Die Stadt ohne Juden
03.06.2019 • 23:35 - 01:05 Uhr
Spielfilm, Stummfilm
Lesermeinung
Nach Monaten wirtschaftlicher Rezession fordert die Bevölkerung, das Ausweisungsdekret der Juden zurückzunehmen.
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Exodus der jüdischen Bevölkerung -- im Film von 1924 heißt die Stadt "Utopia", realiter war es Wien ab 1938.
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Ein Ausweisungsdekret zwingt die jüdische Bevölkerung ins Exil.
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Der glühende Antisemit Rat Bernart (Hans Moser) landet nach der Rückkehr der jüdischen Bevölkerung in der Heilanstalt.
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Schmerzhafte Trennung des jungen Paares: der jüdische Künstler Leo (Johannes Riemann) und seine Verlobte Lotte (Anny Milety)
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Hint
Produktion: H.K. Breslauer-Film, Online verfügbar von 03/06 bis 03/07
Produktionsland
Österreich
Produktionsdatum
1924
Spielfilm, Stummfilm

Der Film, der den antisemitischen Wahn voraussah

Von Maximilian Haase

Ein Film, der vor 95 Jahren gedreht wurde, in sensationeller Erstausstrahlung: ARTE zeigt die restaurierte und ungeschnittene Fassung des anti-antisemitischen Stummfilm-Klassikers "Die Stadt ohne Juden" von 1924.

Was für ein bedrückendes, vorausschauendes und historisch unersetzliches Werk der Filmgeschichte: Als der Stummfilm "Die Stadt ohne Juden" im Jahr 1924 erschien, saß Adolf Hitler gerade in Landberg am Lech in Haft und schrieb an seinem antisemitischen Traktat "Mein Kampf", dessen Forderungen er nur ein Jahrzehnt später mit Hilfe der Deutschen in die Tat umsetzen sollte. Im Film wird, ebenso wie bei Hitler, den Juden die Schuld an der wirtschaftlichen und politischen Misere gegeben – weshalb man sie aus dem Land ausweist. Im Mittelpunkt des Werks steht dabei der Jude Leo Strakosch, der seine Wiener Freundin Lotte verlassen muss, aber inkognito zurückkehrt, um gegen das Ausweisungsgesetz zu kämpfen.

Hans Karl Breslauers Literaturverfilmung des Buches von Hugo Bettauer sah in vielen Punkten voraus, was im judenfeindlichen Wahn ab 1933 Realität wurde; insbesondere einen Antisemitismus, der zur Vertreibung und in letzter Konsequenz zur Vernichtung des europäischen Judentums führte. Die deprimierendste Tatsache des österreichischen Expressionismus-Werkes betrifft jedoch in der Tat ihren großen Unterschied zur realen Geschichte: Während das Verschwinden der Juden im Film dazu führt, dass die Stadtbevölkerung nach noch schlimmerer wirtschaftlicher Rezession ihren Fehler erkennt, den antisemitischen Wortführer Rat Bernhard mit der Diagnose "Zion-Komplex" in die Psychiatrie schickt und die Juden zurückholt, mordete man im Dritten Reich weiter – und bereicherte sich gar an den Hinterlassenschaften der jüdischen Bürger.

Unzensierte Fassung

Wer die Bilder aus Wien nach dem "Anschluss" an Nazideutschland kennt, etwa jene Szenen, in denen die Bevölkerung die Juden zum Schrubben der Straße zwingt, ahnt, wie viel Antisemitismus bereits zuvor in den Österreichern schlummerte. Auch wenn sich Breslauers Film mit genau dieser Entwicklung auseinandersetzt: "Die Stadt ohne Juden" sollte vor allem auch ein Unterhaltungsfilm werden, weshalb der Name der Stadt, anders als in der Vorlage, in "Utopia" geändert wurde. Zusätzlich strich man, um den Film zugänglicher zu machen, die schlimmsten Darstellungen des Wiener Antisemitismus aus der Originalfassung.

Doch die verschwundenen Szenen wurden auf der Privatkopie eines Sammlers erhalten und per Crowdfunding-Kampagne des Filmarchivs Austria wieder hinzugefügt und restauriert. ARTE zeigt nun, in sensationeller Erstausstrahlung, die neue bearbeitete Fassung des Klassikers, begleitet von der Musik Olga Neuwirths, die das Ensemble intercontemporain einspielte. Gerade angesichts heute wiederkehrender Sündenbock-Theorien ist ein anti-antisemitischer Film wie dieser von größter Wichtigkeit. Hugo Bettauer, der Autor der Vorlage, wurde wenige Jahre nach Veröffentlichung seiner Satire von einem Nazi ermordet.


Quelle: teleschau – der Mediendienst

Darsteller

Hans Moser

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