Vier neue Folgen mit dem Marihuana qualmenden Vicequestore Rocco Schiavone, der von seinem guten Kontakt zur Unterwelt lebt. Auch in der zweiten Staffel der erfolgreichen, aber auch heftig kritisierten Rai-Serie liegt der Fokus ganz auf der von Marco Giallini souverän gespielten Hauptfigur.
Ja, der deutsche Titel der Serie, "Der Kommissar und die Alpen", ist wirklich unglücklich. Ermittelt da ein Bergdoktor, oder wird gar der Anschluss an den hierzulande erfolgreichen "Bozen-Krimi" im Ersten gesucht, der die Dolomiten mit den Machenschaften der Mafia verbindet? Derlei Gedanken schwinden schnell, sie lösen sich gewissermaßen im Marihuana-Qualm des ermittelnden Vicequestore Rocco Schiavone ganz von selber auf. Das Gesicht des Schauspielers Marco Giallini, ein sprechendes Gesicht voller Düsternis und Nachdenklichkeit, aber auch mit Hang zum sarkastischen Humor, ist schon eine Landschaft für sich, die eigentlich gar keine weitere Umgebung bräuchte – schon gleich gar nicht das herbe, zwischen Bergriesen gelegene Aostatal. Dorthin hat man Rocco Schiavone, den seine Kollegen nur den "Dottore" nennen, strafversetzt.
Zunächst darf aber noch mal durchgeatmet werden: In der ersten der vier neuen Folgen nach der bei uns wenig publikumsträchtigen Staffel im Januar 2019 (die dritte wurde in Italien bereits gesendet) wird nämlich die traurige römische Vorgeschichte des zum Zynismus neigenden Kommissars erzählt. Schiavone berichtet sie in der deutschen Version mit der angemessen rauchigen Synchronstimme des Sprechers Dieter Klebsch. Glücklicherweise tut er das nicht in übermäßig anstrengenden Flashbacks, sondern nur sehr sparsam aus dem Off. Man verfolgt Rocco Schiavones Geschichte daher über weite Strecken sehr gern, zumal sie – wir sind in Rom und Umgebung, bis hin zum Containerhafen von Civitavecchia – opulent bebildert ist. Hier ist tatsächlich mal die Kombination aus Sightseeing und Kriminalfall gelungen.
Wobei man beim Plot der Folge "Ein Tag im Juli" durchaus Abstriche machen muss. Die Geschichte von zwei Drogendealern, die in kurzer Abfolge ermordet aufgefunden werden und die eines Dritten, der die beiden verriet, wirkt trotz bester Ensembleleistungen mit Fortdauer etwas gedehnt, ganz wiegen das die superb ausgesuchten Locations in der römischen Umgebung dann doch nicht auf.
Immerhin: Die mit der Narrenpritsche immer wieder ausgeteilten Witzeleien zwischen dem Kommissar und seinem Gefolge, das zum Teil aus seinen seit Kindertagen mit ihm befreundeten Ganovenkollegen besteht, sind gut getimt. Es ist ein Spiel mit Krimiklischees, wenn die Polizisten immer mal wieder auf der Leitung stehen und sie der Chef mit einem nicht ganz ernst gemeinten Nasenstüber zurechtweisen muss. Hinzukommt, dass sich das alles an der Grenze zur derzeit wieder viel strapazierten Political Correctness bewegt. Drogendealer dürfen hier auch mal schwarz und dickwanstig sein – die Großen wird man ohnedies laufen lassen müssen. Und wann hat man das in einem deutschen Serienkrimi je gesehen, dass ein verkrachter Zeuge, ein dubioser Wärter im sehenswerten Marmorsteinbruch einfach mal "das Scheißhaus" heißt? Was für eine Nummer.
Wem das zu viel ist, der wird mit der erstaunlich ausführlich erinnerten Liebesgeschichte zwischen Rocco und dessen Frau Marina (Isabella Ragonese) entschädigt. Sie wollte den Kommissar soeben wegen seiner gewinnträchtigen Ganovenvergangenheit verlassen. Die Restauratorin weist ihn auf ihrem Gerüst vor einem Heiligenfresko ab, um dann doch bei innigster verbaler Vereinigung zu ihm zurückzukehren. Vor dem Ende raucht das Ehe-Liebespaar im Auto dann brav ganz gewöhnliche Zigaretten. Berlusconi und seine Forza Italia, die beim Start der Reihe auf Rai Due einst über den Marihuana-verqualmten Polizisten in Rage gerieten, könnten da vielleicht zu Fans der italienischen Kultserie geworden sein.
Der Kommissar und die Alpen: Ein Tag im Juli – So. 09.08. – ARD: 21.45 Uhr