Ein Kind wird gesucht
12.07.2019 • 20:15 - 21:45 Uhr
TV-Film, TV-Drama
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Die Journalisten, allen voran Oliver Reiss (Michael Krabbe, re.), stürzen sich auf Sandra (Silke Bodenbender, li.) und Eva Schlitter (Letizia Caldi, Mi.).
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Weder Sandra (Silke Bodenbender, li.) und Reinhard Schlitter (Johann von Bülow, 2.v.l.) noch ihre Töchter Eva (Letizia Caldi, 2.v.r.) und Lisa (Lilith Serger, re.) können Mirco am Morgen im Haus finden.
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Sandra Schlitter (Silke Bodenbender) findet Trost in ihrem Glauben an Gott, während ihr Mann Reinhard (Johann von Bülow) langsam zu zweifeln beginnt.
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Die Polizei hat die Hoffnung, dass ein Aufruf der verzweifelten Eltern Reinhard (Johann von Bülow) und Sandra Schlitter (Silke Bodenbender) den Täter aus der Reserve locken kann.
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Ingo Thiel (Heino Ferch, li.) und Mario Eckartz (Felix Kramer, re.) suchen Zeugen, die etwas gesehen haben oder am Tatzeitpunkt an der Stelle waren, wo Mirco zum letzten Mal gesehen wurde.
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Sandra Schlitter (Silke Bodenbender) findet Trost in ihrem Glauben an Gott, während ihr Mann Reinhard (Johann von Bülow) langsam zu zweifeln beginnt.
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Die Polizei hat die Hoffnung, dass ein Aufruf der verzweifelten Eltern Reinhard (Johann von Bülow) und Sandra Schlitter (Silke Bodenbender) den Täter aus der Reserve locken kann.
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Hint
Audiodeskription, Produktion: Lailaps Pictures, ZDF, ARTE, Online verfügbar von 12/07 bis 11/08
Produktionsland
Deutschland
Produktionsdatum
2017
TV-Film, TV-Drama

145 Tage Angst und Empathie

Von Wilfried Geldner

Im September 2010 verschwand der zehnjährige Mirco in der Nähe von Grefrath. Ein Fall, der eine ganze Nation, aber vor allem den Leiter der "Sonderkommission Mirco" bewegte. Der Film erzählt das Drama wahrheitsgetreu nach.

Als am 3. September 2010 der zehnjährige Mirco in den Abendstunden nicht mehr nach Hause kam, setzte sich eine der größten Suchaktionen in Deutschland in Bewegung: Die Arbeit der "Sonderkommission Mirco" mit 80 Beamten soll eine der aufwendigsten und kräftezährendsten der neueren Polizeigeschichte gewesen sein. Zwar wurden Mircos Fahrrad und Kleidungsstücke sowie später auch das Handy des Jungen gefunden. Doch trotz des Einsatzes von Hundertschaften, von Tornados mit Wärmebildkameras und Tauchern, blieb Mirco verschwunden.

Mircos Mutter versuchte vor der TV-Kamera, in einer Botschaft Verbindung mit dem Täter aufzunehmen. Eine gläubige Frau, die verzeihen wollte, wie es ihr der Glaube befahl. Der Fernsehfilm "Ein Kind wird gesucht", den ARTE nun zur Freitags-Primetime wiederholt, greift den "Fall Mirco" noch einmal auf – auf direkte Weise, ohne fiktionale Erfindungen hinzuzufügen. Akribisch wie die Suche selbst, die 145 Tage lang vonstattenging, wird in Urs Eggers Kriminalfilm die Polizeiarbeit nachgezeichnet: die Zeugenbefragung von Nachbarn und Passanten, die Aufrufe im Rundfunk, Beobachtungen doch bitte zu melden. Die Suche mit dem Hubschrauber oder mit dem Spürhund, der sich an Mircos gebrauchten Klamotten orientiert.

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Das hat alles Tempo, es wird durch die Dringlichkeit des Falles motiviert. Nichts wirkt dramaturgisch aufgesetzt, die Mutter Sandra wird von Silke Bodenbender äußerst glaubhaft verkörpert. "Wer von euch glaubt, dass wir den Jungen noch lebend finden?", fragt Heino Ferch, der im Film Ingo Thiel, den Leiter der Gladbacher Soko spielt, schon früh in die Runde. Ihn trifft nichts als betretenes Schweigen. Auch die Frauen im Männerbund der Ermittler, zuständig für den Opferschutz und die Fallanalyse, können kaum Hoffnung versprechen. Polizeiroutine, Enttäuschungen und Anteilnahme sind gut verteilt.

Eindrückliche Performance

Etwas enttäuschend mag sein, dass dann im weiteren Verlauf der Polizeifilm überwiegt. Das Familiendrama wird, der Wahrheit entsprechend, eher zurückhaltend erzählt. Die Selbstvorwürfe – warum haben wir am Abend nicht noch nach Mirco gesehen? – treffen nur kurz. Ganz am Ende wird dann Thiel auch Entwarnung geben: Die Umsicht hätte ohnehin nichts mehr genutzt.

So wird der Film vor allem zu Heino Ferchs eindrücklicher Performance. Zwischen Wut und Zurückhaltung schwankt er, der gleichfalls Familienvater ist, wenn nichts vorangehen will. Um dann die Anstrengungen immer wieder anzukurbeln: die DNA-Suche in 4.000 verdächtigen Kombis, die Weigerung, die Soko doch endlich zu reduzieren. Immer weiter nähern sich die Opferfamilie und der Polizist einander an. Und zweifellos findet die lange so vergebliche Suche ihren Höhepunkt, wenn Thiel am Ende Mircos Mutter und dessen Vater (Johann von Bülow) gegenübertreten muss, um die Verhaftung des Täters und den Fund ihres Kindes zu vermelden. Der sadistische Täter, Angestellter eines großen Telekommunikationsunternehmens, war einmal mehr ein unauffälliger, angepasster Familienvater, der nach der Tat seinen normalen Alltag weiterlebte.

In seiner Machart geht der Film über übliche Fiction-Methoden weit hinaus, Schnitt und Kamera treiben das Geschehen ohne Umschweife voran, alle Schauspieler enthalten sich pathetischer Gesten. Insgesamt war es sicher ein durchaus gewagtes Spiel, einen bis hin zu "Aktenzeichen XY" bekannten Fall mit feststehendem Ausgang noch einmal als Spielfilm zu erzählen. Doch den Autoren (Katja Röder, Fred Breinersdorfer) und Urs Egger, dem Regisseur, gelingt es, eine erstaunliche Nähe zu den damals Betroffenen und Empathie für sie herzustellen.


Quelle: teleschau – der Mediendienst

Darsteller

Schauspieler Heino Ferch im Jahr 2020.
Heino Ferch
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