Udo Lindenberg zieht den "Tatort" in seinen Bann
Was für ein Fest! Ein Blind Date lockt Charlotte Lindholm (Maria Furtwängler) ins Hamburger Hotel Atlantic, wo sie nicht nur auf Udo Lindenberg trifft, sondern auch unter Mordverdacht gerät. Der märchenhafte Weihnachts-"Tatort" von Detlev Buck wird die "Tatort"-Gemeinde spalten.
Seit 1995 soll Udo Lindenberg einen Privatflügel im zweiten Stock des Hamburger Hotels Atlantic bewohnen. Auch wenn es immer wieder mal Gerüchte gab, der Panikrocker wäre ausgezogen – tatsächlich musste der mittlerweile 75-Jährige wohl nur während eines Hotel-Lockdowns im Zuge der Corona-Krise das Haus verlassen. Allerdings auch nicht so ganz – denn Lindenberg kehrte als "Tatort"-Schauspieler ins Atlantic zurück. Während normale Gäste noch draußen bleiben mussten, drehte Regisseur Detlev Buck den "Tatort: Alles kommt zurück" an der Außenalster, wofür er von Produzentin und Hauptdarstellerin Maria Furtwängler engagiert worden war.
Viele bekannte Gesichter im "Tatort" über Weihnachten
Neben dem Star-Regisseur, der seinen ersten "Tatort" drehte und in einer Nebenrolle als Kiezgröße auftritt, sorgen noch andere bekannte Namen für Glanz: Theatergigant Jens Harzer und Anne Ratte-Polle, die erst neulich im Dortmunder "Tatort: Masken" brillierte, geben die Hamburger Ermittelnden. Bekannte Gesichter wie Kida Khodr Ramadan tauchen in kleinen Nebenrollen auf. Und dann natürlich Udo Lindenberg, der sich selbst spielt und auch einen Song am Klavier "performt". Ja, ein reichlich grotesker Festschmaus in Sachen "Tatort". Doch ist das Ganze auch ein guter Krimi?
Göttingen-Kommissarin Charlotte Lindholm (Maria Furtwängler) reist privat nach Hamburg, um sich im Hotel Atlantic mit einem Mann zu treffen. Doch ihr Blind Date ist tot, als sie ankommt. Der Mann liegt blutüberströmt im Bett. Und Lindholm ist für die Polizei vor Ort dringend tatverdächtig. Es ermitteln die ruppig-dauergenervte Jana Zimmermann (Anne Ratte-Polle) und ihr melancholischer Partner Ruben Delfgau (Jens Harzer). Zwischen ihm und der verdächtigen Charlotte Lindholm entsteht bald eine besondere Chemie.
Die Stimmung im 1909 eröffneten Grandhotel wäre bereits ohne Mord reichlich skurril, denn im Atlantic findet gerade ein Udo-Lindenberg-Doppelgänger-Casting statt. Doch auch die echte Musiklegende schielt um die Ecke, sitzt an der Bar oder am Flügel – und trifft Charlotte Lindholm zum tiefgründigen Gespräch auf dem Hoteldach. Oder war das vielleicht nur geträumt?
Dieser "Tatort" ist ein typischer Detlev Buck-Film
So viel wie "Bibi & Tina" mit echten Reiterferien zu tun haben, so nah ist dieser Detlev Buck-"Tatort" an einem klassischen deutschen Fernsehkrimi dran. Und das, obwohl Drehbuchautor Uli Brée, der auch die "Vorstadtweiber" erfand, schon etliche Wien-"Tatorte" für das Gespann Harald Krassnitzer und Adele Neuhauser ersonnen hat. Gemeinsam haben Brée und Buck ihrer Chefin Maria Furtwängler, die erstmals als Produzentin eines "Tatorts" auftritt, ein schrilles Märchen geschenkt, das bewusst an die Geschichte von Alice im Wunderland erinnert. Nur dass Bucks Alice auf den Namen Charlotte Lindholm hört, etwas älter ist und statt dem weißen Kaninchen einem Sex Date folgt, welches schon nach wenigen Filmminuten dazu führt, dass ihr Märchenkleid blutgetränkt ist. Allzu brutal wird das Krimi-Event zum Zweiten Weihnachtsfeiertag darüber hinaus aber nicht.
Die Ermittlungen führen in Charlotte Lindholms Vergangenheit, sind aber vor allem dazu da, ein absurdes Figurenkabinett als Hinweisgeber zu befragen, wobei Schauspieler wie Kida Khodr Ramadan ("4 Blocks") oder auch Regisseur Detlev Buck, kaum erkennbar hinter der Maske von "Kiezlegende Einstein" verborgen, ein bisschen Spaß verbreiten sollen. Letztendlich sind auch die Auftritte Udo Lindenbergs im schön fotografierten Hotelfilm (Kamera: Bella Halben, "Als Hitler das rosa Kaninchen stahl") eine Nummernrevue, denn in die "Tatort"-Handlung eingebunden ist der Kultmusiker nicht wirklich.
Den Versuch großer Schauspielkunst unternimmt dieses "Tatort"-Experiments dennoch: Mit Theatergigant und Iffland-Ring-Träger Jens Harzer sowie der gegenwärtig zu Recht angesagten Anne Ratte-Polle in ihrer dritten "Tatort"-Episoden-Hauptrolle innerhalb von 13 Monaten steht in diesem Film eine Menge Potenzial vor der Kamera. Wer "Alles kommt zurück" als märchenhaftes "Weihnachts"-Entertainment betrachtet, könnte am letzten "Tatort" des Jahres durchaus Gefallen finden. Unterm Strich ist das Werk ein typischer Detlev Buck-Film, der zwischen Albernheiten und einer besonderen Idee von Instant-Kunst umherflirrt. Als Krimi, der im klassischen Sinne Spannung oder ein Miträtselfieber erzeugt, taugt das Udo Lindenberg-"Tatort"-Special eher nicht.
Tatort: Alles kommt zurück – So. 26.12. – ARD: 20.15 Uhr
Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH