Doch dieser berühmte Film wirft einen Schatten auf Fleming und seine Karriere. "Vom Winde verweht" ist ein ausgesprochener Produzentenfilm. David O. Selznick hat jedes Detail, jede Szene persönlich überwacht. Victor Fleming wird zwar im Vorspann als Regisseur genannt, doch das fertige Werk trägt absolut nicht seine Handschrift. Hinzu kommt, dass der ursprüngliche Regisseur George Cukor während der Dreharbeiten durch Fleming ersetzt wurde. Als Fleming erkrankt, dreht schließlich ein dritter Regisseur, Sam Wood, den Film zu Ende. Selznicks Dominanz bei dem Projekt sorgt dafür, dass trotzdem keine Stilbrüche sichtbar werden. Das Gerangel um das Werk führt dazu, dass Kritiker und Filmhistoriker Fleming als einen ausgesprochen unpersönlichen Regisseur und reinen Techniker abqualifizieren. Ganz zu Unrecht, denn von ihm stammen einige der originellsten Hollywoodfilme.
Bereits 1929 dreht er einen berühmten Western: "Der Mann aus Virginia" mit Gary Cooper und Walter Huston. Owen Wisters Westernchronik, auf der dieser frühe Tonfilm beruht, ist bis auf den heutigen Tag lebendig geblieben, selbst das Fernsehen hat ihn in der beliebten Endlos-Serie "Die Leute von der Shiloh Ranch" verewigt. Victor Flemings Film war nicht nur für Gary Cooper der erste Tonfilm, er bedeutete auch seinen Durchbruch zum Star. Er ist der Virginian, Vorarbeiter auf der Ranch. Dort trifft er auf Steve, einen Freund aus schlechten Tagen, er stellt ihn ein, beide verlieben sich in das gleiche Mädchen, doch der Virginian ist der glücklichere. Später lässt er den Nebenbuhler gemeinsam mit zwei Viehdieben aufhängen. Ganz klar wird nicht, ob der ehemalige Freund wirklich ein Viehdieb war. Das Mädchen ist entsetzt und wendet sich von Virginian ab, doch später wird doch noch etwas aus den beiden. Es ist ein klassischer Western mit Guten und Bösen und dem Gerechten, der seinen Job tun muss. Walter Huston spielt den finsteren Gegenspieler von Gary Cooper.
1933 hat Fleming mit Hollywoodstar Jean Harlow als "Sexbombe" großen Erfolg, und sie darf die ganze Filmbranche aufs Korn nehmen: skurrile Produzenten, Stars und Manager und all jene, die etwas vom Ruhm der Filmstars mitbekommen wollen. Star Lola möchte gerne ein ruhiges Familienleben als Ehefrau und Mutter führen, doch sie hat kein Glück, da gibt sie ihre bürgerlichen Illusionen auf und kehrt in die Traumfabrik zurück. Im gleichen Jahr wie "Vom Winde verweht" entsteht ebenfalls bei MGM das phantastische Kinomärchen "Das zauberhafte Land" mit Judy Garland: Während eines Wirbelsturms fällt das Mädchen Dorothy in Ohnmacht und erwacht in einem Zauberland. Gemeinsam mit einer Vogelscheuche, einem furchtsamen Löwen und einem Mann aus Zinn zieht sie zu dem großen Zauberer von Oz, damit alle drei ihre Wünsche erfüllt bekommen. Ein phantastischer Kinderfilm und eine brillante Revue.
Fleming beginnt als Kameramann in der Stummfilmzeit bei der amerikanischen Triangle, wo er gemeinsam mit David Wark Griffith und Douglas Fairbanks sen. arbeitet, ehe er 1919 seinen ersten eigenen Film dreht: "When The Clouds Roll By". Der zweite Film "The Mollycoddle" (1920) fällt völlig durch - bei Publikum und Presse. Es wird ihm vorgeworfen, er sei unverständlich. Dennoch, die Arbeiten bei Paramount in den Zwanzigerjahren und bei MGM in den Dreißigernn lassen Talent und Routine erkennen. Weitere Filme von Victor Fleming: "Dschungel im Sturm" (1932), "Die Schatzinsel" (1934), "Manuel" (1937), "Testpilot" (1938), die "Dr. Jekyll und Mr. Hyde"-Version" Arzt und Dämon" (1940) mit Spencer Tracy und Ingrid Bergman, "Tortilla Flat" (1942), "Kampf in den Wolken" (1944), "Aventure" (1945) und die Edelschnulze "Johanna von Orleans" (1948).