr nach Berlin.

3sat
Ich bin! Margot Friedländer
Dokudrama • 27.11.2024 • 20:16 Uhr

Margot Friedländer, heute 103 Jahre alt, ist eine der letzten Überlebenden des Holocaust. Doch erst nach dem Tod ihres Mannes Adolf im Jahr 1997 begann die damals noch in den USA lebende gebürtige Berlinerin ihre Geschichte aufzuschreiben. Sie war schon über 70, als ein Kurs für "kreatives Schreiben" sie auf die Idee brachte, ein Leben zu erzählen, das geradezu unglaublich ist. Im Dokudrama "Ich bin! Margot Friedländer", den 3sat nun im Rahmen der Verleihung des Publikumspreises wiederholt, erzählt sie aus ihrem Leben in kurzen Interviewpassagen von beeindruckender Klarheit. Getragen wird der Film von Raymond (Buch und Regie) und Hannah Ley (Buch) zudem von überzeugenden Spielszenen: In der Rolle der 21-jährigen Margot überzeugt Newcomerin Julia Anna Grob.

Adolf und Margot, deutsche Juden aus Berlin, waren 1946 per Schiff nach Amerika ausgereist. Zuvor hatten sie sich im Konzentrationslager Theresienstadt, das sie beide überlebt hatten, wiedergetroffen. Ihre erste Begegnung hatte am Theater des Jüdischen Kulturbunds in Berlin stattgefunden, wo die blutjunge Schneiderin Margot, damals mit Nachnamen Bendheim, für Kostüme zuständig war und auch mal als Statistin aushalf.

Nach der Trennung ihrer Eltern 1937 lebte Margot mit ihrer Mutter und dem jüngeren Bruder Ralph in einer sogenannten "Judenwohnung". Lange, zu lange dachten die Bendheims, die Nazis würden sich nicht lange halten und verschoben ihre Ausreise in ein sicheres Land. Die junge Margot leistete gerade Zwangsarbeit, als ihr kleiner Bruder von der Gestapo daheim abgeholt wurde. Die Mutter stellte sich danach freiwillig, um den kleinen Jungen nicht alleine zu lassen. Beide wurden in Auschwitz ermordet. Margot versteckte sich danach in Berlin. 15 Monate lebte sie in 16 verschiedenen Verstecken, ehe sie 1944 wohl nach einem Tipp durch eine Freundin verhaftet und ins KZ Theresienstadt gebracht wurde.

"Don't Call It Heimweh" als Initialzündung

2008 erschien Margot Friedländers Autobiografie "Versuche, dein Leben zu machen" nach einem Satz, den ihr die Mutter als brieflichen Abschied hinterlassen hatte. Seit 2010 lebt Friedländer nun wieder fest in Berlin. Trotz ihres hohen Alters reist sie seitdem durch Schulen und andere Bildungseinrichtungen, um ihre Geschichte zu erzählen. Dafür wurde sie vielfach ausgezeichnet.

Im nun wiederholten Dokudrama, das in den Verrats- und Folterszenen als beklemmende Studie menschlicher Abgründe, aber auch als Mutmacher einer humanistischen Stärke und Aufarbeitung funktioniert, wird ihrem Leben ein weiteres Denkmal gesetzt. Schon 2004 hatte der amerikanische Filmemacher Thomas Halaczinsky den Film "Don't Call It Heimweh" gedreht, der das große Interesse an Margot Friedländers Leben entfachte und letztendlich wohl auch sie selbst zur "aktiven Zeugin" machte.

Im deutschen Film der Leys kommt die alte Dame – immer noch sehr klar und bestimmt formulierend – nun wieder zu Wort. Und Friedländer erzählte auch ihrer Darstellerin in jungen Jahren, Julia Anna Grob, wie sie ihre Geschichte selbst erinnert. Zahlreiche Gaststars wie Axel Prahl, Charly Hübner, Iris Berben und Herbert Knaup spielen im Film kleine Gastrollen. Es sind aber die Aussagen von Friedländer selbst, die am Ende hängenbleiben. Ob sie verliebt gewesen sei, als sie ihren Mann kurz nach der Befreiung aus dem KZ geheiratet hätte, fragt sie Filmemacher Ley im Interview. Mit dem Begriff "verliebt" kann die heute 103-Jährige in der Rückschau auf die Zeit nach dem traumatisierenden Terror von zwölf Jahren Nazi-Gräuel wenig anfangen. Sie hätten erst mal Jahre gebraucht, um wieder Menschen zu werden, erzählt sie der Kamera.

Verraten von "Greiferjuden"?

Es sind Momente wie dieser, in denen klar wird: So können nur Frauen und Männer erzählen, die dem Holocaust selbst ins Auge gesehen haben. "Ich bin! Margot Friedländer" findet die richtige Mischung aus prägnanten Doku-Minuten und dem beklemmend inszenierten Berlin-Versteckspiel der jungen Margot, das facettenreich von Angst und Überlebenswillen, guten Helfern, aber auch von jenen erzählt, welche die Situation der jungen Jüdin ausnutzten.

Als Margot Friedländer verhaftet wurde, wohl aufgrund eines Hinweises sogenannter "Greiferjuden", die der Gestapo Tipps zu Versteckten gaben, in der Hoffnung, das eigene Leben oder jenes von Angehörigen zu retten, gab sie sofort zu: "Ich bin jüdisch". Einer Überprüfung auf dem Polizeirevier wollte die junge Frau so entgehen. Warum? Weil sie sich in diesem Moment nicht mehr so alleine fühlte und es ein "wir" gab, erzählt die 102-Jährige im Film. Manche Dinge muss man von Zeitzeugen hören und erzählt bekommen, um die Wucht des Erlebten zu begreifen.

Neben "Ich bin! Margot Friedländer" stehen für den 3sat-Publikumspreis neun weitere Filme zur Wahl. Der Sender wiederholt die nominierten Werke zwischen Samstag, 23. und Mittwoch, 27. November, jeweils zur Primetime. Der Sieger wird dann am Freitag, 29. November, bei der Preisverleihung der "TeleVisionale – Film- und Serienfestival Baden-Baden" verkündet.

Ich bin! Margot Friedländer – Mi. 27.11. – 3sat: 20.15 Uhr


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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